Das war's....
Alles Gute!
O.
MOD-NOTIZ:
OleOlson hat uns nach seiner erste Rösterfahrung (s. folgender Thread) leider verlassen, trotzdem haben wir seinen Ausgangstext, den er gelöscht hat, wiederhergestellt; entsprechend der Regel, dass Ausgngsposts nicht verändert werden dürfen (also auch nicht gelöscht), damit die nachfolgenden Beiträge verständlich und nachvollziehbar bleiben.
EDIT: OleOlson ist selbst gegangen, er wurde nicht hinausgeworfen, es wurde ihm nicht nahegelegt zu gehen. Er hat selbst darum gebeten, dass sein Account gelöscht wird, dem Wunsch hat unsere Admin entsprochen.
Liebe Teufelinnen und Satansbrüder,
ich schreibe gerade an meinem Kapitel: "Südostasien". Da hier noch niemand mein Prokejt kennt, sende ich einfach mal eine Leseprobe.
Mein Buchmanuskript "Kreuzfahrer In Not oder Wie überlebt man eine Weltreise?" ist eine maritime Reiserzählung. So war mal die Idee, jetzt wird es wohl ein Roman werden.
Mein Held Marc Anton Horst Lessig, ein Mann im besten Alter, steigt für ein Jahr aus, und reist um die Welt. Findet er als Witwer eine neue Liebe, ist er bereit neue Nähe zuzulassen?
Ich freu mich auf jeden Kommentar, denn ich benötige frischen Wund, um dem Projekt mehr Feuer zu verleihen.
Mit satanischen Grüßen
euer
OleOlsen
Kreuzfahrer In Not von OleOlsen
Kapitel: Südostasien
Marc trifft Mary zwei Tage später wieder. Er kommt vom morgendlichen Training und sie eilt in Richtung Wellness- und Kosmetiktempel. Beide bleiben kurz stehen, Mary wirft ihre lockigen blonden Haare zurück. Ein kurzer Blick mit ihren graugrünen Augen bringen Marc ein wenig aus seinem Rhythmus. Er drückt den Rücken durch: „Good morning, Mary. Wohin denn so eilig?“
Sie mustert ihn mit einer Wachsamkeit in den Pupillen und entgegnet kurz: „Hi, ich habe Termine.“
Schon ist sie weg. Das honigblonde Haar, der feste, knackige Hintern, der sich mehr als reizvoll unter ihrem weißen Bademantel abzeichnet. Sein Puls steigt synchron zum Pochen seines besten Freundes. ‚Ruhe Kumpel, falscher Zeitpunkt!‘Ermahnt er sich und versucht, sein Begehren über Bord zu werfen. Ein Versuch, der kläglich scheitert.
Im Sauseschritt nimmt er die Treppe zur siebten Etage. Schreitet grüßend an den fleißigen und freundlichen Engeln des Housekeeping vorbei und gelangt zu seiner Kabine. Jetzt hilft nur Marcs heimliche Allzweckwaffe – eine kalte Dusche.
Das Südchinesische Meer ist heute Morgen aufgewühlt. Die hohe Luftfeuchtigkeit erzeugt eine recht unangenehme Schwüle. Das Schiff pflügt mit zwanzig Knoten durch die Wogen und vermag nur ein wenig dieses Gefühls eines Dampfbades zu drosseln. Marc hat wie immer die Klimaanlage abgeschaltet. Nach dem Bad wickelt er sich in ein Handtuch und schnappt sich sein Buch und legt sich auf die Balkonliege. Das Lesen fällt ihm schwer. Seine Gedanken sind von den Wellen, den kleinen unförmigen Fischerbooten und mehr von Marys Geist und ihrem Körper unter dem Bademantel abgelenkt.
Er überschlägt den weiteren Reiseverlauf. Hier an Bord der BLUE STAR sind es elf Reisetage, davon vier reine Seetange, bis nach Singapur. Dort wird er Darius, seinen Freund und Weltumsegler, treffen. Sein bester Kumpel, der sein Zahnarzt und ein total verrückter Segelkamerad ist, wird mit seinem Katamaran AZADI auf ihn warten. Azadi ist kurdisch und heißt Freiheit. Von Singapur werden sie durch die Straße von Malakka in Richtung Indischer Ozean segeln. Über Mauritius, Madagaskar führt sie ihr Kurs nach Südafrika. Zwei Mitsegler werden diese Etappe als Crew unterstützen. Doch soweit vermag er nicht zu denken. Wieder erscheinen vor seinem inneren Bildschirm die unfassbaren graugrünen Augen und das blonde lockige Haar von Mary und ihre recht kühle Art von heute Morgen. Sie ist eine Frau voller Energie und doch nur eine flüchtige Reisebekanntschaft.
Marc streckt sich auf seiner Liege und versucht den Roman weiterzulesen. Nach ein paar Seiten entgleitet das Buch den müden Händen und er schläft ein. Die Traumwelt übernimmt die Herrschaft über den allein reisenden Gast, und wer spielt die Hauptrolle?
Wie jeden Tag auf See findet Marc sich gegen dreizehn Uhr am Grill auf Deck Neun ein. Johnson aus New Orleans, ein echter Nachfahre der Baumwollpflücker und Bluesmusiker, empfängt ihn mit einer Strophe über den Old Man River. Dann wird die Faust aneinandergedrückt, und sein herzhaftes und tiefes Lachen bringt Marc zum rituellen Satz:
„Morning, Bwana, what happen today? So, what is the special of the day? “
Johnson verneigt sich königlich und brummt: „Master, would you like a cool Cider and a Burger á la Johnsons Grand-Mere? “
Das Geplänkel zieht sich über Minuten hin und her. Einige Gäste in der schnell anwachsenden Schlange murren schon. Andere freuen sich über diese tägliche Zeremonie. Marc zischt sein erstes Cider und Johnson brät seinen Rinder Burger mit vielen Grimassen und wilden Voodoo Sprüchen. Dann schiebt er einen großen Teller mit dem Brötchen und dem heißen Burger zu Marc und der bedient sich an der Frischetheke mit Zwiebelringen, Gurkenscheiben, Tomatenscheiben, geschroteten Chili und einer texanischen Sauce. Das zweite Cider steht parat und Marc setzt sich auf seinen Stammplatz. Das Rindfleisch ist auf den Punkt gebraten und mit vollem Mund sieht oder glaubt er Mary Richtung Restaurant, im buntem Sommerkleid entschwinden. Wieder übernimmt sein Kopfkino die Regie und der Burger wird zur Nebensächlichkeit.
Er lehnt sich zurück in seinem Bordsessel, nippt am mittlerweile warmen Cider und denkt: ‚Das ist eine Fata Morgana. Ich kenne diese Frau nicht. Das an der Bar zählt nicht und heute bin ich total aus dem Häuschen, nur wenn ich denke, dass sie hier in unmittelbare Nähe ist. ‘
Marc steht abrupt auf, das Schiff erhebt sich ebenfalls, nur ist die Rollbewegung, trotz Stabilisatoren am Rumpf, entgegengesetzt zu seiner Fluchtrichtung, und er landet gelinde ausgedrückt auf dem Achtersteven. Wütend über sein Missgeschick richtet er sich auf, flucht vor sich hin und findet sich an der Poolbar wieder. Der Seegang scheint nachgelassen zu haben. Punyon, der junge Barmann von der Insel Luzon – Philippinen, grinst Marc an:
„Monsieur Marc, what is happen? You like a glass of Rosé de Jean-Luc Colombo? “
Marc entspannt: „You are the best man on board! “
Aus einem Rosé werden zwei. Marc schaut sich sein Glas Wein an und sein innerer Moralist fragt ungehalten: ‚Musst du denn am frühen Nachmittag wieder Wein trinken? ‘
Marc stellt das Glas artig auf die Theke und bestellt sich ein Glas Mineralwasser. ‚Hast ja Recht, ich weiß die Ausrede: Habe Urlaub - zählt nicht. ‘
Der Wind nimmt zu und die ersten Auflagen von den Liegestühlen entfalten ihr eigenes Leben und haben den Drang, das Schiff zu verlassen. Das Wasser im Swimmingpool entwickelt sich zu einem Sturm im Kleinformat.
Da erscheint Peter aus Wien: „Marc, alter Spitzbube, was hat dich denn hier festgenagelt?“
„Festgenagelt ist treffend, nee, Peterle, ich freue mich über die Naturgewalten und genieße meinen Rosé. Wann seid ihr gestern von der White Bar abgehauen?“
Peter bestellt sich einen Grünen Veltliner und kratzt sich hinter seinem rechten Ohr. Da schwappt eine Riesenwelle aus dem Pool in Richtung Bar. „Ich glaube, wir holen uns unsere Schwimmwesten und legen sie gleich an. Dann richten wir schnell eine Bar auf unserem Rettungsboot ein.“
„Das war nicht die Antwort auf meine Frage“, brummt Marc nach einem Schluck Rosé.
Peter schwenkt sein Weinglas, nippt, spielt und beißt genüsslich auf seinem Wein herum, schmatzt, und vergisst dabei das Wetter, die Umgebung, und Marcs Frage ist ihm schon lange entfallen.
Marc räuspert sich, eine Art von Falter landet, dank der Windturbulenzen, auf seinem Unterarm. Das fehlte noch, jetzt ein Haustier zugelegt und die Reise ist perfekt. Der blauschillernder Falter tippelt in aller Seelenruhe von Marcs Unterarm auf die Theke. Er verweilt kurz, öffnet seine Flügel, begutachtet diese und klappt alles wieder ein. Jeder Cabrio Fan wäre begeistert von solch einer Perfektion der grazilen Falttechnik. Marc nennt ihn Otto Lilienthal.
Peter schwenkt seinen Wein. Er neigt den Kopf, rollt mit den Augen und fragt: „Marc, entschuldige bitte, ich habe deine Frage nicht verstanden. Wann sind wir von wo und wohin gegangen?“
„Peter alles ist jut. Heute ist Heute und Gestern ist Schwamm drüber.“
„Ach, jetzt verstehe ich deine krumme Fragerei. Du willst wissen, ob die blonde Maid auch für andere Männer schöne Augen hatte.“
„Quatsch, an die Dame möchte ich mich nicht erinnern. Was war denn mit der Zeichnerin aus Kalifornien los, und wo sind Amos, und wie heißt denn bloß der andere ältere Knabe, ich glaube Clark, dann abgeblieben?“
Ein stark einsetzender Monsun unterbricht die Konversation. Der Regen trommelt mit sintflutartiger Macht auf das Schiff. Marc erhebt sich, steckt seine Nase in den Starkwind, schüttelt den Kopf, nickt Peter zu und flieht vor Mutter Natur. Peterle, aus Wien, schaut auf den leeren Barhocker und hebt sein Glas Wein, schwenkt es, und ist umgeben von einer zirkulierenden Luftfeuchtigkeit, gepaart mit Regentropfen so groß wie Golfbälle. Das wird auch Peter zu viel und er flitzt los, um sich von diesem Höllendeck zu retten.
Der Monsun wütete zweiunddreißig Stunden. Marc blieb, während dieser Phase des Sturms, auf seiner Kabine, trank Mineralwasser und fastete, nur zum Frühstück gab es ein wenig Obst. Ab und an besuchte er kurz seinen Balkon und betrachtete das aufgewühlte Meer und lauschte dem heulenden Sturm. In Sekundenschnelle wurde er nass und flüchtete in seine Kabine. Abgetrocknet und in einem Handtuch eingewickelt kletterte er auf sein Bett, baute aus den unzähligen Kopfkissen sich eine Burg, und versuchte Kontakt mit Bine aufzunehmen. Nur sie schwieg. Er dämmerte vor sich hin und schlief mal kurz ein oder lebte in Wachträumen. Dann schreckte er hoch, denn dieser Traum war zu verrückt. Bine und Mary sitzen auf einer Schaukel, lachen und schwatzen über Marc, wie zwei Schwestern oder innige Freundinnen, in einer geheimnisvollen Sprache.
‚Was hat dieses Omen zu bedeuten? ‘ Grübelt Marc in den nächsten Stunden.
Er steht auf, schaut auf seine Uhr. Es ist kurz vor sieben Uhr Bordzeit. Marc schiebt die Balkontür auf und tritt hinaus, holt tief Luft und alle Sinne verraten ihm, dass sich der Tropensturm langsam beruhigt. Marc verschwindet unter der Dusche, anschließend wählt er die passende Garderobe. Schaut vor seine Tür und schnappt sich die neue Bordzeitung und liest noch auf dem Flur:
„Liebe Gäste, unser heutiger Hafen heißt: Phu My und ist das Tor nach Saigon oder Ho Chi Minh City.“
Sein Frühstück besteht aus Obst und ein wenig Käse. Die Trainerstunde mit Santos verbindet Folter, Schübe von Glückshormonen und tiefster Entspannung. Mit der rituellen Verbeugung der Kampfsportler verlässt Marc den Gym. An der Fresh Fruit Bar lässt er sich einen frischgepressten Vitamincocktail zaubern, setzt sich in einen Bordstuhl, schaut auf das bewegte Meer, und durch die Macht des undeutbaren Traumes ist er ein platt und fühlt sich desinteressiert.
Marc hat keine Lust auf einen Landgang, andererseits reizt ihn diese magische Stadt. Die Fahrzeit der Busse wird zwei Stunden und mehr betragen. Er sieht die anderen Kreuzfahrer mit ihren bunten Nummern und dem dazugehörigen Guide zu den wartenden Bussen strömen. Egal, heute gehört ihm das Schiff für sich allein. Die Luftfeuchtigkeit zwingt seine Lunge zur Schnappatmung, obwohl er den letzten Zigarillo vor zehn Jahren rauchte.
Johnson kommt längsseits: „Hey, Monsieur Marc, the time is running and the best girls all over the world waiting for you! “
Das tiefe Lachen, geboren im Mississippi Delta, belebt Marc.
Das Schiff atmet auf, endlich kann es sich mal ein wenig erholen. Das Marc hier rumflitzt ist vollkommen in Ordnung. Er ist einer der wenigen, die wissen, dass ein Schiff ein eigenständiges Lebewesen ist.
Erneut ziehen dunkle Wolken auf, hier spielt das Klima verrückt. Auf dem Schiff wird jetzt fleißig und gründlich geputzt. Überall wo Marc rumsteht, wird er gebeten, woanders hinzugehen.
An der Pier ruft ein dünner, agiler Mann nach oben, er habe einen Kleinbus und Plätze frei für „kleines Geld“. Marc lässt einen Blick über das leere Schiff schweifen und entscheidet sich für einen kurzen Ausflug. Er signalisiert nach unten: ‚Ich hole Tasche, Geld und Jacke‘.
Der Unternehmer versteht nur „Kreditkarte“ und freut sich über diesen hilflosen Passagier. Doch in jenem Moment betritt die gute Fee den Schauplatz. Mary mustert Marc von oben bis unten:
„Hello, German, wo warst du gestern, hast dich vor dem Sturm versteckt?“ Fragt sie mit einer geheimnisvollen Wachsamkeit in den Pupillen.
Marc schüttelt sich: „Hi, Mary, wie geht es dir?“
Auf diese Frage wird nie geantwortet.
Statt einer Antwort schiebt sie ihn Richtung American Grill. Er richtet sich auf und protestiert kläglich. Mary erhöht den Druck auf seinen Unterarm. Marcs Augen schielen skeptisch zu dieser Lady und gewisse Regionen werden munter. Kopfkino, leider nur Kopfkino, Mary übergibt Johnson den flotten Single.
„Hi, Johnny, pass mal auf Tarzan auf. Ich bin gleich zurück, den können wir nicht alleine an Land gehen lassen.“
Sie schüttelte ihre blonden Locken und eilt mit einem federnden, sportlichen Gang davon. Marc ahnt, diese Frau wird seine Reise durcheinanderbringen.
Johnson stellt grinsend einen Espresso auf die Theke. Das Aroma strömt und umschmeichelt Marc. Er gibt einen Teelöffel Rohrzucker in die weiße Porzellantasse und genießt seinen Muntermacher. Erhebt sich vom Barhocker und eilt zur Reling, um den Fahrer zu signalisieren, in fünf Minuten sind wir soweit, versprochen.
Mary erscheint in einer weißen Marlenehose, einer blau-weiß gestreiften luftigen Bluse und weißen Seglerboots. Sie hat ihr Haar hochgesteckt und trägt kleine goldene Ohrringe. Ihr Gesicht glüht ein wenig.
„Auf geht’s, Herr Weltenbummler. Saigon erwartet uns.“
Marc hebt die Hände, rollt mit den Augen und signalisiert: ‚ein paar Minuten ...‘ schon flitzt er zu seiner Kabine.
Nach fünf Minuten erscheint er in einer Leinenhose und einem weißen Hemd. Er nimmt Mary an die Hand, winkt kurz zu Johnson und zwei Minuten später sitzen sie in dem alten, klimatisierten VW-Bus.
Der Fahrer beherrscht sein Handwerk. Er weicht einer Milliarde Radfahrern aus, kämpft mit zwei Millionen Mopeds. Und zu allem Glück verkeilen sich viele Lastkraftwagen und Autos auf den überfüllten Straßen. Ihr Chauffeur, Mister Zsu Chin, steigt voll in die Eisen, und der alte VW-Bus kommt schlitternd zum Stehen. Ein Bauarbeiter mit Helm, einem Signalhorn und einer abgewetzten roten Flagge springt auf die Fahrbahn und bringt den Verkehr zum Erliegen. Ein Altbau aus der französischen Kolonialzeit wird von einer riesigen Stahlkugel eingeschlagen. Diese Monsterkugel geschwungen von einem Kran, pulverisiert das brüchige Mauerwerk.
Mister Zsu Chin dreht sich zu Marc und Mary und erklärt: „Überall in Saigon wird jetzt neu gebaut, für einen modernen und schnellen Autoverkehr werden achtspurige Autobahnen und Schnellstraßen aus dem Boden gestampft.“
Irgendwann löst sich die riesige Staubwolke und sie fahren weiter. Marc sieht gediegene Wohnquartiere mit historischer Bausubstanz, die ebenfalls abgerissen und der neuen Mobilität geopfert werden.
Die neuen und hochmodernen Straßen verdoppeln ihre Spuren. Der Fahrer zeigt stolz auf die nigelnagelneuen Wolkenkratzer in weißen oder schwarzen Marmor hochgezogen.
Mary wendet sich an die Mister Zsu Chin: „Das sieht ja wie in Manhattan aus. Eure gläsernen Bürotürme werdet ihr irgendwann verfluchen, diese seelenlosen Kästen bringen niemanden Glück.“
Traurig registriert sie beim Vorbeifahren, dass alte Märkte für neue sterile Einkaufszentren geopfert werden.
Sie landen im berühmten Saigoner Stau. Marc staunt über die vielen dicken Luxusschlitten.
Mister Zsu Chin dreht sich zu Marc, er scheint ein Meister im Gedankenlesen zu sein. „Bei uns sind bevorzugte Modelle, wie in ganz Asien, Mercedes und BMW, das Alter spielt keine Rolle, Hauptsache viele Pferdestärken.“
Sein kehliges Lachen schüttelt den klapprigen VW-Bus. Die wilde Fahrt geht irgendwann weiter, und Mister Zsu Chin erzählt in seinem speziellen und schnellen Englisch die Geschichte des Landes, der Stadt und preist, ohne Luft zu holen, die unvergessliche Küche seiner Tante Phou Nim an.
Mary lauscht dem Singsang andächtig und stoppt mit energischen Handbewegungen Marcs Lust auf Konversation. In einem Kreisverkehr, der gefühlt zehnmal umrundet wird, rutscht und fällt Mary gegen Marc. Kaum ist sie bei ihm gelandet, richtet sie sich auf und rückt zurück auf ihren Platz. Marc atmet ihr Parfum und spürt ihre Körperwärme. In Saigon ist das Thermometer auf 38 Grad Celsius gestiegen und die alte Klimaanlage knattert am Limit und bleibt machtlos.
Marcs Körpertemperatur beträgt 42 Grad Celsius!
Mary ruft zu Mister Zsu Chin: „Hello my Friend, can we drive to the restaurant of Madame Nim, please. “
Der Fahrer fliegt mit dem Bus aus der nächsten Abfahrt, dieses unseligen Kreisverkehres und verlässt die Hauptstraßen. Auf einmal kommen sie in einen alten Stadtteil von Saigon an. Hier stehen alte Kolonialbauten im Mix mit heruntergekommenen Plattenbauten nach sozialistischem Vorbild. Selbst dieser kleine Stadtteil brummt. Marc dröhnt es in den Ohren. Überall und ständig wird gehupt, an jeder Ecke spielt laute Musik und es brodelt nur so vor Energie.
Mister Zsu Chin warnt: „ Madame et Monsieur, sie müssen wissen, hier als Fußgänger eine Fahrbahn ohne Ampel zu überqueren kommt einem Selbstmordkommando gleich.“
Doch der alte VW-Bus mit Marc und Mary, gelenkt souverän von Mister Zsu Chin, findet unbeirrt seinen Weg zum Restaurant von Tante Phou Nim. Ein kleiner Vorgarten, geschmückt mit roten Lampions, lädt den Gast zum Verweilen ein. Der Bus bremst, und eine Fehlzündung kündigt die neuen Besucher an.
Eine junge Frau in einem Ao Tu Than aus roter Seide begrüßt Onkel Zsu Chin und seine beiden Gäste. Marc ist begeistert über dieses raffinierte lange Seidenkleid mit dem unendlichen Schlitz an der Seite. Mary bemerkt seinen Blick und gibt ihm einen Ellenbogencheck. Marc zuckt kurz zusammen, schaut ungläubig, schüttelt sich und fragt die Kleine:
„Hi, what is your name? I am Marc and she is Mary and where is Aunt Phou Nim? “
Die junge Frau kichert, faltet beide Hände vor ihren Oberkörper und verneigt sich kurz, immer lächelnd: „Ich bin Bian und Tante wartet im Restaurant auf euch.“
Mary mustert Marc und Bian abwechselnd. Ihre blauen Augen bewegen sich schnell, als sie die junge Frau von oben bis unten taxiert. Sie lächelt, schaut Bian tief in die Augen, und erkundigt sich: „Hi, wo hast du Deutsch gelernt?“
Bian, das heißt, auf Vietnamesisch „die Geheimnisvolle“, schaut stolz die Fragende an und antwortete mit einem sanften Lächeln:
„Ich bin in Berlin geboren, meine Eltern leben seit vierzig Jahren in Deutschland, früher Ost, jetzt alles ein Land. Doch für mich kam nur ein Studium an der Nong Lam Universität in Ho Chi Minh Stadt in Frage. Um ein wenig mein Konto zu entlasten, arbeite ich bei meiner Tante Nim, sie hat unsere Heimat und das Land nie verlassen.“
Ein junger Koch kommt in den Vorgarten gelaufen mit einer flatternden weißen Schürze und ruft in seinem an Vogelstimmen erinnernden Englisch: „Bitte einzutreten. Bitte kommen Sie, Madame Phou Nim wartet nicht gern.“
Bian übersetzt diesen Singsang in Sekundenschnelle. Marc fühlt sich in Vietnam angekommen und wünscht sich nur ein kaltes Bier.
Am Nebentisch sitzen ein paar ältere Amerikaner, trinken ihr Saigon Export und schweigen. Marc nickt zu Bian, mit einem Schwenk der größer gewordenen Augen in Richtung Bierflaschen am Nebentisch signalisiert er seinen Wunsch. Mary hebt die Hand, mustert Marc und Bian, und stellt klar: „Marc möchte jetzt ein Mineralwasser und für mich ebenfalls eins, und bitte, ohne Gas.“
‚Merde! Wäre ich nur an Bord geblieben, ‘ doch für eine Meuterei ist es zu früh.
Bian geleitet Marc und Mary an einen reich verzierten Tisch, dessen Schnitzereien die Geschichte der heiligen Libelle erzählt.
Bian erkennt Marys und Marcs Begeisterung für die im edlen Holz für immer verewigte Sage. Sie nickt und zeigt mit ihren schlanken Zeigefinger auf das Symbol: „Das ist die Libelle. Wenn sie zufrieden ist, bleibt sie hier. Wenn sie traurig ist, fliegt sie davon. So sind wir Menschen aus dem Süden. Wir sind freiheitsliebend, offen und fröhlich.“
Diese Terrasse des kleinen Restaurants wird von einem historischen Ventilator, dessen Schwingen mit großen weißen Federn besetzt sind, angenehm gekühlt.
Madame Phou Nim kommt kerzengerade an den Tisch von Mary und Marc. Mit einem Lächeln, geheimnisvoll, warm, traditionell oder nur wachsam, begrüßt sie ihre Gäste. Mit einer minimalen Geste, zart wie der Flügelschlag eines Aurorafalters, bestellt sie Bian an ihre Seite. Sie deutet eine kleine Verbeugung an, und redet schnell auf Bian ein. Dann streckt sie sich, schaut mit ihren mandelförmigen Augen alle kurz an und faltet die Hände zum buddhistischen Gruß.
Marc wechselt laufend seine Sitzposition. Sie sitzen im Schatten, und doch erschlägt ihn das Klima. Mary neigt sich zu ihm und flüstert: „Das Mineralwasser kommt gleich.“
Endlich erklärt Bian das heutige Menü. Als Vorspeise gibt es Pho, eine klassische Nudelsuppe, jedes Restaurant hat sein Familienrezept. Dann werden Banh trang, Reispapierröllchen, gereicht und als Hauptgericht wird empfohlen: Lau ca keo, ein Feuertopf mit Fisch, oder Bo Luc Lac, ein Roastbeef im Wok kurz geschwenkt auf frischer roter Sellerie, Knoblauch und einer Chili-Limetten-Sauce. Klassisch - als Dessert gibt es für alle einen exotischen Obstteller.
Marc ist alles egal. Diese Frau an seiner Seite, das Restaurant der geheimnisvollen Madame Phou Nim und die junge Asiatin sind einfach zu viel für ihn.
„Ein Menü ohne den perfekten Wein ist kein Menü!“ Marc erntet mit seinem Spruch nur einen kalten Blick von Mary.
Mary übt sich in Diplomatie: „Nach dem Essen besuchen wir den Zoo und den Botanischen Garten. Das „War Remnants Museum“ erspare ich dir.“
Marc schmollt.
Die Nudelsuppe ist raffiniert und dezent gewürzt. Marc probiert zweimal und legt den bauchigen Keramiklöffel beiseite.
„Bian, bitte bringe mir ein wenig Chilisauce, ich liebe es etwas feuriger.“ Er grinst Mary keck an.
Die junge Frau nickt, leise äußert sie: „Monsieur Marc, die Suppe hat ihre eigene Schärfe. Bitte warten sie kurz und dann merken sie, Tantes Nudelsuppe spricht mit einer harmonischen Wärme aus ihrem Inneren mit Ihnen. Sie bemerken ein angenehmes Strahlen, die sich leicht und entspannend ausbreitet.“
Marc grinst. „Glaube mir, Bian, ich esse gerne scharf.“
Sie deutet eine Verbeugung an und erscheint kurze Zeit später mit einer Schale geschroteter Chilischoten.
Marc nimmt einen Teelöffel und bestreut seine Nudelsuppe. Er wartet kurz und probiert erneut. Ein weiteres Häppchen Suppe und er spürt nichts. Unser Gourmet beugt sich vor und schnappt sich die kleine Schale und würzt ordentlich nach.
Bian schaut ihn mit großen Augen an. Mary legt ihren Löffel beiseite, lehnt sich in ihren Korbstuhl zurück und trinkt einen Schluck Mineralwasser.
Marc fühlt, er ist jetzt der Mittelpunkt. Stolz schaut er die Damen an und probiert seine neue Chilisuppe. Kaum hat er den Schluck ehemaliger Nudelsuppe heruntergeschluckt, verfärbt sich sein Kopf in eine rote Leuchtboje. Wohlwissend, er wird beobachtet, isst er schnell drei Löffel Suppe. Auf seiner Stirn bilden sich Schweißperlen, sein Hals verwandelt sich in den eines Truthahnes. Er isst einen weiteren Schluck Suppe und wird von einem Hustenanfall geschüttelt. Seine Augen sehen nichts mehr, denn der Schweiß läuft ihm, wie die Niagarafälle, aus allen Poren.
Mittlerweile stehen Tante Phou Nim, Onkel Zsu Chin, Bian, der Koch und die zwei Küchenhilfen am Tisch. Sie sind fasziniert, angeekelt und sprachlos. So einen weißen Deppen haben sie noch nie erlebt.
Mary schiebt die Suppe resolut beiseite und bestellt eine Schüssel rohen gekochten Reis. Denn weder Wasser, Milch, Bier oder Tee vermögen dieses Feuer zu löschen.
Langsam ziehen sich die stillen Beobachter zurück. Mary genießt schweigen ihr Menü und lässt Marc alle Zeit der Welt, um wieder ein halbwegs zu gebrauchender Mensch zu werden.
Marc erholt sich relativ schnell.
Die Amis, ebenfalls jetzt zum Dinner auf der Terrasse und zufällig wieder am Nebentisch, heben ihre neuen und kalten Biere und prosten ihm zu.
Langsam, behutsam treten Marcs Augen wieder ihren Dienst an. Er blinzelt, wisch die letzten Tränen weg und die Welt um ihn herum nimmt wieder Formen an. Sein Kreislauf reguliert sich. Er ist nassgeschwitzt und grinst vor sich hin.
Mary faltet ihre Serviette und fragt beiläufig: „Na, mein Held, hat es denn geschmeckt, war alles zu deiner Zufriedenheit?“
Er rollt mit den Augen, nickt, wie eine asiatische Winke Katze, probiert einen Schluck Wasser und schnappt weiterhin nach frischer Luft.
Bian erscheint lautlos am Tisch: „Haben Sie weitere Wünsche?“
Marc hebt die rechte Hand, betupft die Stirn mit seinem nassen Taschentuch und heiser bestellt er die Rechnung.
Mary schiebt resolut ihren Korbsessel beiseite, greift ihre Handtasche und verschwindet im Restaurant. Ein Purpurfink pfeift ihr hinterher.
Marc lebt in seinem eigenen Kokon. Mary, Bian und Tante Phou Nim erscheinen, heben die Hände zum buddhistischen Gruß und übergeben den Weltreisenden an Mister Zsu Chin.
Langsam kommt Marc im Taxi wieder zu sich.
Sie fahren zum Saigon Zoo and Botanical Garden.
Ende des Textauszuges