Teufelszeug > Theorie
Realitätsflucht?
Sirius:
--- Zitat ---
--- Zitat von: Eluin am 06 August 2014, 18:36:33 ---
Wo bleibt denn da die Zeit, um einfach mal etwas nettes zu lesen. Ständig muss es "Sinn" haben. Am besten auch noch in der Freizeit beim Lesen. Kein Wunder, dass dann so etwas wie Burn Out und Co zum Alltag gehören. Man bekommt ja nirgendwo Ruhe oder einen Rückzugsort.
Ich denke manchmal muss dieser ernste Hintergrund gar nicht so extrem im Vordergrund stehen. Vieles wirkt doch sowieso über das Unterbewusstsein. Und andersherum finde ich es auch nicht schlimm, wenn ich diesen Hintergrund mal nicht finde.
Aber bei den meisten Geschichten und Büchern die ich in den letzten Jahren gelesen habe, ist irgendwo ein Funken drin, der zum Nachdenken anregt, auch wenn ich die Bücher noch zu unterhaltsam finde. Es muss nicht alles mit dem Holzhammer funktionieren...
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das hast du sehr gut formuliert. Viele der heutigen Bücher sind voller Probleme, die ausführlich geschildert werden. Die Wirkung, die sie bei den Betroffenen haben, werden von allen Seiten beleuchtet. Ich meine, Probleme hat man selber genug, es werden von der Umgebung (Bekannten etc.) noch zusätzliche Probleme an einen heran getragen und es würde mir nicht weiter helfen, wenn ich auch noch über Probleme lese. Das könnte in mir viel Licht ersticken und allmählich zur Überzeugung werden, dass die Welt dunkel und trübe ist. Doch es gibt helle Seiten, die unbedingt erhalten, d. h. gepflegt werden sollten. Hier können gut geschriebene Bücher eine wertvolle Hilfe sein. Es gibt diese Bücher auch heute noch. Doch es ist eher selten, dass ein Autor so etwas schreibt - ist es vielleicht nicht zeitgemäß? Läuft er damit Gefahr, nicht ernst genommen zu werden?
Es liegt nicht immer an den Verlagen, die solche "hellen" Bücher ablehnen würden.
Ich kenne z. B. eine Schriftstellerin, die in den letzten Jahren heitere Bücher mit viel Wortwitz und Ironie geschrieben hat. Die Bücher haben hohe Verkaufszahlen erzielt. Im letzten Jahr schrieb sie ein Manuskript mit problematischem Inhalt und reichte es ihrem Verlag ein. Der Verlag lehnte dieses Manuskript ab mit der Bemerkung "problematische Bücher gibt es schon genug - wir möchten von ihnen Manuskripte in der Art haben, wie ihre letzten Bücher waren".
Trendwende?
Viskey:
Trendewende? Nein, Marketing. ;)
Eluin:
Sirius, das sind interessante Gedanken.
Was meinst du mit "hellen" Büchern? Bücher, denen die Probleme nicht direkt anzusehen sind?
Ich persönlich sehe es ähnlich wie du. Im Alltag haben die Meisten schon genug Konfrontation mit Problemen. Manchmal hilft es darüber zu lesen, um vielleicht zu sehen, wie andere diese Probleme lösen, manchmal möchte man aber auch nicht daran erinnert werden.
Das erinnert mich an ein Gespräch, dass ich letztens geführt habe. Wo ich mich in eine Ecke habe drängen lassen in die ich gar nicht wollte, aber zu blöd war, dass rechtzeitig zu erkennen. Es ging darum, warum ich schreibe. Nur aus Realitätsflucht? Mir ist in dem Moment nicht eingefallen, warum es eben keine Realitätsflucht ist, sondern ich trotz meiner nicht offensichtlichen Themen meine eigenen Probleme in meinen Texten löse.
Ich schreibe Fantasy, aber das heißt noch lange nicht, dass die Charaktere nur in Welten voller Friede, Freude und Eierkuchen leben. Gerade in Genres, in denen offensichtliche Alltagsprobleme nicht vollkommen durchsichtig transportiert werden, steckt denke ich viel Tiefe. Allerdings muss man sich manchmal die Mühe machen, diese zu finden. Genau das ist dann aber die Entscheidung der Leser. Will ich so tief in die Geschichte hinab steigen oder mich einfach nur nett unterhalten lassen? Ich persönlich mag solche Werke am liebsten. Dadurch kann ich selbst entscheiden, was in diesem Augenblick für mich richtig ist, ohne den Spaß am Lesen zu verlieren, weil ich überall nur auf neue Probleme gestoßen werde.
Huff, ist das auch nur halbwegs verständlich, was ich meine? :watchout:
Sirius:
@ Eluin
es ist für mich vollkommen verständlich, was du ausdrücken wolltest.
Ich meine mit den "hellen" Büchern solche, die dem Leser nicht sofort ein Problem so vor die Augen halten, dass ihnen ein anderer Blick nicht mehr möglich ist als der auf das Problem. Der Leser m u s s sich damit beschäftigen oder das Buch weg legen - ich lege es weg.
Helle Bücher sind meiner Meinung nach solche, die einen harmonischen Wortrythmus haben, der so sanft dahin fließt, dass der Leser nicht bemerkt, wie er von dem Geschehen eingesogen und mitgezogen wird. Ein Buch, das manchmal innehalten lässt, nachdenklich macht und den Leser dann mit Freude weiter lesen lässt. So ein Buch kann jemanden in eine "heile Welt" entführen, wenn er sich dem Fließen überlässt wie in einem Fluss. Er kann aber auch Steine und Untiefen bemerken - mehr oder weniger stark - die ihn aber nur kurze Zeit aufhalten, ihn nicht verletzen oder unwiderruflich bei seinem Weiterfließen behindern. Wenn so ein Buch zu Ende gelesen wurde und dann der Gedanke kommt "schade, dass es schon zuende ist", dann war es eines dieser hellen Bücher.
Und jetzt muss ich anmerken "Uff, habe ich mich halbwegs verständlich ausgedrückt"? :cheese:
Eluin:
Japp hast du :biggrin: Jetzt kann ich es nachvollziehen. Genau diese Art von Büchern mag ich auch. Sie berühren einen auf einer Ebene, die viel Tiefer liegt als der Verstand. Ich muss nicht alles mit dem Kopf aufnehmen, um mir Gedanken zu machen oder neue Eindrücke zu gewinnen. Manchmal brauche ich genau so etwas, wo ich einfach mal abschalten kann. Das muss dann aber nicht heißen, dass es ein Buch ohne "problematischen" Inhalts ist oder ich dadurch komplett aus der Realität fliehe. Vielmehr kann ich dadurch oftmals die Realität viel klarer sehen.
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