So, Feierabend, weiter geht's.
Genre/Erwartungen:
Das ist für mich absolut Handwerkszeug, die genretypischen Elemente.
Was erwartet das Publikum von Genre XY? Urban Fantasy? Da muss ein bisschen Grit und ein bisschen Dreck rein. High Fantasy? Gold und Silber und Geschmeide und wortgewaltige Bilder und Mystik. Sci-Fi? Weltraum und coole Technik. Romance? Zweifel, der/die Nebenbuhler·in, scheinbar unüberwindbare Hürden ... und das unausweichliche Happy End.
Sci-Fi, wo die Raumschiffe immer über die Köpfe der Figuren wegfliegen und es sonst keine Berührungspunkte mit ihnen gibt? Ich würde mich schwerstens verarscht vorkommen. Selbst wenn die Geschichte selbst cool ist, ich will sie so einfach nicht als Sci-Fi verkauft bekommen.
Ein Liebesroman, wo sich die beiden am Ende nicht kriegen? Hui-ui-ui.
Welche dieser Elemente man für die eigene Geschichte verwenden und ignorieren möchte, ist dann eine andere Entscheidung, ebenso wie die Entscheidung mit einem Element zu brechen, oder Genres zu mischen. Aber wie bei allen Schreibregeln: Man sollte sie erst brechen, wenn man sie beherrscht.
Und dezitiert ausnehmen möchte ich hier auch Erwartungshaltungen, die man selbst beim Publikum aufbaut und erfüllt oder enttäuscht.
Wirkung:
Eng verknüpft mit den Erwartungen des Publikums ist die Wirkung des eigenen Texts - oder irgendeines Texts.
Da gehören so Dinge rein wie lange vs. kurze Sätze, Erzählzeit und Erzählperspektive. Eine Ich-Perspektive im Präsens wirkt einfach anders als ein auktorialer Erzähler im Imperfekt.
Kurze Sätze lesen sich schneller und einfacher und suggerieren damit ein schnelleres Vergehen von Zeit. Auch hat man, wenn man's eilig hat, keine Zeit, sich lange, gefeilte Sätze auszudenken, sondern reduziert sich aufs Wesentliche: Ich renne so schnell ich kann. Es ist heiß und ich schwitze schon nach den ersten zwanzig Metern. IM Gegensatz dazu ein möglicher Beobachter: Er rannte an Rudi vorbei die Straße runter, und Rudi fragte sich in seinem Liegestuhl unweigerlich, wie der Junge bei dieser Affenhitze genug Energien aufbrachte, um auch nur zu gehen, geschweige denn zu laufen, und im nächsten Moment fragte er sich, was es so wichtiges geben konnte, dass der Junge meinte, nichts als ein Sprint wäre der Situation angemessen.
Aber hier geht's dann schon ans Feilen, wie ich finde. Wenn der stets feingeistige Poirot plötzlich "Scheiße" rufen würde, wäre das - mal abgesehen vom absoluten Stil- und Charakterbruch - so aufrüttelnd, dass jeder, der's liest sofort weiß: Jetzt ist die Kacke aber mal so richtig am Dampfen! Wenn das und expliziteres aber in einem Charles Bukowski vorkommt ... naja. Da wär's aufrüttelnder, wenn das plötzlich fehlen würde.
UND WIE LERN ICH'S JETZT?!
Tjaaa. Das ist die Frage, nicht?
Ich fürchte, darauf gibt es keine Antwort, bzw. so viele Antworten, wie es Autor·innen gibt. Wir alle schreiben anders, wir alle haben unseren höchsteigenen Prozess, angefangen vom der Ideenentwicklung übers Plotten bis hin zum Schreiben selbst - welches Programm verwenden wir, um welche Uhrzeit schreiben wir, ...
Ich persönlich habe angefangen mit zuallererst Nonsensgedichten. Das war für mich das reine Spiel mit der Sprache, mit Reimen. Ein betrachten der Möglichkeiten, die meine Sprache mir bietet. Ein Abtasten meines eigenen Geschmacks, den ich da noch nicht an dem festmachen konnte, was ich lese. Ich hab ziemlich lange ziemlich alles gelesen, was ich in die Finger bekommen habe. Krimis, Sci-Fi, Liebesromane, Young Adult (wenn auch damals noch nicht unter diesem Namen bekannt).
Dann erste Szenen, die kaum mal länger waren als eine A4-Seite. Dann erste Versuche mit Fanfiction. Die ist bequem, weil man Figuren und Setting quasi frei Haus geliefert bekommt. (Und wenn man Charakterzeichnung üben möchte, kann ich Fanfiction nur wärmstens empfehlen. Aus den Kommentaren dazu wird man unweigerlich erfahren, ob man die Figuren gut getroffen hat oder nicht.)
Und irgendwann war da diese Fanfiction, die eigentlich einfach viel zu cool war, um sie als Fanfiction zu verbraten. Also das Fandom rausgeworfen, die Grundidee behalten, neue Figuren entwickelt (und sich entwickeln lassen), Welt bauen ... Buch schreiben. Und überarbeiten, überarbeiten, überarbeiten, überarbeiten .........