Figuren ... Mit meinen Figuren habe ich eher selten Mühe.
Wie bei einigen von Euch kommen viele der Charas mit ihren grossen und kleinen Charakteren daherspaziert, fixfertig. Meine Aufgabe ist dabei dann eher, aus ihnen all die Informationen herauszukitzeln, die ich wissen will / muss. Das kommt aber wahrscheinlich auch daher, dass ca. 80 % meiner Ideen mit den Charas anfängt. Dann kommen sie eben daherspaziert, erzählen mir etwas von ihrer Vergangenheit und den Problemen, die sie aktuell quälen und daraus entwickelt sich dann Plot und Welt.
Dass ich erst Plot oder Setting habe und dann quasi ein Casting für die dafür notwendigen Charas machas muss, ist für mich selten. Aber kommt neuerdings auch vor, von daher ist es doch gerade eine gute Übung, darüber zu reflektieren.
Aber ich fange erst mit den Leichten an:
Die fertigen Charaktere zum KennenlernenWoher kommen sie? Keine Ahnung. Einige meiner Charas haben sich aus fanfiction entwickelt, wo meine Ideen für eine existierende Figur diese so verändert haben, dass sie nicht mehr in-character waren. Teilweise noch nicht einmal mehr das selbe Geschlecht hatten ... Ich nehme an, dass mir das aber unterbewusst schon die Richtung gegeben hat, in welche Richtung ich diese Charaktere haben will.
Einige Male habe ich auch etwas geschaut oder gelesen - und dann eine Situation festgestellt oder mich über etwas Dummes (in meinen Augen) so aufgeregt, dass ich dann gleich meine eigene Geschichte dazu entwickelt habe - auch hier waren die Stereotypen der Charaktere dann schon fast gegeben, weil ich die ja brauchte, damit der neue Plot damit funktioniert. Was aber schlussendlich auch eine Gefahr ist, denn aus dem Stereotyp herauszukommen und den Charakter zu einer eigenständigen, lebendigen Figur zu machen ist meiner Erfahrung nach in dem Fall doppelt so schwierig.
Einen lebenden Menschen als Vorlage für einen Charakter verwendet habe ich erst einmal - und obwohl die Figur nur eine kleine Rolle hat und sich ziemlich vom Vorbild unterscheidet, ich bin da sehr unsicher, denn ich habe unheimlich Mühe, die Figur vom Menschen zu trennen.
Und schliesslich gibt es einige, die kommen wirklich mit einem Plop aus dem Nichts et voilà, ich habe dann gefälligst zu schauen, dass ich denen eine angemessene Geschichte verpasse.
StereotypenEin Wort noch zu Stereotypen. Wie vermeide ich den Stereotyp?
Da frage ich mich zuerst einmal, was genau eigentlich noch Stereotyp ist und was nicht. Im Grunde genommen ist schlussendlich jeder Charakter ein Stereotyp: Held, Antiheld, 'Böse' ... In irgendeine Kategorie kann man sie schlussendlich immer schieben.
Ich denke, am wichtigsten ist einfach, dass die Figur echt wirkt. Und für mich wird eine Figur echt, je mehr ich darüber weiss. Hintergrund, Beweggründe, Lebenseinstellung/Glaube, Verhalten, Sprache, Gedanken, Wünsche - einfach alles, was mir mehr über den Charakter der Figur verrät.
Wie lerne ich sie kennen?Durch Interaktion. In der Regel, wenn mir so ein Charakter zuläuft, fange ich an, ihn diverse Szenen/Situationen durchlaufen zu lassen. Hier sollte ich mal vorausschicken, dass ich auch kaum je nur einen Charakter neu hinzubekomme. Die kommen bei mir in der Regel im Paar an - und nein, nicht die Hauptfigur und der Antagonist, sondern das weibliche, bzw. männliche Pendent zum Hauptcharakter. Schlicht weil für mich eine Geschichte ohne Knisterpotential nicht interessant ist. Wo nur Männer zentrale Rollen tragen ist für mich genau so uninteressant wie wenn es nur Frauen sind. ISSO. Wenn der Antagonist schon mitkommt, dann meistens als Dritter im Bunde. Und so ist es leicht, die Charas untereinander agieren zu lassen.
Notabene läuft das alles noch immer im Kopf ab. Zu Papier bringe ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Dafür weiss ich noch zu wenig. Was für Situationen das sind hängt starkt von ihrer Geschichte ab. Wenn ich es sehr grob verallgemeinere ist da sicher immer eine Gefahr-Szene (klar, was sonst? Muss die Figuren doch gleich etwas quälen und foltern
), eine reflektive Szene des Charakter und mehrere mit Dialog dabei. Denn wie einige schon gesagt haben, zu 'hören', wie sie sprechen und was sie so zu sagen haben, aber auch, wie sie andere ansprechen, ist für mich ein zentraler Indikator für den Charakter der Figur.
Im Übrigen brauche ich da auch Miniszenen aus verschiedenen Zeitebenen, v.a. aus Anfang und Ende (hmm - vielleicht habe ich daher immer so Probleme mit der Mitte, weil ich schon hier kaum Mitte-Szenen habe ...
). Nur so kriege ich ein vertiefteres Gefühl für den Charakter. Und kann Vergleiche ziehen zwischen Anfang der Geschichte und dem Ende (und darüber hinaus), damit ich sehen kann, wo sich die Figur entwickeln muss - und in welche Richtung.
Ich nenn das ja gerne fanfiction, zumindest später, wenn es dann ein definitives Projekt geworden ist. Meist Zeugs, das ich nie in der Geschichte verwende oder viel zu überspitzt ist, als dass ich sie später brauchen kann - eben klassische fanfiction. Halt nur zu meiner eigenen Geschichte, die nur ich kenne. Aber ich mag dieses Überspitzen - so kann ich mich im Kopf austoben und habe keine Grenzen whatsoever und kann mich dafür dann, kommt es bis zum Niederschreiben, dort auf dem Boden der 'Realität' bewegen.
Nenn' ich dich, so kenn' ich dich.
Andreas Hofer
NamenOder auch diese Redewendung passt:
Names make newsOhne Namen läuft bei mir nichts. Ein paar wenige Figuren stellen sich mir gleich mit Namen vor - die meisten zieren sich leider etwas. Spätestens ab da, wo ich die Figuren in meinem Kopf interagieren lasse, brauche ich aber langsam einen Namen - allerspätestens, wenn die ersten Dialoge kommen. Früher oder später müssen sich die ja irgendwie ansprechen. Und so geht die Suche los. Manchmal, wie gesagt, kein Problem. Der Name, der sich 'richtig' anfühlt, kommt zum Glück relativ schnell. Bei manchen suche ich noch immer ... Aber wenn es dann endlich Klicl macht - Wow, was für ein Klick ist das dann! So ähnlich wie in Spielen, wo du endlich all deine Teile/Artefakte zusammen hast und der ultimative Schlüssel fügt sich in einem Feuerwerk und unter Fanfaren zusammen ...
Tja, aber so ein Effekt hat da bei mir in etwa. Der Name ist für mich der Identifikator, aber viel wichtiger noch, der Schlüssel, um nun wirklich in die Tiefe des Innenlebens der Figur eintauchen zu können.
Vielleicht erklärt sich deshalb auch, weshalb bei mir spätere Namenswechsel nicht in Frage kommen. Der Name ist so mit der Figur verwachsen, da ändert sich der ganze Charakter, wenn der Name wechselt.
Es ist, wie ich gerade merke, auch bezeichnend dass meine Projekts-Arbeitstitel meist einfach den Namen der Hauptprotas entsprechen. Denn es ist eigentlich nie die Geschichte über das Problem oder den Konflikt - sondern die Geschichte von X und/oder Y.
Und mit dem Namen kommt dann bei mir auch die Zeit, wo ich zum ersten Mal etwas zu Papier bringe und erste Notizen zum neuen Projekt mache - selbstredend unter dem Namen des Protas.
Fragen, fragen, fragen ...Jetzt geht die Knochenarbeit los. Die Charas kenne ich zwar mittlerweile ganz gut, gut genug, um zu wissen, wo ich nachbohren muss - aber das muss halt geschehen. Und durch die verschiedenen Situationen habe ich schon gute Ideen für die Konflikte und den zentralen Plot gekriegt. Aber das muss nun alles ausgearbeitet werden, die Welt in ihren Grobzügen und Details erschaffen werden und dann die Nierenprüfung, ob das alles im Gesamten 'verhet'. Über Plot und Weltenbau sprechen wir wohl noch separat, ich bleibe hier jetzt allein bei der Figur, bzw. den Figuren - aber es ist schon so, dass von hier an alles extrem eng miteinander verknüpft ist bei mir.
Spätestens jetzt kommt ein ganzes Rudel an neuen Charakteren zusammen, die auch kennen gelernt und befragt werden müssen. Was meine Hauptfiguren angeht, nun, da ist das Motto wie oben genannt klar: Fragen. Fragen zu Hintergrund, Fragen zu Motivation, Fragen zu Verhalten, Fragen zu Wünschen und Träumen und Ängsten. Was hassen sie, was lieben sie? Wen hassen und lieben sie? Wie nehmen sie sich selbst wahr, wie nehmen die anderen Charas sie wahr? Und, und, und ... Da gibt es sicher Standardfragen, wie wir sie selbst auch oft genug hören bei diversen Anlässen, aber doch auch sehr spezifische, die sich nur aus Plot und Setting ergeben.
Und das geht so weiter, bis ich das Gefühl habe, so, jetzt reichts. Mehr finde ich nicht heraus, solange ich nicht schreibe und sehe, wie sich der Plot - und der Charakter im Plot - so entwickelt.
SchreibenTrotz aller Vorarbeit - mir ist noch nie passiert, dass ich die ersten paar Seiten geschrieben habe - und keine neuen Fragen aufgetaucht sind. Und wenn es nur so banale sind wie wie die Figur denn eigentlich aussieht. Was ich völlig wurscht finde, ausser das Aussehen hat einen direkten Einfluss auf die Charakterisierung und den Plot. Und spätestens ab da brauche ich dann ein Charaktersheet, denn ich kann mir doch nicht merken, wie gross sie nun sind und welche Haar- und Augenfarbe eine Figur hat ...
Erfahrungsgemäss, je mehr ich schreibe, desto mehr weitere Fragen tauchen auf. Aber immerhin, nachdem dann auch die ersten spontanen Fragen durch und beantwortet sind und ich ein Gefühl für die Sprache der Geschichte bekommen habe, kann es dann endlich in einen relativ ständigen Schreibfluss übergehen - bis die nächste Frage einen Damm aufwirft.
ÜberarbeitenUnd steht die Geschichte mal, geht es weiter mit der Feinarbeit. Ist die Figur kongruent? Reagiert sie überall so, wie sie reagieren muss, bzw. wie es für diese Figur logisch ist, zu reagieren. Stimmt die Stimme? Wenn eine Szene hapert, woran liegt es (meist an der Figur ...). Und noch mehr Fragen gehen zwischen mir und der Figur hin und her.
So, und jetzt noch zu der mir viel unbekannteren Variante:
Die Charaktere zum BesetzenWie gesagt, diese Methode kenne ich weniger, sammle da eigentlich erst noch die Erfahrungswerte. Vieles deckt sich sicher mit dem Obigen, eigentlich ist nur die Frage, woher sie kommen eine andere. Was danach kommt, ist eigentlich gleich, setzt aber halt nur viel später ein.
Wie entstehen sie?Gut. Ich habe also ein cooles Setting. Oder einen interessanten Konflikt. Dummerweise ist das aber das einzige, noch keine Ahnung, wie das umgesetzt werden kann.
Zuerst entwickle ich die Idee weiter. Denke, das schauen wir dann auch an anderer Stelle an, aber im Groben: Aus meinem Setting wird eine ganze Welt. Und da keine Welt perfekt ist (sonst wäre sie ja langweilig), werden sich daraus schnell erste Konfliktherde ergeben. Oder aus meinem Konflikt wird ein Plot - der in Folge wahrscheinlich auch schon ein gutes Bild des dafür benötigten Settings ergibt. Sobald ich genug davon zusammen habe, sehe ich schnell, was ich für Grundtypen brauche - oder halt auch Stereotypen. Und so stelle ich quasi eine Besetzungsliste auf, für die ich dann vage Ideen von Figuren zur Bewerbung antreten lasse. Sobald es Klick macht und ich die Hauptrollen habe, ergibt sich dann schnell auch das Umfeld dieser Person. Und wie gesagt, der Rest des Prozesses ist dann in etwa gleich.
Meine Erfahrung bislang ist, dass es für mich auf diese Weise viel länger und schwerer geht, die Figur zu fassen und zu verstehen. Ich fühle mich bei den Figuren auch sehr viel weniger sattelfest, als wenn es von der Figur ausgeht. Schlussendlich ist gerade da meine Angst vor der Stereotypenfalle auch viel grösser, da ich sie so schwer zu fassen bekomme und sie quasi ihren Beginn so bekommen habe: Ach ja, hier brauche ich einen Politiker, da eine Rebellin und dort bitte noch einen Pazifisten und das abzuschütteln finde ich viel schwerer, als wenn die Figur da ist und ich schaue, welche Rolle sich für sie ergibt.
Aber was ich auch feststellen muss, ist, dass dafür die Welten und der daraus kommende Plot meist sehr viel komplexer ist, als ob die Komplexität der Figuren aus der ersten Variante sich da quasi wie verlagert und dadurch Setting oder Konflikt fast zentraler werden als die Figuren, die sie tragen. Allerdings, ich steck da ja eh noch in der Plot oder Anfang Rohversion-Phase, daher ergibt sich das vielleicht ja noch.
Wenn ich aber wählen kann, dann bitte der Charakter zuerst!
Danke für den Anstoss, Trippel. Hat gut getan, meine Figurenentwicklung mal ganzheitlich auseinanderzunehmen und zu reflektieren.