Im Grunde ist es doch immer das Gleiche. Egal, ob man Klavier spielt oder den Autoführerschein macht oder eine 747 fliegt.
Zuerst kriegt man von anderen bestimmte Regeln mit auf den Weg, man lernt Grundlagen, schaut sich von Vorbildern bestimme Dinge ab, holt sich Tipps. Bis man irgendwann ein sicherer Klavierspieler / Autofahrer / Pilot ist.
Zu diesem Zeitpunkt hat man die Regeln verstanden, man hat das Konzept dahinter verstanden, man begreift, worum es eigentlich geht und warum man Anfängern diese Regeln beibringt.
Und dann beginnt man, diese Regeln zu hinterfragen. Oder man sieht jemanden, der sie erfolgreich bricht.
Dann beginnt man, zu experimentieren, man macht Fehler, erleidet Rückschläge, entwickelt sich weiter. Man muss schmerzlich begreifen, dass manche Regeln Sinn ergeben, und gleichzeitig erlebt man Situationen, in denen ein Abweichen genau die richtige Entscheidung ist.
Man macht sich eigene Regeln, behält sich andere, die gut funktionieren und verstanden sind, und erreicht so irgendwann den Höhepunkt des Schaffens, der meistens (so Gott oder wer auch immer will) mit Erfolg verbunden ist. Man ist Star-Klavierspieler, Top-Rennfahrer, Flottenchef.
Und dann irgendwann fällt die Kurve wieder. Weil man sich selbst überschätzt, glaubt, absolute Freiheit zu besitzen, und leider zu wenig Leute um sich herum hat, die einem ins Gesicht sagen, dass manche Ideen nicht halb so revolutionär und genial sind, wie man sich das vorstellt.
Um das jetzt aufs Schreiben zu übertragen:
Ja, ich finde, als angehender Autor sollte man die Grundlagen kennen. Sie sind historisch gewachsen, in mehreren Jahrtausenden, in denen Menschen Geschichten erzählt und aufgeschrieben haben. Ich sollte Interesse an ihnen haben, ich sollte versuchen, sie zu verstehen, ich sollte mir Mühe geben, zu begreifen, welchen Effekt sie auf den Leser haben, wie sie meine Geschichten formen können, und warum sie so oft so gut funktionieren.
Und ja, dann kann ich sie brechen.
Auch Picasso musste erst das beherrschen
Bevor das hier kam