Kapitel 10: VorbereitungenIn diesem Kapitel entscheidet Knecht, dass er Kastalien verlassen will. Er trifft Vorbereitungen und spannt dafür seine Freunde ein. Designori um seinen Einstieg in die andere Welt zu finden und Tegularius um seinen Abschied aus Kastalien mit einem Begründungssschreiben zu nehmen, für das dieser recherchiert. Dieses Kapitel beschreibt vor allem einen Bewusstwerdungsprozess:
Mehr und mehr auch wurde ihm in der Zeit dieses langsamen Sichlösens und Abschiednehmens klar, daß der eigentliche Grund seines Fremdwerdens und Fortwollens wohl nichtd as Wissen um die für Kastalien bestehenden Gefahren und Sorge umd essen Zukufnt sei, sondern daß es einfach ein leer und unbeschäftigt gebliebenes Stück seiner selbst, seines Herzens, seiner Seele sei, das nun sein Recht begehrte und sich erfüllen wollte.
Knecht bemerkt also einen Mangel und er benennt diesen, wenn auch nicht so offen, wie man sich wünschen würde, denn er begründet sein Rundschreiben/Abschiedsbrief mit der Zukunftssorge und nicht mit persönlicher Unzufriedenheit. Man kann nun spekulieren, was ihm fehlt. Mein Gefühl ist: ihm fehlt persönliche Beziehung jenseits kastalischer Förmlichkeit. Und ihm fehlt Sinn.
Kapitel 11: Das RundschreibenDieses Kapitel besteht zu einem großen Teil aus Knechts Schreiben an die Behörde. Das Schreiben macht noch einmal deutlich, wie wenig Individualität der kastalische Stil zulässt. Es enthält auch ein Hochlied auf die "reine Wissenschaft", ein Ideal, das ich für absurd halte, weil jeder Wissenschaftler einen eigenen Standpunkt hat, der seine Erkenntnisse beeinflusst. Dann folgt die Antwort des Ordens, der, so verstehe ich es, Knechts Gedankengängen nicht folgt und ihm sagt, er solle sich mal weiter einordnen. Knecht wird also noch einmal darauf verwiesen, dass ihm eine eigene Entscheidung nicht zusteht. Was die Spannung steigert, weil es für ihn natürlich keine Option ist.
Kapitel 12: Die LegendeIn diesem Kapitel wird noch einmal eindeutig gesagt, dass es beim Erwachen darum geht, Person zu werden. Es geht also, so verstehe ich es, um Individuation, also um das, was in Kastalien gerade nicht erlaubt ist. So lange Kastalien Knecht Entwicklungsraum ließ, konnte er sich einordnen. Nun stößt er an Grenzen und muss gehen. Er hat die Entdeckung gemacht "nicht nur Kastalier, sondern auch Mensch zu sein" und dass die Welt "Anspruch auf mein Mitleben in ihr habe". Ich verstehe dies so, dass Knecht eine Verantwortung spürt, sein Potenzial auch über die Beschränkungen Kastaliens hinaus leben und nutzen zu müssen. Er geht also aus einem Verpflichtungsgefühl sich selbst und der Welt gegenüber in die nichtkastalische Welt.
Die Aufgabe, die er sich dort gesucht hat, ist eigentlich eine therapeutische: Er will Designoris Sohn retten, ihn erreichen und heilen. Doch der Junge wartet nicht im Elternhaus auf ihn, sondern fährt in das Landhaus voraus, in dem Knecht ihn treffen soll. Knecht lässt sich darauf ein - und die einzige Idee, die er dann hat, um dem Jungen zu begegnen ist, sich mit ihm zu messen und ihm in einem Wettschwimmen in den kalten Bergsee hinterherzuspringen. Eine dumme Idee, wie jeder weiß, der schon mal nur einen Finger in einen Bergsee gesteckt hat. *bibber* Knecht überlebt das nicht: In völler Ahnungslosgigkeit der eigenen Grenzen (die er aufgrund kastalischer Beengtheit nie hat spüren dürfen) und des eigenen körperlichen Zustands (ihm ist nicht gut, weil er schon gesundheitlich angeschlagen ist, was er ignorieren muss) springt er ins kalte Wasser und erleidet einen Herzstillstand.
Ich habe über dieses Ende recht lange nachgedacht. Es ist sehr enttäuschend, stößt mich als Leserin vor dem Kopf und lässt mich hängen. Das ganze Buch arbeitet auf einen Puntk zu und der "plupp" ist dann ein Nichts. Warum lässt Hesse seinen Helden scheitern? Warum gesteht er ihm keine Entwicklung zu? Warum ist an dieser Stelle der Schüler dem Lehrer überlegen? So genau weiß ich es nicht. Vielleicht ist es Hesses Idee, die Lebensunfähigkeit seines Protagonisten zu zeigen, der in der realen Welt keine Woche bestehen kann. Für mich zeigt es auch, dass man letztlich immer auf sich selbst aufpassen muss - und dass man gefährlich lebt, wenn man das nicht kann.