21 November 2024, 22:35:01

Autor Thema: Dopplungen  (Gelesen 9427 mal)

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June

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Dopplungen
« am: 11 August 2016, 08:53:23 »
Hallo liebe Federteufelchen ;)

nachdem bei meinem ersten Röst (http://www.federteufel.de/forum/index.php/topic,1629.0.html) die Frage auftauchte, wie viele Wiederholungen einem Text gut tun (Stichtwort Natürlichkeit) und ab wie vielen der Text "versaut" ist, möchte ich diese Frage gern an Euch weitergeben.

Ich persönlich versuche, so wenig wie möglich Worte in einem Text zu wiederholen, um ihn sprachlich einmalig zu machen. (dazu zählen neben den üblichen ("doch", "noch", "immer", "wieder", "so"), die mir als Testleser auffallen auch "und", "aber", "als" sowie Substantive, die schwer synonymisierbar sind (z.b. Tür, Pfeil, etc.))

Wie seht ihr das? Irgendwelche Erfahrungswerte? :)

LG, Ryrke
"What we call imagination is actually the universal library of what's real. You couldn't imagine it if it weren't real somewhere, sometime." Terence McKenna

Viskey

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Re: Dopplungen
« Antwort #1 am: 11 August 2016, 12:37:12 »
Interessantes Thema, und bis zu einem gewissen Grad sicher auch eine Geschmacksfrage.

Viele Wortwiederholungen kann man sicher vermeiden, indem man mal das eine oder andere Wort einfach weglässt. Die allseits beliebten Füllwörter sind da die ersten Kandidaten.

Andere Wortwiederholungen ... Ich meine, da darf man nicht zu streng mit sich sein. Und ergibt sich sprachliche Einmaligkeit wirklich durch ein möglichst umfangreiches Vokabular?

Manche Wörter werden, auch wenn sie sehr oft vorkommen, nicht wirklich wahrgenommen, gerade die kleinen, wie Artikel oder Pronomen. Und, weil ich's gerade unabsichtlich produziert habe: Das Reflexivpronomen "sich" verschwindet meistens, weil es nicht als eigenständiges Wort wahrgenommen wird, sondern als Teil des Wortes, auf das es sich bezieht. Etwas "ergibt sich", man "wäscht sich" oder "entscheidet sich".

Ich bin ja kein Freund der Synonymisierung. Meistens geht sie nämlich schief, und man hat einen irgendwie unhandlichen Text vor sich, in dem man über die diversen Synonyme stolpert, statt sich über Abwechslung zu freuen. Gerade bei Figuren bin ich der Meinung: Eine Figur - ein Name.
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Oldlady

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Re: Dopplungen
« Antwort #2 am: 11 August 2016, 20:32:36 »
Die Frage nach den Dopplungen entstand durch Ryrkes Röstung meines Textes. Ich finde, es kommt auf das Wort an. Dreimal hintereinander "hätte" oder "dass" versuche ich zu vermeiden, weil das dem Leser eventuell auffällt. Nicht aber Wörter wie "war", "die", "ihre" oder "ist". Die nimmt – wie Viskey schon erwähnte – niemand bewusst war, also stören sie auch nicht. 
Schlecht finde ich auch jede verkrampfte Synonymsuche. Wenn etwa ein Schreiber versucht, "sagte" ständig zu variieren, kommt oft umständlicher Krampf heraus (Negativbeispiele: "knirschte", "weinte",  "gab seine Meinung kund", "sprach").  In Ordnung sind für mich aber unauffällige Wörter wie etwa antwortete, fragte, erwiderte.
Außerdem ist bei einem Dialog zu beachten, dass der eine Sprecher oft das Wort des anderen wiederaufnimmt, um darauf zu antworten.
Sprache soll meiner Ansicht nach in einem Roman natürlich klingen, nicht gesucht.
 

Pia Sophie

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Re: Dopplungen
« Antwort #3 am: 13 August 2016, 10:04:58 »
Ich bin ebenfalls der Ansicht, ein Text soll sich vor allem flüssig lesen lassen. Wenn das gewährleistet ist, ist es mir völlig egal, ob sich einzelne Worte wiederholen oder nicht (obwohl ich persönlich auch eher jemand bin, den Dopplungen schnell stören). Von daher gibt es keine Richtwerte, wie oft sich ein Wort in einem Text wiederholen darf. Und ich wage auch mal zu behaupten, dass das ohnehin stark vom Stil abhängt.

Was Oldladys Text und Ryrkes Röstung betrifft:
Einige Passagen lassen sich tatsächlich noch etwas flüssiger formulieren, keine Frage. Aber das ist ja wahrscheinlich der Grund, weshalb er auf dem Rost liegt.
Manche der angekreideten Wiederholungen werden von der Autorin allerdings als stilistisches Mittel eingesetzt. Sowas sollte der Kritiker als solches natürlich schon erkennen und entsprechend würdigen.  :devevil:


June

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Re: Dopplungen
« Antwort #4 am: 13 August 2016, 10:22:20 »
Hehe, na klar! Ich bessere mich, was das hier betrifft:

Zitat
Manche der angekreideten Wiederholungen werden von der Autorin allerdings als stilistisches Mittel eingesetzt. Sowas sollte der Kritiker als solches natürlich schon erkennen und entsprechend würdigen.

Allerdings bringt es mich zur nächsten Frage... ab wann wird es denn ein stilistisches Mittel? Bzw. in welchen Situationen? Gibt es da Richtlinien? Vielleicht bin ich für dieses Mittel nicht so empfänglich. Daher sage ich, bei diesen Röstungen immer nehmen, was man braucht, alles muss ja nicht. Falls ich das stil. Mittel übersehe, dann einfach die entsprechende Anmerkung ignorieren. :)
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Pia Sophie

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Re: Dopplungen
« Antwort #5 am: 13 August 2016, 10:40:39 »
Allerdings bringt es mich zur nächsten Frage... ab wann wird es denn ein stilistisches Mittel?

Wort-/Formulierungswiederholungen werden zum stilistischen Mittel, wenn sie vom Autor mit Absicht eingesetzt werden. Meistens, um etwas zu betonen.

Kann sein, dass man da ein bisschen Erfahrung braucht, um sowas zu erkennen.  ;)

Viskey

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Re: Dopplungen
« Antwort #6 am: 13 August 2016, 21:43:35 »
Ich glaube, da braucht's nicht viel Erfahrung, eher die Erkenntnis, dass bei bewusster Wiederholung andere Wörter zum Handkuss kommen als bei unbewusster. Da häufen sich dann eben nicht "hätte" und "war", sondern zum Beispiel "Halt!", sehr beliebt auch immer wieder "nein" ... Wörter, die in sich schon eine starke, eindeutige (oder im Gegenteil sehr vielseitige) Bedeutung tragen. Diese Bedeutung wird durch die Wiederholung noch verstärkt.

Natürlich funktioniert's auch im Umkehrschluss: Dadurch, dass ich zB ein an sich banales Wort immer wieder wiederhole, bekommt das eine Bedeutung eingeflößt, die es sonst nicht hat. Und ja, da stimme ich zu, da braucht's dann wohl etwas Erfahrung, um das als Stilmittel zu erkennen.
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merin

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Re: Dopplungen
« Antwort #7 am: 29 August 2016, 10:33:27 »
Für mich ist auch wichtig, ob sich der Text flüssig liest. Stören Wiederholungen den Wortfluss nicht, dann sind sie mir egal. Die Krux an der Sache: Was jemand anderes nicht stört, kann mich stören und umgekehrt. Beispielsweise wirken Texte mit vielen bestimmten Artikeln auf mich oft holprig, andere mag das nicht stören.
Ich hatte ja, als Ryrke geröstet hat, darüber nachgedacht, ob ich die Variante, den PC nach Wortdoppelungen suchen zu lassen, gut finde, oder nicht. Ich denke: Wenn die Doppelungen mir beim Lesen auffallen, dann darf PC helfen. Auf Verdacht die "üblichen Verdächtigen" per PC aufzuspüren, fände ich aber (außer bei mir selbst, wo ich gern betriebsblind bin), keine Lösung.

Ansonsten bin ich ja ein Fan von Umschreibungen. Ich mag es lieber ein wenig kompliziert als zu gleichförmig. Aber auch das ist, in weiten Teilen, Geschmackssache.
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

kass

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Re: Dopplungen
« Antwort #8 am: 30 August 2016, 11:06:31 »
Hi Ryrke,

zur Benutzung von Wiederholungen als Stilmittel möchte ich hier Ursula LeGuin zitieren (aus meinem Lieblingsbuch zum Thema Schreiben - Kleiner Autorenworkshop). Natürlich können Wiederholungen auf die Nerven gehen oder einfach unschön oder ungeschickt erscheinen, aber sie sind auch wichtig:

"Aber niemals dasselbe Wort zweimal in einem Absatz zu verwenden oder allgemein Wiederholungen zu meiden, hieße, freiwillig auf ein wichtiges Werkzeug narrativer Prosa zu verzichten. Wiederholungen von Wörtern, Sätzen, Bildern; Wiederholungen von bereits Gesagtem, Variationen. ... Alle Erzähler verwenden dieses Stilmittel, und wer es geschickt einsetzt, macht seine Erzählung kraftvoll und anschaulich."

Ich denke, sie hat da völlig recht. Statt verzweifelt nach Synonymen zu suchen, was dann in unüblichen Worten oder Verallgemeinerungen oder ähnlich unschönen Dingen mündet, sollte man besser versuchen, den Satz umzustellen. Es stört mehr als dass es hilfreich wäre, statt Pferd Reittier zu benutzen (beispielsweise). Ich stimme da Oldlady völlig zu:

Zitat
Schlecht finde ich auch jede verkrampfte Synonymsuche. Wenn etwa ein Schreiber versucht, "sagte" ständig zu variieren, kommt oft umständlicher Krampf heraus (Negativbeispiele: "knirschte", "weinte",  "gab seine Meinung kund", "sprach").  In Ordnung sind für mich aber unauffällige Wörter wie etwa antwortete, fragte, erwiderte.
Außerdem ist bei einem Dialog zu beachten, dass der eine Sprecher oft das Wort des anderen wiederaufnimmt, um darauf zu antworten.
Sprache soll meiner Ansicht nach in einem Roman natürlich klingen, nicht gesucht.

Wiederholungen sind nicht nur dafür gut, gewisse Dinge zu betonen, sondern auch, um Stimmungen zu erzeugen. Ich habe mal ein kurzes Kapitel geschrieben und bewusst dieses Mittel zum Einsatz gebracht.

Szene: Tag nach dem Angriff auf die Hauptstadt. Er streift auf der Suche nach seinem Freund durch die vom Feind besetzte Stadt.

Ich habe alle Absätze in einem Gleichklang beginnen lassen.
Er sah seltsam geformte Stapel ...
Er sah Gestalten in dunkelroten Roben ..
Er hörte die Schreie.
Er sah ...
Er sah ..

Um eine Monotonie zu erzeugen, eine Litanei, Erdulden, Bedrückung, eine Art Passivität des Handelns.
Um es dann zu durchbrechen:

Wen er nicht sah ...

Das funktioniert nicht im selben Maße, wenn ich Synonyme verwendet hätte, wie
Er betrachte, Er nahm wahr, Er schaute, Er beobachtete.

Auch humorvolle Szenen funktionieren gerne mal über das Mittel der Wiederholung. Eben verdreht.

Oder noch ein Beispiel (Mir fallen da im Moment nur meine eigenen Texte zu ein, in denen ich bewusst damit gearbeitet habe. Ich müsste jetzt lange suchen in anderen Büchern, wo es verwendet wird.)

In ihren Augen, in ihren Ohren, in ihrer Nase, auf ihren Lippen, in ihren Händen. Tod.

um das Bild später wieder aufzugreifen:

In meinen Augen, in meinen Ohren, in meiner Nase, auf meinen Lippen, in meinen Händen. Tod.

Es gibt ja einige Schreiber, denen es sehr leicht fällt, einen guten Rhythmus, eine angenehme Melodie in ihrer Sprache zu transportieren. Ich tue mich da ein bisschen schwer, weil ich einen Hang zu kurzen Sätzen habe. Dann bekommen meine Texte so ein Stakkato-Feeling, das unangenehm ist. Am Ende muss ich immer noch mal und noch mal ran und Satzlängen variieren, oder eben auch Wiederholungen einbauen, um Klänge zu erzeugen.

LG
Kass




Viskey

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Re: Dopplungen
« Antwort #9 am: 30 August 2016, 11:50:46 »
Zitat
Es gibt ja einige Schreiber, denen es sehr leicht fällt, einen guten Rhythmus, eine angenehme Melodie in ihrer Sprache zu transportieren

Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Aspekt der Wortwiederholung: der Rhythmus, der die Melodie trägt.
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Pia Sophie

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Re: Dopplungen
« Antwort #10 am: 30 August 2016, 15:21:24 »
Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Aspekt der Wortwiederholung: der Rhythmus, der die Melodie trägt.
Genau. Und irgendwann bekommt man auch ein Gefühl dafür, ob solche Wiederholungen stehenbleiben können oder rausfliegen sollten.
Insofern ist es auch wenig hilfreich, die Suchmaschine über einen Text zu schicken. Die ignoriert den Rhythmus/die Melodie ja völlig.

Viskey

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Re: Dopplungen
« Antwort #11 am: 30 August 2016, 17:52:36 »
Wie bei so vielem, ist so ein Programm eine hilfreiche Unterstützung, aber blind drauf verlassen sollte man sich nicht... ;) Ist wie bei einem Navi. Wenn das sagt, es ginge links rum, und da ist nur leider ein Fluß - ohne Brücke - fahr ich da auch nicht lang ... :wech:
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