Hi Ryrke,
zur Benutzung von Wiederholungen als Stilmittel möchte ich hier Ursula LeGuin zitieren (aus meinem Lieblingsbuch zum Thema Schreiben - Kleiner Autorenworkshop). Natürlich können Wiederholungen auf die Nerven gehen oder einfach unschön oder ungeschickt erscheinen, aber sie sind auch wichtig:
"Aber niemals dasselbe Wort zweimal in einem Absatz zu verwenden oder allgemein Wiederholungen zu meiden, hieße, freiwillig auf ein wichtiges Werkzeug narrativer Prosa zu verzichten. Wiederholungen von Wörtern, Sätzen, Bildern; Wiederholungen von bereits Gesagtem, Variationen. ... Alle Erzähler verwenden dieses Stilmittel, und wer es geschickt einsetzt, macht seine Erzählung kraftvoll und anschaulich."
Ich denke, sie hat da völlig recht. Statt verzweifelt nach Synonymen zu suchen, was dann in unüblichen Worten oder Verallgemeinerungen oder ähnlich unschönen Dingen mündet, sollte man besser versuchen, den Satz umzustellen. Es stört mehr als dass es hilfreich wäre, statt Pferd Reittier zu benutzen (beispielsweise). Ich stimme da Oldlady völlig zu:
Schlecht finde ich auch jede verkrampfte Synonymsuche. Wenn etwa ein Schreiber versucht, "sagte" ständig zu variieren, kommt oft umständlicher Krampf heraus (Negativbeispiele: "knirschte", "weinte", "gab seine Meinung kund", "sprach"). In Ordnung sind für mich aber unauffällige Wörter wie etwa antwortete, fragte, erwiderte.
Außerdem ist bei einem Dialog zu beachten, dass der eine Sprecher oft das Wort des anderen wiederaufnimmt, um darauf zu antworten.
Sprache soll meiner Ansicht nach in einem Roman natürlich klingen, nicht gesucht.
Wiederholungen sind nicht nur dafür gut, gewisse Dinge zu betonen, sondern auch, um Stimmungen zu erzeugen. Ich habe mal ein kurzes Kapitel geschrieben und bewusst dieses Mittel zum Einsatz gebracht.
Szene: Tag nach dem Angriff auf die Hauptstadt. Er streift auf der Suche nach seinem Freund durch die vom Feind besetzte Stadt.
Ich habe alle Absätze in einem Gleichklang beginnen lassen.
Er sah seltsam geformte Stapel ...
Er sah Gestalten in dunkelroten Roben ..
Er hörte die Schreie.
Er sah ...
Er sah ..
Um eine Monotonie zu erzeugen, eine Litanei, Erdulden, Bedrückung, eine Art Passivität des Handelns.
Um es dann zu durchbrechen:
Wen er nicht sah ...
Das funktioniert nicht im selben Maße, wenn ich Synonyme verwendet hätte, wie
Er betrachte, Er nahm wahr, Er schaute, Er beobachtete.
Auch humorvolle Szenen funktionieren gerne mal über das Mittel der Wiederholung. Eben verdreht.
Oder noch ein Beispiel (Mir fallen da im Moment nur meine eigenen Texte zu ein, in denen ich bewusst damit gearbeitet habe. Ich müsste jetzt lange suchen in anderen Büchern, wo es verwendet wird.)
In ihren Augen, in ihren Ohren, in ihrer Nase, auf ihren Lippen, in ihren Händen. Tod.
um das Bild später wieder aufzugreifen:
In meinen Augen, in meinen Ohren, in meiner Nase, auf meinen Lippen, in meinen Händen. Tod.
Es gibt ja einige Schreiber, denen es sehr leicht fällt, einen guten Rhythmus, eine angenehme Melodie in ihrer Sprache zu transportieren. Ich tue mich da ein bisschen schwer, weil ich einen Hang zu kurzen Sätzen habe. Dann bekommen meine Texte so ein Stakkato-Feeling, das unangenehm ist. Am Ende muss ich immer noch mal und noch mal ran und Satzlängen variieren, oder eben auch Wiederholungen einbauen, um Klänge zu erzeugen.
LG
Kass