Nun ja, zu der Meinung von Fachexperten kann ich nichts sagen. Und zu Märchen sowieso nur bedingt etwas, da ich damit nur wenig Berührung habe.
Realitätsflucht ist aber allgemein ein gutes Stichwort in der Literatur. Oder besser gesagt bei Geschichten/Handlungen allgemein, denn derselbe Trend spiegelt sich leider, leider auf in der Filmwelt.
Egal was jetzt die Fachwelt sagt, der Trend geht meiner Meinung nach schon in die Richtung, wie Sirius sie beschrieben hat. Eine Geschichte mit wenig Drama drin hat per se schon mal einen schweren Start. Mir scheint, je länger wie mehr 'sollen' Geschichten wenn nicht schon viel Drama/Action, dann wenigstens möglichst viel Innenleben haben. Zum Nachdenken bringen, wie Bateman schon gesagt hat.
Schlussendlich ist es eine Geschmacksfrage, denn sorry, leider bleibt da der Unterhaltungsfaktor immer häufiger auf der Strecke. Gerade bei Komödien. Entweder sind sie nur noch völlig unten durch mit dem Humor, schlichtweg nicht lustig oder dann eher Tragikkomödien als was zum Lachen und Unterhalten. Wogegen ich nichts habe, Humor ist verschieden und Tragikkomödien gehören nicht selten mit zu den besten Filmen, aber ich hätte genauso gern zwischendurch die Möglichkeit, eine gute, neue, lustige Komödie zu sehen und nicht auf die Komödien aus den goldenen Hollywoodjahren zurückgreifen zu müssen. Welche man aber wenigstens immer wieder schauen kann und sich dabei immer noch göttlich amüsieren kann. Das bieten heutige Komödie kaum noch und nur wenige schaffen es bei mir noch auf die Wiedersehliste, geschweige denn Haben-wollen-Liste. Was jammerschade ist. Und bei Märchen ist es ähnlich. Für einmal sehen wunderbar, aber mehr ... Brauche ich nicht unbedingt.
Bei Kinderbüchern kann ich nur bedingt vergleichen, da ich die neuen weniger gut kenne als die alten, aber mir ist es gerade vor kurzem passiert, dass ich ein Kinderbuch für mein Patenkind besorgt habe (stand auf der Wunschliste der Eltern, weil es so viel gerühmt wurde) - und es war liebevoll gemacht und eigentlich ganz gut - bis der Schluss kam, mit dem Nachdenk-Hammer. Verdirbt die ganze Geschichte und ist, Wunder-oh-Wunder, jetzt auch eins der Bücher, das meistens im Schrank stehen bleibt.
Übrigens ist es aber auch eine Frage der Zeit. Als Kind habe ich eine Reihe geliebt, Pucki von Magda Trott. Ich glaube, das waren mit die ersten Bücher, die ich von meinem eigenen Taschengeld selbst bezahlt habe. Heute wird die Serie relativ verpöhnt, weil sie die Frauenrolle zu erzkonservativ darstellt. Was nüchtern betrachtet auch stimmt, schon zu meinen Kinderzeiten. Aber nichts daran ändert, dass die meisten Geschichten zauberhaft sind und hervorragend unterhalten. Übrigens umso mehr interessant, weil Magda Trott tatsächlich eine der Mitstreiterinnen für das Frauenrecht war, was sich in anderen Werken von ihr ganz gut zeigt.
Ein ähnlich gelagertes Beispiel ist Else Ury, die Autorin der Nesthäckchen-Reihe. Ihr wird heute auch Realitätsflucht nachgesagt. Was, wenn man ihre (tragische) Geschichte kennt, sicher auch ein berechtigter Vorwurf ist. Aber auch hier: na und? Trotzdem sind es wunderbare Geschichten, die bis heute überlebt haben und immer wieder Herzen erfreuen.
Also gut, ich habe Geschichten, die mich als Kind bezaubern und Autorinnen, die mich als Erwachsene faszinieren. Was daran soll also 'falsch' sein?
Sorry, aber das ist ein Punkt, der mich schon lange nervt. Ich bestreite nicht, dass es wie immer auch bei schönen, lustigen, Happy-End-Geschichten gewisse Konflikte, Abenteuer oder Action braucht. Aber nein, bitte nicht immer in die Tiefe der menschlichen Psyche abtauchen wollen! Ein wilder Ritt im Speedboat über die Wellen bleibt vielleicht an der Oberfläche, aber er ist kurzweilig und vor allem Dingen macht Spass! So wie andere die gemütliche Fahrt im Panoramaschiff geniessen.
Warum also nicht Prinz trifft Prinzessin, verliebt sich in die ärmere oder jüngere, wird von böser Schwester an noch böseren Oberlord verkauft, Rettung, Heirat, Happy End.
Vor 50 Jahren befreit der strahlende Held sie, heute eilt er zu ihrer Rettung aber sie hat sich schon selbst gerettet und in 50 Jahren rettet vielleicht sie ihn oder der Oberlord lässt sie nach harten Verhandlungen von sich auch gehen - solange die Geschichte gut erzählt ist, man sich in das Prinzenpaar verlieben kann und he, vielleicht sogar ab und zu lachen oder schwelgen kann, ist das genau so gut wie wenn die Prinzessin von Terroristen erschossen wird, der Prinz zum Freiheitskämpfer wird und später dann seine Taten bereut und ins Kloster geht um über Sinn von Leben und Tod und das ganze Weltengefüge nachzudenken.
Beides unterhält, die einen mehr das eine, die anderen mehr das andere, aber unter dem Strich braucht es beide, denn beide Richtungen haben ihre Fans und Anhänger. Die Lager tendieren einander abschätzig abzutun, gehört anscheinend mit dazu, was mich noch mehr stört als der Trend an sich. Die einen schimpfen die anderen realitätsfremd, blauäugig oder naiv, die anderen dürfen sich snobistisch, elitär und arrogant anhören.
Müsste nicht sein. Da es nun mal aber so ist hoffe ich einfach, dass das Pendel jetzt dann bald so weit auf die eine Seite geschwungen ist wie es kann und dann bald wieder anfängt, zurückzuschwingen.