Die Hauptfiguren für mein momentanes Projekt habe ich nicht bewusst erschaffen, sie waren einfach da - zumindest in Grundzügen. Ich hatte ein paar Szenen im Kopf, wie sie miteinander umgehen, was sie sagen, wie sie reagieren und hab davon dann einen generellen Eindruck bekommen, wie sie sind.
Ich wollte zunächst auch gerne Dialoge schreiben, habe dann aber recht schnell gemerkt, dass mir mein männlicher Hauptcharakter in der Hinsicht ziemliche Probleme bereitet. Da er vom Anfang zum Ende der Geschichte eine starke Entwicklung durchläuft, konnte ich Anfangsszenen nicht mehr schreiben, wenn ich zu viel über spätere Szenen nachgedacht habe. Er hat dann in den frühen Szenen bereits wie sein reiferes Ich reagiert und ich habe angefangen, mir ein Charakterblatt für ihn anzulegen, um mir bewusst zu machen, warum er sich in welchen Situationen wie verhält. Die fünf Punkte, mit denen ich dabei anfange, sind Fernziel, Nahziel, Träume, Innerer Konflikt und Motivation.
Das Fernziel ist für mich etwas sehr Allgemeines wie "Freiheit", auf das der Charakter hinarbeiten, es aber nicht sofort erreichen kann. Es ist das große Ziel, das er in seinem Leben erreichen möchte.
Das Nahziel ist etwas, das ihn einen Schritt näher an sein Fernziel bringt und das er auch gleich konkret angehen kann. In meinem Fall ist das die Erfüllung eines Auftrags.
Träume sind das, was der Charakter eigentlich will und denen er sich nicht unbedingt bewusst ist. Im besten Fall stehen sie mit dem Erreichen des Fern- oder Nahziels in Konflikt, sodass er sich im Laufe der Geschichte zwischen einem von den beiden entscheiden muss.
Diese Hin- und Hergerissenheit konkretisiere ich dann bei dem Punkt "Innnerer Konflikt".
Die Motivation ist für mich das, was meinen Charakter antreibt, sein Nahziel umzusetzen.
Wichtig dabei ist, dass diese Ziele nur am Anfang der Geschichte gelten, wo der Charakter zum ersten Mal auftritt. Im Laufe der Geschichte können sich die Ziele verändern oder aktualisieren (z.B. wenn das erste Nahziel erreicht ist).
Ein ebenfalls interessanter Punkt wäre noch "Geheimnis", wo ich mir überlege, was der Charakter auf keinen Fall preis geben möchte. Denn auch das wird beeinflussen, wie sich die Figur in bestimmten Situationen verhält und da sie das Geheimnis waren möchte, birgt das auch gleich viel Konfliktpotential (was für eine Geschichte ja nie schlecht ist).
Auf eine komplette Biographie habe ich bisher verzichtet und mir stattdessen nur die wichtigsten Ereignisse notiert, die den Charakter geprägt haben und daher sein jetziges Verhalten beeinflussen.
Ansonsten habe ich natürlich noch die bekannten Punkte wie Stärken, Schwächen und Verhalten, wobei ich gerade bei letzterem immer gleich noch versuche, die darin enthaltenen Charaktermerkmale zu begründen.
Meine weibliche Protagonistin habe ich im nächsten Schritt erschaffen und, da ich es für die Geschichte brauche, ihr Fähigkeiten gegeben, die die Schwächen des männlichen ausnutzen können, gleichzeitig aber geschaut, dass die beiden in etwa gleich stark sind.
Antagonisten und Nebencharaktere entstehen auf die selbe Weise, sodass alles, was ich bisher über den Plot weiß, auf den Zielen und Motivationen der einzelnen Figuren beruht. Das wird sehr schnell sehr komplex, aber ich glaube, genau das verleiht den Charakteren dann auch die gewünschte Tiefe und macht sie nicht nur zu Statisten.
Liebe Grüße,
Wynn