Lieber Frank,
mein Kommentar dazu ist: hmm.
Ich finde, es ist dir gelungen, die Szene lebendig einzufangen. Es entsteht eine Atmosphäre und die kleine Begegnung ist dadurch gut beschrieben.
Aber: (jaja merin immer mit den Abers): Ich finde den Text noch nicht rund. Der Einstieg ist irgendwie schwer, es gibt eine unklare Perspektive und die Formulierungen sind oft ziemlich abgelatscht.
Schauen wir mal genauer hin:
Erinnerung an eine böse Zeit
Ich finde "böse" ein schwieriges Wort. Es ist ungenau und sehr archaisch. Ich glaube, es ist auch nicht ganz treffend. Warum nicht einfach nur "Erinnerung". Das würde auf zwei Ebenen passen.
Ich sehe die Gestalt, als wäre sie mir erst gestern begegnet.
Das faltendurchzogene Gesicht unter einem geblümten Tuch halb versteckt.
Die Schultern gebeugt unter der Last schwerer Loden. Eine schmucklose lederne Tasche im Arm.
Der vorsichtige, suchende Gang. Der tastende Gehstock.
Rein von der Formatierung her ist das ein Gedicht. Aber du hast nicht verdichtet und die Sätze sind reine Prosa. Ich würde dazu raten, entweder klar bei der Prosa zu bleiben. Oder zu verdichten:
Ich sehe dich:
Das faltendurchzogene Gesicht, das geblümte Tuch,
die gebeugten Schultern unter schwerem Loden,
die schlichte Tasche am Arm,
Der vorsichtige, suchende Gang,
Der tastende Gehstock.
Da wird dann klar: Du brauchst nun auch Rhythmik. Und dann wird es ein ganz anderer Text.
Wir waren Kinder.
spielten mit hölzernen Stecken. Waffen, keine Pflugscharen.
Räuber, Gendarm, Cowboy oder Soldat - ich weiß es nicht mehr.
Als die alte Dame daher kam, legte ich an.
Im Spiel. Ohne einen Gedanken.
Peng.
Erst hattest du ein Ich, nun gibt es ein Wir. Mein Verdacht ist: Du meinst eigentlich was anderes. Du meinst:
Ich war ein Kind.
Spielte mit Stecken. Waffen, keine Pflugscharen.
Räuber, Gendarm, Cowboy oder Soldat.
Als du kommst, lege ich an.
Im Spiel.
Peng.
Vorschlag:
Deine Augen weit.
Die zitternden Lippen.
Deine Tränen.
Du siehst, was ich meine, oder? Gedicht heißt: Du musst verdichten. Alles weglassen, was es nicht braucht. Der Assoziation Raum geben. Und im besten Falle eigene Wörter und Bilder suchen. Ich habe auch die Zeit wieder ins Jetzt geholt.
Nur so aus Spaß mach ich mal draus, was mir spontan einfällt:
Ich sehe dich:
Das faltendurchzogene Gesicht, das geblümte Tuch,
die gebeugten Schultern unter schwerem Loden.
Ich sehe mich:
Ein Kind spielt mit Stecken.
Räuber, Gendarm, Cowboy oder Soldat.
Als du kommst, lege ich an.
Im Spiel.
Peng.
Deine Augen groß.
Die Lippen zittern.
Tränen.
Man könnte hier Schluss machen. Dann sind die Tränen aber besser unbestimmt - es könnten auch meine sein. Für mich muss dann die erste Strophe auch verdichtet werden. Und du musst jedes Wort feilen. Hach, ich sollte mal wieder ein Gedicht schreiben!
Wenn es weiterginge, würde ich "deine Tränen" lassen.
Dein Schreck wurde meiner.
Später lernte ich
was ich in dir belebt hatte.
Das ist jetzt gar nicht mehr dein Text, ich weiß. Aber ich hoffe, du siehst, was ich meine: Es tut dem Text gut, ihn klar zu machen. Sich zu entscheiden.
Die dir wahrscheinlich mehr liegende Variante wäre, bei der Prosaform zu bleiben. Auch dann würde ich nach Phrasen schauen, du hast einige:
- Schreck fuhr mir in die Glieder
- Horror in den Augen der Frau
- nichts Böses bewusst
- und auch die Schwerter zu Pflugscharen sind zu oft gebraucht.
Für so einen kurzen Text sind das zu viele. Also für meinen Geschmack. Ich würde dir raten, eher auf die Stimmung zu gehen. Und wenn du eine Rahmenhandlung hast, diese deutlicher zu machen: Was ist heute? Und was regt die Erinnerung an das Gestern an?
Keine Ahnung, ob das nun eher zu meiner Freude war, oder dir hilft. Wir haben jetzt auf jeden Fall zusammen ein Gedicht geschrieben.
Viele Grüße
merin