Liebe Teufelz,
wie so oft bin ich mal wieder an einem Punkt, an dem ich denke, dass es mir gut tun würde, mich etwas mehr in die Theorie des Schreibens zu vertiefen. Mir die nächste Stufe Handwerkszeug draufzutun. Die Schreibratgeber und Podcasts stapeln sich hier real und virtuell -- aber wie so oft, passiert mit diesen Stapeln wenig. Daher hoffe ich darauf, dass es hier Leute gibt, die auch Lust haben, sich mit Schreibhandwerk zu beschäftigen und sich darüber mit mir auszutauschen. Die Idee ist, dass einfach jede Person, die mitmacht, davon erzählt, was sie liest oder hört und was davon die Aha-Effekte oder Anregungen waren. Andere können eigene Gedanken dazu äußern, die Sache nachlesen oder hören, so sie wollen. Ich hoffe, dass uns das ein bisschen motiviert und wir so mit- und voneinander lernen können. Dabei ist es völlig egal, ob ihr selbst Ratgeber hören oder lesen wollt, oder ob ich einfach euren Input dazu mitgebt. Sollten dabei längere Unterthemen entstehen, kann ich die zwecks Übersichtlichkeit abtrennen, aber erstmal kann alles hier hinein, was mit dem Schreiben zu tun hat.
Das Jahr gestartet habe ich mit dem Podcast Writing Excuses, Folge 19.46: An Interview on Strukture with N.K. Jemisin. Von Jemisin habe ich "Emergency Skin" gelesen und das hat mich echt geflasht, daher war ich gespannt, was eine so bekannte und erfolgreiche Schwarze feministische Phantastik-Autorin zu Struktur zu sagen hat. Weil das gerade das ist, womit ich in meinen Romanen so ringe (unter anderem). Was habe ich mitgenommen:
- ähnlich wie ich plant Jemisin fast nicht. Sie schreibt drauflos und achtet dabei besonders darauf, aus marginalisierten Perspektiven zu schreiben und das zu Ende zu denken (auch wie ich)
- bei neuen Projekten schreibt sie erstmal Warmschreibkapitel. Das meiste davon wird verworfen. Sie probiert verschiedene Stile, Perspektiven und Stimmen aus, bis etwas passt (und ich dachte, so viel zu verwerfen, sei eine Niederlage ...)
- auch sie schreibt erstmal viel zu viel hin und schraubt das bei den Überarbeitungen weiter und weiter zurück. Die Subtilität entsteht durch Weglassen, aber das geht erst, nachdem sie es alles offensichtlich hingeschrieben hat (reich mir dir Flosse!)
- auch sie braucht Testleser*innen und auch sie kommt bei jedem Projekt an einen Punkt, an dem sie denkt, dass sie es verwerfen muss, weil es so schlecht ist
- als Hausaufgabe regt sie dazu an, eine Figur in verschiedenen Charakterausprägungen zu schreiben: Einmal als diplomatisch und freundlich und einmal als abgegessen und rotzig. Was würde dann in den Dialogen geschehen?
- die Struktur wird also nicht geplant, sondern sie entsteht organisch, auch wenn sie nachher komplex erscheint
Mich hat daran vor allem angeregt, dass das Verwerfen großer Mengen an Text keine Niederlage, sondern Teil des Prozesses ist. Wenn mein Schreibprozess so funktioniert, dann ist das okay.
Bin gespannt, was ihr dazu meint.
Liebe Grüße
merin