22 November 2024, 03:20:51

Autor Thema: Realitätsflucht?  (Gelesen 19989 mal)

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Sirius

  • Gast
Realitätsflucht?
« am: 06 August 2014, 10:31:23 »
oft wird gesagt, dass der heutige Zeitgeschmack bei Büchern  die Auseinandersetzung mit Mißständen zum Inhalt haben sollte.
Ernst zu nehmende Autoren seien "verpflichtet", diese Dinge aufzudecken und sich kritisch damit auseinander zu setzen. Wie z. B. Gewalttätigkeiten, heute immer häufiger auftretende seelische Krankheiten und deren Auswirkungen auf die Menschen, marode Zivilisation anzuprangern, Fehler im zwischenmenschlichen Zusammenleben aufzuzeigen etc.
Autoren, die sanfte, phantasievolle "märchenhafte" Erzählungen schrieben, würden Weltflucht betreiben und werden oft in der Fachwelt  "Märchentante" bzw. "Märchenonkel" genannt und geringschätzig als "Schreiberlinge" bezeichnet, die den Lesern eine heile Welt vorgaukeln.
Doch sind diese Autoren wirklich zweitklassig, nur weil sie versuchen, den Menschen etwas Schönes zu zeigen und zu erzählen -  sie auf eine Reise in eine Welt einladen, in der sie entspannen können und vielleicht sogar Kräfte tanken?
Was meint ihr dazu?

Bateman

  • Gast
Re: Realitätsflucht?
« Antwort #1 am: 06 August 2014, 11:45:48 »
Wer tut das, Sirius? Du redest von "oft" und von "DER FachweltTM"
Kannst du dafür Beispiele nennen? Ich glaube nämlich nicht, dass es so ist.

Ansonsten glaube ich, dass Realitätsflucht etwas für Groschenhefte ist. Dass jeder anständige Unterhaltungsroman ein Thema transportiert, das den Leser auch zum Nachdenken anregt. Sonst würde er nämlich weniger gut unterhalten. Deshalb sind Groschenhefte oft langweilig. Sie haben nichts zu erzählen.

Uli

  • Gast
Re: Realitätsflucht?
« Antwort #2 am: 06 August 2014, 11:48:06 »
nun ja ... es gibt in der sogenannten 'leichten Literatur' tatsächlich das reine 'schöne Welt'- Zeug. Und es gibt positive Schreibwerke, die vorzugsweise der Unterhaltung und Entspannung dienen, aber dennoch nicht die Realität leugnen. Seltener,mwohl auch, weil so etwas schwerer zu schreiben ist.


'Armes Mädchen vom Land trifft Graf (inkognito) und rettet irgendwas durch ihre Zuneigung' muss nicht ... unterklassig sein, ist es aber meist. Demhingegen ist Problemschieben durchaus nicht immer (nicht einmal meistens) 'höher' - da arbeiten oft nur andere Klischees.

Sprachgebrauch, gut konstruiertes Setting, anständige Geschichte (die nicht nach Strickmuster verläuft), gut gezeichnete Figuren - es kommt auf alle möglichen Dinge an. Aber das ist keineswegs an den Inhalt gebunden und nicht automatisch besser, nur, weil es etwas schwerer zu schreiben und zu lesen ist.


Uli

  • Gast
Re: Realitätsflucht?
« Antwort #3 am: 06 August 2014, 11:51:27 »
Ähm ... Bateman, sorry: 'Groschenhefte' können gaaaaanz anders sein. Der  begriff umfasst halt die Publikationsform, und sonst (erstmal) nichts. Sicher, es gibt eine Masse 'Mädchenname'-Romane, aber eben auch (OK: wenige) ziemlich gute Sachen, die als 'Heftchen' veröffentlicht werden.

Sirius

  • Gast
Re: Realitätsflucht?
« Antwort #4 am: 06 August 2014, 12:03:14 »
@ Batemann,

am letzten Wochenende habe ich einer Podiums-Diskussion zugehört, bei der Verleger, Journalist für Kultur, Buchhändler, Schriftsteller etc. zum Thema "Trend auf dem Büchermarkt" und "Realitätsflucht" gesprochen haben.
Diese Experten meinte ich  mit der Bezeichnung  "Fachwelt".

Bateman

  • Gast
Re: Realitätsflucht?
« Antwort #5 am: 06 August 2014, 12:10:30 »
Ok, Uli, da hab ich pauschalisiert. Aber ich denke, dass jeder bei dem Wort ein Bild im Kopf hat und das ist eben "Dr. Stephan Frank", "Jerry Cotton" u.ä.

Für den Rest gilt meine Meinung: Ein Roman muss nicht in der Realität verhaftet sein, um etwas über die Realität zu erzählen. Und ich glaube auch nach wie vor nicht, dass die FachweltTM einhellig das Gegenteil sieht. Nicht von einer Podiumsdiskussion auf die Welt der Literatur schließen. Sonst wären wenigstens die Hälfte der Federteufel Realitätsflüchtige.

Parzifal

  • Gast
Re: Realitätsflucht?
« Antwort #6 am: 06 August 2014, 12:19:36 »
Zitat
oft wird gesagt, dass der heutige Zeitgeschmack bei Büchern  die Auseinandersetzung mit Mißständen zum Inhalt haben sollte. Ernst zu nehmende Autoren seien "verpflichtet", diese Dinge aufzudecken und sich kritisch damit auseinander zu setzen. Wie z. B. Gewalttätigkeiten, heute immer häufiger auftretende seelische Krankheiten und deren Auswirkungen auf die Menschen, marode Zivilisation anzuprangern, Fehler im zwischenmenschlichen Zusammenleben aufzuzeigen etc.

Vor diesen Karren lässt sich die Literatur hoffentlich nicht spannen, kann ich dazu nur sagen.
Das ist Aufgabe der Politiker, Diplomaten, Pädagogen, Ärzte, Psychologen, Betreuer etc.

Zitat
Autoren, die sanfte, phantasievolle "märchenhafte" Erzählungen schrieben, würden Weltflucht betreiben und werden oft in der Fachwelt  "Märchentante" bzw. "Märchenonkel" genannt und geringschätzig als "Schreiberlinge" bezeichnet, die den Lesern eine heile Welt vorgaukeln.

Märchen sind keine heile Welt; da steckt oft bittere Realität dahinter. Hänsel und Gretel z.B. - da geht es um Armut, Hunger und verzweifelte Eltern. Im 19. Jahrhundert hat man Kinder von Tirol ins Schwabenland zur Arbeit geschickt, weil die Eltern kein Geld mehr hatten. Sie hatten keine Winterkleidung und mussten Berge überwinden und einige sind nicht im Schwabenland angekommen, weil sie unterwegs erfroren sind. Ich denke mal, dass Märchen aus solchen Nöten heraus geschrieben wurden.

Zitat
Doch sind diese Autoren wirklich zweitklassig, nur weil sie versuchen, den Menschen etwas Schönes zu zeigen und zu erzählen -  sie auf eine Reise in eine Welt einladen, in der sie entspannen können und vielleicht sogar Kräfte tanken? Was meint ihr dazu?

Wie gesagt: Märchen sind schön erzählt, aber es stecken ernste Probleme dahinter.

Insgesamt: Die Kunst darf sich nicht vor einen Karren spannen lassen, den andere zu ziehen haben (wie oben schon angedeutet) Was aber nicht zwingend bedeuten muss, dass sie Problemen aus dem Weg geht - ganz im Gegenteil. Nur - dass sie verpflichtet sein soll, demonstrativ auf Missstände etc. hinzuweisen, halte ich für ein Gerücht.  ;)
« Letzte Änderung: 06 August 2014, 12:24:26 von Parzifal »

tine-schreibt

  • Gast
Re: Realitätsflucht?
« Antwort #7 am: 06 August 2014, 14:29:40 »
Äh... Seit wann ist es bitte akzeptabel, Künstlerinnen vorzuschreiben, wie sie ihre Kunst zu machen haben?
Snobistische Kulturelitisten ohne Geschichtsbezug, allesamt.

Ich meine, Mozart war seinerzeit seichte Popmusik (ist er heute auch noch, aber seichte Popmusik für Snobs), und was heute als literarischer 'Klassiker' gilt, war nicht selten Mainstream Literatur. William 'Dick Joke' Shakespeare z.B. war super hip; versautes Schnoddertheater fürs gemeine Volk, heute gilt er als literarische Größe, die ihresgleichen sucht.
Es ist eine reine Frage des Zufalls, welche Werke groß rauskommen, welche lange groß bleiben und welche den Zeitgeist und die gesellschaftliche Entwicklung tatsächlich beeinflussen.

Und, klar, alle Künstlerinnen haben einen gewissen Einfluss, und sei es nur auf einzelne Rezipientinnen und ihr Verhalten, und wer sich diesen Einflusses bewusst ist, muss sich entscheiden, wie er damit umgeht. Eine Entscheidung vorschreiben können wir aber nicht. Nachher kritisieren und Schadensbegrenzung betreiben, ja. Aber vorschreiben nicht.

Sirius

  • Gast
Re: Realitätsflucht?
« Antwort #8 am: 06 August 2014, 14:40:51 »
@ Parzifal,

diese überlieferten Märchen wurden bei der Diskussion nicht genannt. Denn diese alten Märchen sind ja mündliche und später schriftlich festgehaltene Erzählungen, die seinerzeit vor einem bestimmten sozialen und kulturellen Hintergrund entstanden sind - das, was sie aussagen, kann auch heute noch Gültigkeit haben.
Es wurden die Schriftsteller genannt, die es in der näheren Vergangenheit und Gegenwart "wagen", märchenhafte Erzählungen zu schreiben. Wie z. B. seinerzeit Michael Ende von Kritikern als Schreiberling für Kinderkram bezeichnet wurde. Er hatte eine wundervolle Phantasie, hatte etwas zu sagen und mit der Risikobereitschaft eines Verlages wurden seine Bücher zu großen Erfolgen.
Nach Aussage des an der Diskussion beteiligten Buchhändlers werden diese Bücher nach einer Pause wieder vermehrt gekauft und nach anderen Klassikern wird immer wieder gefragt.
Ist das als sanfte Trendänderung zu sehen?

merin

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Re: Realitätsflucht?
« Antwort #9 am: 06 August 2014, 17:01:51 »
oft wird gesagt, dass der heutige Zeitgeschmack bei Büchern  die Auseinandersetzung mit Mißständen zum Inhalt haben sollte.
Ernst zu nehmende Autoren seien "verpflichtet", diese Dinge aufzudecken und sich kritisch damit auseinander zu setzen.

Bewerft mich mit Eiern, aber ich finde, das stimmt. Eine ernstzunehmende Geschichte sollte sich mit etwas beschäftigen, was dem Autor unter die Haut geht - und das sind meist Mißstände. Selbst die Utopie einer perfekten Welt beschäftigt sich ja mit der Überwindung von Mißständen - wenn sie gut durchdacht ist. Ein Text, der wirklich gut ist, muss mir nah gehen. Und wenn er das tut, muss er mit meinem realen Leben und dem Leben der Autorin zu tun haben.
Außerdem hat Kunst eine Funktion in der Gesellschaft. "Unterhalten" ist schön und gut, aber "verändern" ist nach meinen subjektiven Wertmaßstäben besser.
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

Haramis

  • Gast
Re: Realitätsflucht?
« Antwort #10 am: 06 August 2014, 17:13:55 »
Einwurf zum Nachdenken:
Wenn ich wirklich etwas zu sagen habe als Autor, beschäftige ich mich dann nicht automatisch mit Missständen irgendeiner Art - global, persönlich, wie auch immer?  :gruebel:

Sonst ist es doch nur Blabla ...

Sirius

  • Gast
Re: Realitätsflucht?
« Antwort #11 am: 06 August 2014, 17:16:12 »
Zitat

Außerdem hat Kunst eine Funktion in der Gesellschaft. "Unterhalten" ist schön und gut, aber "verändern" ist nach meinen subjektiven Wertmaßstäben besser.

das klingt so ernsthaft und pflichtbewusst und ist eine Seite des Lebens.
Doch ich meine, dass Träumen und Harmonie, Sanftheit und Lächeln ebenfalls eine wichtige Lebensseite ist, die nicht vernachlässigt werden sollte.

Mooncat

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Re: Realitätsflucht?
« Antwort #12 am: 06 August 2014, 17:36:14 »
Nun ja, zu der Meinung von Fachexperten kann ich nichts sagen. Und zu Märchen sowieso nur bedingt etwas, da ich damit nur wenig Berührung habe.

Realitätsflucht ist aber allgemein ein gutes Stichwort in der Literatur. Oder besser gesagt bei Geschichten/Handlungen allgemein, denn derselbe Trend spiegelt sich leider, leider auf in der Filmwelt.
Egal was jetzt die Fachwelt sagt, der Trend geht meiner Meinung nach schon in die Richtung, wie Sirius sie beschrieben hat. Eine Geschichte mit wenig Drama drin hat per se schon mal einen schweren Start. Mir scheint, je länger wie mehr 'sollen' Geschichten wenn nicht schon viel Drama/Action, dann wenigstens möglichst viel Innenleben haben. Zum Nachdenken bringen, wie Bateman schon gesagt hat.

Schlussendlich ist es eine Geschmacksfrage, denn sorry, leider bleibt da der Unterhaltungsfaktor immer häufiger auf der Strecke. Gerade bei Komödien. Entweder sind sie nur noch völlig unten durch mit dem Humor, schlichtweg nicht lustig oder dann eher Tragikkomödien als was zum Lachen und Unterhalten. Wogegen ich nichts habe, Humor ist verschieden und Tragikkomödien gehören nicht selten mit zu den besten Filmen, aber ich hätte genauso gern zwischendurch die Möglichkeit, eine gute, neue, lustige Komödie zu sehen und nicht auf die Komödien aus den goldenen Hollywoodjahren zurückgreifen zu müssen. Welche man aber wenigstens immer wieder schauen kann und sich dabei immer noch göttlich amüsieren kann. Das bieten heutige Komödie kaum noch und nur wenige schaffen es bei mir noch auf die Wiedersehliste, geschweige denn Haben-wollen-Liste. Was jammerschade ist. Und bei Märchen ist es ähnlich. Für einmal sehen wunderbar, aber mehr ... Brauche ich nicht unbedingt.

Bei Kinderbüchern kann ich nur bedingt vergleichen, da ich die neuen weniger gut kenne als die alten, aber mir ist es gerade vor kurzem passiert, dass ich ein Kinderbuch für mein Patenkind besorgt habe (stand auf der Wunschliste der Eltern, weil es so viel gerühmt wurde) - und es war liebevoll gemacht und eigentlich ganz gut - bis der Schluss kam, mit dem Nachdenk-Hammer. Verdirbt die ganze Geschichte und ist, Wunder-oh-Wunder, jetzt auch eins der Bücher, das meistens im Schrank stehen bleibt.

Übrigens ist es aber auch eine Frage der Zeit. Als Kind habe ich eine Reihe geliebt, Pucki von Magda Trott. Ich glaube, das waren mit die ersten Bücher, die ich von meinem eigenen Taschengeld selbst bezahlt habe. Heute wird die Serie relativ verpöhnt, weil sie die Frauenrolle zu erzkonservativ darstellt. Was nüchtern betrachtet auch stimmt, schon zu meinen Kinderzeiten. Aber nichts daran ändert, dass die meisten Geschichten zauberhaft sind und hervorragend unterhalten. Übrigens umso mehr interessant, weil Magda Trott tatsächlich eine der Mitstreiterinnen für das Frauenrecht war, was sich in anderen Werken von ihr ganz gut zeigt.
Ein ähnlich gelagertes Beispiel ist Else Ury, die Autorin der Nesthäckchen-Reihe. Ihr wird heute auch Realitätsflucht nachgesagt. Was, wenn man ihre (tragische) Geschichte kennt, sicher auch ein berechtigter Vorwurf ist. Aber auch hier: na und? Trotzdem sind es wunderbare Geschichten, die bis heute überlebt haben und immer wieder Herzen erfreuen.
Also gut, ich habe Geschichten, die mich als Kind bezaubern und Autorinnen, die mich als Erwachsene faszinieren. Was daran soll also 'falsch' sein?

Sorry, aber das ist ein Punkt, der mich schon lange nervt. Ich bestreite nicht, dass es wie immer auch bei schönen, lustigen, Happy-End-Geschichten gewisse Konflikte, Abenteuer oder Action braucht. Aber nein, bitte nicht immer in die Tiefe der menschlichen Psyche abtauchen wollen! Ein wilder Ritt im Speedboat über die Wellen bleibt vielleicht an der Oberfläche, aber er ist kurzweilig und vor allem Dingen macht Spass! So wie andere die gemütliche Fahrt im Panoramaschiff geniessen.

Warum also nicht Prinz trifft Prinzessin, verliebt sich in die ärmere oder jüngere, wird von böser Schwester an noch böseren Oberlord verkauft, Rettung, Heirat, Happy End.
Vor 50 Jahren befreit der strahlende Held sie, heute eilt er zu ihrer Rettung aber sie hat sich schon selbst gerettet und in 50 Jahren rettet vielleicht sie ihn oder der Oberlord lässt sie nach harten Verhandlungen von sich auch gehen - solange die Geschichte gut erzählt ist, man sich in das Prinzenpaar verlieben kann und he, vielleicht sogar ab und zu lachen oder schwelgen kann, ist das genau so gut wie wenn die Prinzessin von Terroristen erschossen wird, der Prinz zum Freiheitskämpfer wird und später dann seine Taten bereut und ins Kloster geht um über Sinn von Leben und Tod und das ganze Weltengefüge nachzudenken.
Beides unterhält, die einen mehr das eine, die anderen mehr das andere, aber unter dem Strich braucht es beide, denn beide Richtungen haben ihre Fans und Anhänger. Die Lager tendieren einander abschätzig abzutun, gehört anscheinend mit dazu, was mich noch mehr stört als der Trend an sich. Die einen schimpfen die anderen realitätsfremd, blauäugig oder naiv, die anderen dürfen sich snobistisch, elitär und arrogant anhören.

Müsste nicht sein. Da es nun mal aber so ist hoffe ich einfach, dass das Pendel jetzt dann bald so weit auf die eine Seite geschwungen ist wie es kann und dann bald wieder anfängt, zurückzuschwingen.
Das Leben ist kurz - der Tod ist ewig.
Lynwood

http://www.mondcabin.org
Twitter: @Mondcabin / @SMondkatz

Parzifal

  • Gast
Re: Realitätsflucht?
« Antwort #13 am: 06 August 2014, 18:09:30 »
Zitat
@ Parzifal,
diese überlieferten Märchen wurden bei der Diskussion nicht genannt. Denn diese alten Märchen sind ja mündliche und später schriftlich festgehaltene Erzählungen, die seinerzeit vor einem bestimmten sozialen und kulturellen Hintergrund entstanden sind - das, was sie aussagen, kann auch heute noch Gültigkeit haben.

Okay!

Zitat
Es wurden die Schriftsteller genannt, die es in der näheren Vergangenheit und Gegenwart "wagen", märchenhafte Erzählungen zu schreiben. Wie z. B. seinerzeit Michael Ende von Kritikern als Schreiberling für Kinderkram bezeichnet wurde. Er hatte eine wundervolle Phantasie, hatte etwas zu sagen und mit der Risikobereitschaft eines Verlages wurden seine Bücher zu großen Erfolgen.

Also ich habe Momo gelesen, von Michael Ende. Und ich muss sagen, der Hintergrund dieser Geschichte ist mehr als ernst. Die "grauen Herren" sind die Börsenspekulanten, die mit den Wertschöpfungen der Menschen Schindluder treiben. In Endes Geschichte tun sie etwas dagegen; wir machen nichts. Mir kommt diese Geschichte so vor, als wollte uns M. Ende damals vor den Zuständen warnen, die wir heute haben. Graue Herren, die in ihrer Gier und Skrupellosigkeit die ganze Welt lahm legen können (die nächste Finanzkrise wird es zeigen) Reicht das als ernsthafter Hintergrund, oder ist das für dich nur eine erbauliche Kinder und Große-Kinder-Geschichte?  ;)

Fazit: Gute Literatur, egal welches Genre, hat mMn immer einen ernsten Hintergrund und ein Anliegen. Selbst die Komödie ist die humorvolle Verarbeitung einer ernsthaften Angelegenheit. Aber Literatur ist keine Institution, die die Pflicht hat, Missstände abzuschaffen - das ist die Baustelle von anderen Institutionen.  :klug:
« Letzte Änderung: 06 August 2014, 18:31:53 von Parzifal »

Eluin

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Re: Realitätsflucht?
« Antwort #14 am: 06 August 2014, 18:36:33 »
Also ich habe Momo gelesen, von Michael Ende. Und ich muss sagen, der Hintergrund dieser Geschichte ist mehr als ernst. Die "grauen Herren" sind die Börsenspekulanten, die mit den Wertschöpfungen der Menschen Schindluder treiben. In Endes Geschichte tun sie etwas dagegen; wir machen nichts. Mir kommt diese Geschichte so vor, als wollte uns M. Ende damals vor den Zuständen warnen, die wir heute haben. Graue Herren, die in ihrer Gier und Skrupellosigkeit die ganze Welt lahm legen können (die nächste Finanzkrise wird es zeigen) Reicht das als ernsthafter Hintergrund, oder ist das für dich nur eine erbauliche Kinder und Große-Kinder-Geschichte?  ;)

Für mich persönlich spiegeln diese Grauen Herren auch ihren eigentlichen Sinn wieder. Sprich Zeitdiebe. Schau dir doch mal die heutige Zeit an. Wie hektisch alles wird. Muss das sein?
Wo bleibt denn da die Zeit, um einfach mal etwas nettes zu lesen. Ständig muss es "Sinn" haben. Am besten auch noch in der Freizeit beim Lesen. Kein Wunder, dass dann so etwas wie Burn Out und Co zum Alltag gehören. Man bekommt ja nirgendwo Ruhe oder einen Rückzugsort.

Ich denke manchmal muss dieser ernste Hintergrund gar nicht so extrem im Vordergrund stehen. Vieles wirkt doch sowieso über das Unterbewusstsein. Und andersherum finde ich es auch nicht schlimm, wenn ich diesen Hintergrund mal nicht finde.

Aber bei den meisten Geschichten und Büchern die ich in den letzten Jahren gelesen habe, ist irgendwo ein Funken drin, der zum Nachdenken anregt, auch wenn ich die Bücher noch zu unterhaltsam finde. Es muss nicht alles mit dem Holzhammer funktionieren...
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