25 November 2024, 08:17:11

Autor Thema: Szene: Nachricht vom Tod des Sohnes  (Gelesen 6877 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Natascha

  • Federgewicht
  • **
  • Beiträge: 80
  • Geschlecht: Weiblich
  • Warum schreiben wir?
Re: Szene: Nachricht vom Tod des Sohnes
« Antwort #15 am: 07 October 2022, 20:30:18 »
Liebe LaHallia,

da gibt es ja noch ganz viel Hintergrund zu berücksichtigen! Ich fürchte, da ist es für mich schwierig, dem Text gerecht zu werden.

Zitat
Hat es sich gelohnt, das Opfer zu bringen, wenn er durch das Ungeheuer stirbt, das sie beschworen hat, um sein Leben zu retten?
Zitat
Sie fürchtet, dass die Götter Maussollos' Leben auf Umwegen zurück wollen (indem das Ungeheuer ihn tötet).

Also ist es sogar so, dass Artemisia die Echse rief, um Maussollos zu retten, die Götter aber dafür gesorgt haben, dass das Monster das Gegenteil anstrebt, um Artemisia zu strafen und das Leben Maussollos zu bekommen. Das vergrößert natürlich Artemisias Konflikt, wenn sie das Tier selbst gerufen hat. Es bedeutet aber auch, dass die Götter tatsächlich ziemlich miese Gestalten sind, denn sie nehmen das Opfer an, strafen Artemisia dafür und holen sich obendrein noch Maussollos Leben. Maussollos hingegen scheint das Ganze so zu sehen, dass die Götter Artemisia geschickt haben, um ihn zu retten, was, falls Maussollos und Artemisia beide recht hätten, völlig inkonsistente oder uneinige Götter bedeuten würde, und falls nur Maussollos richtig läge, Artemisia entlasten müsste. Welch ein Wirrwarr. Kein Wunder, dass sich der Polytheismus nicht gehalten hat.  ;)


Zitat
Die Furcht bezieht sich hauptsächlich auf Artemisias Stellung und ihre Zukunft und erst in zweiter Linie um Maussollos als Mensch.

Das bedeutet, dass Artemisias weitere Entwicklung ihrer Trauer und Angst vor allem davon abhängt, wie sie ihre Gegenwart in Bezug auf ihre aktuelle und spätere Stellung gestaltet bekommt. Vielleicht gibt es hier schon die ersten Ansätze für ihre spätere Herrschaft. Da Du sie ja zunächst als eher ängstlich und gehemmt darstellen willst, sie aber später zur Herrscherin wird, gibt es ja viel Entwicklungspotential.


Zitat
Stiere geben scheußliche Geräusche von sich, leidende Tiere machen grundsätzlich angsteinflößende Geräusche. Zumindest empfinde ich es so. Und Artemisia auch. Es sind schmerzvolle, leidvolle Laute. Also Ärger hatte ich hier absolut nicht im Sinn!

Vielleicht passt dann grollen im Sinne von dröhnen doch. Ich habe diese Geräusche von Stieren noch nie gehört und kann deshalb an der Stelle nicht mitreden.


Zitat
Maussollos ist grundsätzlich ein sehr offener Mensch, er redet frei heraus, er hält sich für ziemlich toll und wichtig - wurde ihm auch so beigebracht - und er greift seine Freunde, Bekannten, Soldaten, ... oft an. Er ist offen und herzlich und manchmal etwas jähzornig.
Zitat
Für mich sind die von dir aufgezählten Handlungen von Maussollos aber auch nicht ärgerlich. Er ist traurig und verzweifelt und möchte, dass der Mensch, der ihm diese erschütternden Nachrichten kurz vor einer Schlacht mitgeteilt hat, weggeht. Er wird diesen Mann in nächster Zeit sehr viel sehen, sie kämpfen zusammen. Von Artemisia wird er in ein paar Stunden weggehen müssen.

So etwas habe ich geahnt. Das Abwehrende und tendenziell (wenn auch nicht zwingend) auf Ärger deutende der ersten Handlung kommt durch das Stoßen, denn es ist eine grobe Geste. Immerhin werden viele Lesende annehmen, dass Pisindelis seine Hand auf Maussollos Schulter gelegt hat, um seine Unterstützung auszudrücken. Hieße es da stattdessen „schob die Hand“, hätte man schon eine andere Wirkung. Stünde Maussollos einfach auf und die Hand würde aufgrund dessen von seiner Schulter gleiten, wäre die Wirkung noch anders. Das von Dir gedachte Bedürfnis hinter dieser Geste (allein sein mit Artemisia) oder gar nur der damit verbundene und erst später verbal kommunizierte Appell, Pisindelis möge gehen, liegen an dieser Stelle des Textes für mich nicht auf der Hand. Maussollos wirkt hier auf mich nicht offen, weil die Botschaft nicht eindeutig ist. Die Geste wirkt eher impulsiv. Auch das spätere „Geh“ wirkt auf mich schroff und nicht offen (erklärend). Offen ist er hier nur insofern, dass er seine Regungen für jeden sichtbar auslebt. Herzlich, jähzornig, oft angreifend (und sozial nicht so geschmeidig?): All das wirkt in Kombination eher impulsiv auf mich. Es ist eine mehr aggressive Art sein Anliegen umzusetzen, deshalb auch der Eindruck von Ärger, der ja vor allem bei impulsiven Menschen eine häufige Sekundäremotion zur Frustration und Trauer ist, die Du hinter diesem Verhalten primär siehst, vielleicht weil Du ihn bereits als impulsiven Menschen konzipiert hast.

Stimmt es eigentlich, dass Artemisia sowohl Gattin als auch Schwester von Maussollos war? Das würde eine naturwissenschaftliche Erklärung für die vielen toten Kinder eröffnen.

Natascha
Der edelste Gebieter des Textröstens ist der Respekt gegenüber denen, die lesen, denn sie investieren Lebenszeit und Geld. Beides ist knapp.

LaHallia

  • Modteufel-Team
  • Federteufel
  • *****
  • Beiträge: 1497
  • Geschlecht: Weiblich
Re: Szene: Nachricht vom Tod des Sohnes
« Antwort #16 am: 07 October 2022, 21:08:26 »
Hallo Natascha,

Zitat
Also ist es sogar so, dass Artemisia die Echse rief, um Maussollos zu retten, die Götter aber dafür gesorgt haben, dass das Monster das Gegenteil anstrebt, um Artemisia zu strafen und das Leben Maussollos zu bekommen.
Indirekt ja. Sie weiß, dass die Götter die Echse geschickt haben, weil sie in dem Moment aus dem Felsen über dem Tempel gekrochen ist, als Artemisia das Leben des Kindes im Tausch für Maussollos´ angeboten hat. Das hat auch ein Priester gesehen, was zu einem großen Konflikt - und noch mehr Angst - in Band zwei führt. Die beiden schaffen es aber, dem Priester einzureden, es wäre seine Schuld, er hat alles in einer Vision gesehen und nichts dagegen unternommen.

Zitat
Es bedeutet aber auch, dass die Götter tatsächlich ziemlich miese Gestalten sind, denn sie nehmen das Opfer an, strafen Artemisia dafür und holen sich obendrein noch Maussollos Leben.
Maussollos stirbt mit 64 Jahren eines natürlichen Todes. Weder die Echse, noch die Götter haben es dezidiert auf ihn abgesehen, das ist nur Artemisias Angst. Und man muss natürlich bedenken, dass Maussollos bei allen Kampfhandlungen einfach immer dabei sein wird. Da führt kein Weg drum herum.

Zitat
Maussollos hingegen scheint das Ganze so zu sehen, dass die Götter Artemisia geschickt haben, um ihn zu retten, was, falls Maussollos und Artemisia beide recht hätten, völlig inkonsistente oder uneinige Götter bedeuten würde, und falls nur Maussollos richtig läge, Artemisia entlasten müsste.
Genau. Maussollos redet sich ja die längste Zeit ein, Zeus hätte die Echse als Unterstützung gegen die Spartaner und später die Makedonier geschickt. Und ja, Maussollos sieh trotz der Echse die Sache so, dass ihn Artemisia gerettet hat und sein Leben ist ihm recht viel wert. Immerhin ist er der zukünftige König. Dass Artemisia ihm das Leben gerettet hat veranlasst ihn wiederum dazu, sie in politische Angelegenheiten miteinzubeziehen. Es gibt einige Statuen von den beiden in anderen Provinzen des damaligen Reichs, und auch Inschriften, auf denen Artemisias "Unterschrift" neben der von Maussollos´ ist, was bedeutet, dass Artemisia eine gewisse Stellung an Maussollos´ Seite hatte. Dafür gibt es historisch null Gründe. Ihre Mutter war völlig bedeutungslos. Irgendetwas musste diesen Sprung also getriggert haben. Weil es historisch dazu nichts gibt, habe ich hier eben wieder auf die Fantasyebene zurückgegriffen.

Zitat
Das bedeutet, dass Artemisias weitere Entwicklung ihrer Trauer und Angst vor allem davon abhängt, wie sie ihre Gegenwart in Bezug auf ihre aktuelle und spätere Stellung gestaltet bekommt. Vielleicht gibt es hier schon die ersten Ansätze für ihre spätere Herrschaft. Da Du sie ja zunächst als eher ängstlich und gehemmt darstellen willst, sie aber später zur Herrscherin wird, gibt es ja viel Entwicklungspotential.
Da habe ich zum Glück noch viel Zeit. Artemisia ist zum Zeitpunkt dieser Szene 19 Jahre alt und sie wird erst nach Maussollos´ Tod, da ist sie selbst schon in ihren Fünfzigern, herrschen. Dazwischen liegt natürlich noch viel Entwicklung ihrerseits.

Zitat
Vielleicht passt dann grollen im Sinne von dröhnen doch. Ich habe diese Geräusche von Stieren noch nie gehört und kann deshalb an der Stelle nicht mitreden.
Ich wohne gegenüber einem EU- Biobauernhof und vor Stier Ferdi habe ich den allerhöchsten Respekt. Er sieht gruselig aus (pechschwarzer Hals, whsl knapp eine Tonne schwer) und ganz scheußlich, was der für Geräusche macht. Ich bin mir relativ sicher, dass der mickrige Elektrozaun den nicht aufhält, wenn er mich tottrampeln will  :deveek:

Zitat
Stimmt es eigentlich, dass Artemisia sowohl Gattin als auch Schwester von Maussollos war? Das würde eine naturwissenschaftliche Erklärung für die vielen toten Kinder eröffnen.
Ja, das ist korrekt. Artemisia und Maussollos und später Idrieus und Ada sind Vollgeschwister. Ihre Eltern hatten zumindest denselben Vater (haben dänische Archäologen vor ein paar Jahren durch Inschriften belegen können) und vermutlich waren auch ihre Großeltern nahe verwandt. Das kann man nicht beweisen, würde aber durch die innenpolitischen Fortschritte, die der Großvater gemacht hat, Sinn ergeben.
Ich habe mit einigen Wissenschaftlern Theorien besprochen. Wie ich es gewendet und gedreht habe, es macht historisch einfach überhaupt keinen Sinn, dass ich die beiden, wie ursprünglich geplant, in eine politische/sexlose Ehe stecke. Kann so nicht gewesen sein. Also stand ich eigentlich nur zwischen der Entscheidung dass einer von ihnen unfruchtbar ist, oder eben alle Kinder sterben. Unfruchtbar hätte mich meinen Plot gekostet, daher wurde es letzteres.
Dabei, wie ich so eine Beziehung historisch korrekt, aber für den modernen Leser erträglich gestalten kann, haben mir die lieben Forenmitglieder hier enorm geholfen. Das war schon fast ein Gemeinschaftsprojekt  :cheer:

 :daaanke:
Sie müssen erzählerische Risiken eingehen. Vor allem aber: niemals versuchen, den anderen zu gefallen. Sie müssen so hoch zielen, dass Sie ganz tief fallen können. Dann vielleicht haben Sie Erfolg. (Frank Schätzing)

Natascha

  • Federgewicht
  • **
  • Beiträge: 80
  • Geschlecht: Weiblich
  • Warum schreiben wir?
Re: Szene: Nachricht vom Tod des Sohnes
« Antwort #17 am: 08 October 2022, 08:30:36 »
Liebe LaHallia,

ich staune über die Komplexität der Hintergründe und die Tiefe Deiner Recherchen. Es wird immer interessanter. Ich finde es auch super, dass Du im Forum so gut unterstützt worden bist. Es liest sich, als wärst Du aus dem Abgrund einer Zeitreise in die Antike aufgetaucht und ins Forum getreten, um Bericht zu erstatten, in fremden Zungen sprechend, imprägniert vom damaligen Zeitgeist, und die Mitglieder hätten Dir geholfen in unserer Welt anzukommen, um Deine Erfahrungen und Einsichten verständlich mitteilen zu können.

Zitat
Ich finde nicht, dass das ein Perspektivwechsel ist. Wenn man jemanden gut kennt, weiß man oft einfach, was der gerade fühlt.

Da stimme ich Dir zu. Ich meinte das anders. Die Perspektive im Abschnitt bleibt ja personal und wechselt nicht in eine ganz andere. Ein Wechsel träte dann ein, wenn etwas formuliert würde, das nicht mehr aus Artemisias Sicht stammen kann. In dem einen Satz („Er fuhr fort sein Schwert zu putzen, doch in seiner Stimme klang Sorge“) wird etwas gesagt, das durchaus noch aus Artemisias Sicht stammen kann, nur wird es so formuliert, dass es auch von der erzählenden Instanz selbst kommen könnte. Das ist noch kein Perspektivwechsel, aber eine Veränderung hin zu weniger Eindeutigkeit im personalen Fokus, was nicht unbedingt erwünscht ist.

Wie gesagt sind mir noch einige stilistische Details aufgefallen. Es gibt außerdem ein paar Aspekte, die mir noch ungereimt auf der Ablaufebene vorkommen, die aber einfach mit dem Vortext erklärbar sein könnten, z.B. tauchen plötzlich eine fremde Frau und ein Mädchen quasi aus dem Nichts auf. Falls Du davon mehr erfahren möchtest, gib mir Bescheid.

Natascha
Der edelste Gebieter des Textröstens ist der Respekt gegenüber denen, die lesen, denn sie investieren Lebenszeit und Geld. Beides ist knapp.

LaHallia

  • Modteufel-Team
  • Federteufel
  • *****
  • Beiträge: 1497
  • Geschlecht: Weiblich
Re: Szene: Nachricht vom Tod des Sohnes
« Antwort #18 am: 08 October 2022, 11:50:12 »
Hallo Natascha,

danke, das bedeutet mir sehr viel. Ich habe alles getan, um den historischen Teil zu verstehen, Sinn aus dem Wenigen zu machen, das man über die Hekatomniden weiß und auch das Drumherum (Politik, soziales Leben) zu verinnerlichen. Gerade mit dem sozialen Leben habe ich mir recht schwer getan. Das habe ich hier sehr intensiv diskutiert.

Zitat
In dem einen Satz („Er fuhr fort sein Schwert zu putzen, doch in seiner Stimme klang Sorge“) wird etwas gesagt, das durchaus noch aus Artemisias Sicht stammen kann, nur wird es so formuliert, dass es auch von der erzählenden Instanz selbst kommen könnte. Das ist noch kein Perspektivwechsel, aber eine Veränderung hin zu weniger Eindeutigkeit im personalen Fokus, was nicht unbedingt erwünscht ist.
Ah, ja, ich verstehe was du meinst.

Zitat
Wie gesagt sind mir noch einige stilistische Details aufgefallen. Es gibt außerdem ein paar Aspekte, die mir noch ungereimt auf der Ablaufebene vorkommen, die aber einfach mit dem Vortext erklärbar sein könnten, z.B. tauchen plötzlich eine fremde Frau und ein Mädchen quasi aus dem Nichts auf. Falls Du davon mehr erfahren möchtest, gib mir Bescheid.
Stil ist bei mir immer als letztes dran. Mir sind die Wiederholungen bewusst, auch dass ich Satzanfänge meistens mit dem Subjekt beginne. Das versuche ich im letzten Überarbeitungsschritt (sehr mühsam) aufzulösen.  :biggrin:
Du kannst aber gerne alles schreiben, was dir dazu einfällt.
Die fremde Frau war übrigens mein Versuch einer Depersonalisation. Ist wohl nicht gelungen.  :biggrin:

Liebe Grüße
Sie müssen erzählerische Risiken eingehen. Vor allem aber: niemals versuchen, den anderen zu gefallen. Sie müssen so hoch zielen, dass Sie ganz tief fallen können. Dann vielleicht haben Sie Erfolg. (Frank Schätzing)

Natascha

  • Federgewicht
  • **
  • Beiträge: 80
  • Geschlecht: Weiblich
  • Warum schreiben wir?
Re: Szene: Nachricht vom Tod des Sohnes
« Antwort #19 am: 09 October 2022, 07:13:22 »
Liebe LaHallia,

Zitat
Die fremde Frau war übrigens mein Versuch einer Depersonalisation. Ist wohl nicht gelungen.  :biggrin:

Darauf bin ich nicht gekommen, weil ich annahm, Artemisia habe damals bei den Göttern um das Leben ihres Gatten im Tausch für das Leben ihres Kindes gebeten und es nicht einfach nehmen können. Du schreibst ja:

Zitat
Sie hatte ihnen vor Jahren das Leben eines Königs genommen.

Ich wusste nicht, dass die Götter keine andere Wahl hatten, als auf das Tauschangebot einzugehen.

Die Idee mit der Depersonalisation finde ich interessant. Sie ist nicht ganz leicht umzusetzen, wenn Du bei den Lesenden zu Beginn den gleichen desorientierenden Effekt erzielen willst wie für Artemisia und ihn dennoch bald auflösen willst, damit alle verstehen, was da passiert ist. Einfacher ist es natürlich, wenn Du es von vorneherein klar machst, aber interessanter ist es, wenn Du erst ganz in Artemisias Perspektive bleibst und die Lesenden die Erfahrung teilen können. Vielleicht so:

„Was ist geschehen?“ Die Stimme einer Fremden hallte durch den Raum. Die Frau erhob sich von ihrem Stuhl und trat mit unsicheren Schritten zu den Männern. Die Götter hassten sie und Artemisia erschrak, als sie merkte, dass sie es selbst war.


Zitat
Stil ist bei mir immer als letztes dran.

Das ist auch gut so. Bei mir läuft es ähnlich ab, nur wenn ich mal nicht weiterkomme und manche Abschnitte inhaltlich vollendet sind, fange ich an, daran herum zu feilen. Ist für mich oft ein bisschen wie Gleichungen kürzen, bis die schlankeste Form erreicht ist. Oder für andere vielleicht Stricken. Kann ich mich lange mit beschäftigen :).

Zitat
„Das wirst du.“ Artemisia wandte ihren Blick zur Türe, als es klopfte.

Falls Du es so meinst, dass es erst klopfte und Artemisia dann den Blick zur Tür wandte, würde ich das Klopfen zuerst erwähnen, zumal „als“ meist Gleichzeitigkeit ausdrückt und dann fehlleiten könnte.

Zitat
Pisindelis trat in den Raum, die Augen gesenkt. Er knetete seine Hände und wich ihren Blicken aus.

Ausweichen lässt an eine Bewegung denken. Dafür müsste Pisindelis aber den Blick gehoben haben, um einem Blick ausweichen zu können. Ich würde eher sagen, er vermeidet, ihnen in die Augen zu sehen oder mit ihren Blicken konfrontiert zu werden.

Zitat
Pisindelis hob seinen Blick. Kurz betrachtete er Artemisia, bevor er sich an Maussollos wandte.

Wenn Du das Verb wenden mit der Präposition an gebrauchst, bedeutet es, eine Frage oder Bitte an jemanden zu richten. Du meinst aber, dass er sich hinwendet, also „bevor er sich Maussollos zuwandte“.

Zitat
Pisindelis hob seinen Blick. Kurz betrachtete er Artemisia, bevor er sich an Maussollos wandte.
Artemisias Herz schlug wild.
Diesen Blick in den Augen des alten Mannes, sie kannte ihn.
„Maussollos“, der alte Mann trat neben ihn, legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie.

Hier wendet sich Pisindelis seinem Freund zu, doch sogleich wird er unterbrochen durch Artemisias innere Prozesse, bevor es dann weitergeht. Vielleicht wäre es besser so:

Pisindelis hob seinen Blick. Artemisias Herz schlug wild.
Diesen Blick in den Augen des alten Mannes, sie kannte ihn.
Kurz betrachtete er Artemisia, bevor er sich Maussollos zuwandte.


Zitat
„Geh“, sagte Maussollos zu Pisindelis und als sie alleine waren, trafen sich ihre Blicke.

In diesem Satz ist von Maussollos und Pisindelis die Rede. Wenn im selben Satz dann von „sie“ gesprochen wird, wirkt es erst, als wären es Maussollos und Pisindelis, von denen die Rede ist, bis den Lesenden einfällt, dass es wohl so gemeint ist, dass Pisindelis den Raum verlassen hat. Also vielleicht eher so:

„Geh“, sagte Maussollos zu Pisindelis und als Maussollos und Artemisia alleine waren, trafen sich ihre Blicke.


Zitat
„Was gibt es, alter Freund?“, fragte Maussollos. Er fuhr fort sein Schwert zu putzen, doch in seiner Stimme klang Sorge.

Er fuhr fort mit dem Putzen, doch wird das Putzen hier gegenüber den Lesenden erstmals erwähnt. Vielleicht wird es im Text vor dem präsentierten Text erwähnt.

Zitat
Das kleine, graublaue Gesicht des Mädchens verschmolz mit dem pausbäckigen von Lukian
.

Wer ist das Mädchen und woher kommt es plötzlich? Artemisia kann ja nicht gemeint sein, denn sie ist da schon 19 Jahre alt, wenn ich Dich richtig verstanden habe. Bis zu dieser Stelle wird im Text kein Mädchen erwähnt.

Natascha
Der edelste Gebieter des Textröstens ist der Respekt gegenüber denen, die lesen, denn sie investieren Lebenszeit und Geld. Beides ist knapp.

merin

  • Oberfederteufel
  • Federteufel
  • *****
  • Beiträge: 8262
  • Wortsucher:in
    • www.jol-rosenberg.de
Re: Szene: Nachricht vom Tod des Sohnes
« Antwort #20 am: 09 October 2022, 11:15:53 »
Das mit dem Mädchen habe ich verstanden. Das ist das tote Baby aus einer Vorszene. Sie erinnert sich daran. Ich denke, wenn man die Vorszene kennt, erkennt man es.

Zitat
Ok, du hast wohl recht mit dem hin/und hergerissen sein. Das sind natürlich Gefühle. Ich finde, dass ich ihre Beziehung schon zeige. Alles was die beiden reden, wie sie zueinander sind, jede Interaktion, zeigt doch die Art der Beziehung? Ich wüsste ehrlich nicht, was ich hier ändern könnte, um nichts zu verschenken.

Tja, das ist echt tricky, denke ich. Ich kann nur sagen, was ich machen würde, keine Ahnung, ob es für dich passt: Ich würde die Szene nochmal mit Blick auf die Beziehungsebene durchgehen und schauen: Was ist der Beziehungssubtext? Passt der für mich? Oder möchte ich ihn verstärken?
Du kannst natürlich den Fokus auch mehr auf den Plot legen ...
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

LaHallia

  • Modteufel-Team
  • Federteufel
  • *****
  • Beiträge: 1497
  • Geschlecht: Weiblich
Re: Szene: Nachricht vom Tod des Sohnes
« Antwort #21 am: 24 October 2022, 19:34:45 »
Hallo ihr beiden,

verzeiht die späte Rückmeldung, ich war auf "Recherchereise" in Griechenland und der Türkei  :biggrin:


Zitat
„Was ist geschehen?“ Die Stimme einer Fremden hallte durch den Raum. Die Frau erhob sich von ihrem Stuhl und trat mit unsicheren Schritten zu den Männern. Die Götter hassten sie und Artemisia erschrak, als sie merkte, dass sie es selbst war.
Gefällt mir, damit kann ich was anfangen.

Zitat
Wer ist das Mädchen und woher kommt es plötzlich? Artemisia kann ja nicht gemeint sein, denn sie ist da schon 19 Jahre alt, wenn ich Dich richtig verstanden habe. Bis zu dieser Stelle wird im Text kein Mädchen erwähnt.
Wie merin geschrieben hat: das war ihr erstes Kind, das, das sie "geopfert" hat. Das weiß man aber an dieser Stelle bestimmt schon, wenn man den ersten Teil gelesen hat . Das Mädchen wird öfter Mal erwähnt.

Danke euch!
Sie müssen erzählerische Risiken eingehen. Vor allem aber: niemals versuchen, den anderen zu gefallen. Sie müssen so hoch zielen, dass Sie ganz tief fallen können. Dann vielleicht haben Sie Erfolg. (Frank Schätzing)