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Schreib-"Regeln"

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Uli:
ay Teufels,

Mal ganz allgemein: Ich lese immer wieder von irgendwelchen 'Regeln', die es angeblich für das Schreibhandwerk gibt. Oft und gern von Koniferen des Fachs formuliert, und ebenso oft und gern als Argument verwendet, warum irgendetwas 'falsch' sein soll. Und manchmal werden sogar verbindliche Regeln gesucht ...

Mir wird dabei immer etwas kalt um die Nase.
Sicher gibt es Dinge, die sich als nützlich und daher verwendungsfähig herausgestellt haben - Methoden, die einfach funktionieren. Fein. Und andere Methoden funktionieren weniger gut oder eben gar nicht.
Nur: Wenn etwas funktioniert, dann heißt daß keineswegs, daß man es nicht anders machen darf - sondern nur exakt das: Es funktioniert.
Und zwar in dem definierten Rahmen, in dem man festgestellt hat, daß es eben funktioniert - meist also im 'Markt', genauer: Im amerikanischen Massenmarkt.
Was ja OK ist: Schreibe kurze Sätze, weil lange Sätze beeinträchtigen die Verkaufszahl. Vermeide mathematische Formeln, weil jede davon die Auflage halbiert. Lasse den Leser miterleben, das mögen die Leute.
Show, don't tell.
All das ist wahr.

Und es ist kein Gesetz, sondern nur eine Forderung derjenigen, die an Auflagenzahlen denken. Sonst nichts.
Und dazu kommt: Möglicherweise haben Dinge Erfolg, die diesen 'Regeln' nicht folgen - Vielleicht, weil etwas anderes noch besser ankommt, vielleicht, weil irgendwann 'der Markt', 'der Leser' die Nase gestrichen voll hat vom regelkonformen Einheitsbrei, oder vielleicht auch, weil diese Regeln auch nur eine Mode widerspiegeln ...

Es ist ganz OK, wenn jemand zunächst einmal den 'Stand der Kunst' lernt und anwendet - das erspart Umwege, erspart viele Stunden mühevolles Ausprobieren - aber:
Jenseits dieser 'Regeln' gibt es endlose Möglichkeiten. Und die zu verbauen, weil ... Sol Stein oder King oder sonstwer gesagt hat, 'das macht man so!' wäre ziemlich ... dumm.

Natürlich hat es sich bewährt, runde Baumstämme unter eine Last zu legen und einen Ochsen daran ziehen zu lassen. Das Rad ist also falsch, weil es kein runder Baumstamm ist und sich noch nicht bewährt hat. Oder was?

Ryek Darkener:
Ich habe irgendwo einmal gelesen, dass nur derjenige, der die Regeln kennt, auch weiß, wo er sie brechen kann.

Das wäre dann die Kurzfassung. :biggrin:

Parzifal:
Hallo, werte Autorenschaft!


--- Zitat ---Ich habe irgendwo einmal gelesen, dass nur derjenige, der die Regeln kennt, auch weiß, wo er sie brechen kann.
--- Ende Zitat ---

Guter Satz RD! (wo hast du den nur gelesen?)  :devgrin:

- Ich betrachte die Regeln eines Schreibratgebers nicht als Vorschriften: So, und nicht anders, musst du es machen!  :confused:

- Ich betrachte sie als Hilfen, lese mir das mal durch, probiere es evtl. aus und nehme mir das, was ich für meine Texte brauchen kann. Stephen King oder Sol Stein stehen ja nicht hinter mir und schreien: "Faux pas, so sollst du das aber nicht machen!"  :klug:

Warum soll man nicht von Erfahrungen der besten Leute, die es in dieser Kunstform gibt, profitieren? Ich würde vielleicht Jahrzehnte brauchen, um hinter manche Dinge zu kommen - vielleicht sogar gar nicht. Einer lernt vom anderen, das ist die uralteste Überlieferung von Wissen - die auch heute noch gilt.  ;)

LG, P

Edit:

--- Zitat ---Und zwar in dem definierten Rahmen, in dem man festgestellt hat, daß es eben funktioniert - meist also im 'Markt', genauer: Im amerikanischen Massenmarkt.
--- Ende Zitat ---

Sehe ich nicht so: Bei Schreibregeln geht es ganz unspezifisch darum, allgemeine Mechanismen aufzuzeigen, um die Illusion Literatur herzustellen. 

vulture:
Im Grunde ist es doch immer das Gleiche. Egal, ob man Klavier spielt oder den Autoführerschein macht oder eine 747 fliegt.
Zuerst kriegt man von anderen bestimmte Regeln mit auf den Weg, man lernt Grundlagen, schaut sich von Vorbildern bestimme Dinge ab, holt sich Tipps. Bis man irgendwann ein sicherer Klavierspieler / Autofahrer / Pilot ist.

Zu diesem Zeitpunkt hat man die Regeln verstanden, man hat das Konzept dahinter verstanden, man begreift, worum es eigentlich geht und warum man Anfängern diese Regeln beibringt.
Und dann beginnt man, diese Regeln zu hinterfragen. Oder man sieht jemanden, der sie erfolgreich bricht.

Dann beginnt man, zu experimentieren, man macht Fehler, erleidet Rückschläge, entwickelt sich weiter. Man muss schmerzlich begreifen, dass manche Regeln Sinn ergeben, und gleichzeitig erlebt man Situationen, in denen ein Abweichen genau die richtige Entscheidung ist.

Man macht sich eigene Regeln, behält sich andere, die gut funktionieren und verstanden sind, und erreicht so irgendwann den Höhepunkt des Schaffens, der meistens (so Gott oder wer auch immer will) mit Erfolg verbunden ist. Man ist Star-Klavierspieler, Top-Rennfahrer, Flottenchef.

Und dann irgendwann fällt die Kurve wieder. Weil man sich selbst überschätzt, glaubt, absolute Freiheit zu besitzen, und leider zu wenig Leute um sich herum hat, die einem ins Gesicht sagen, dass manche Ideen nicht halb so revolutionär und genial sind, wie man sich das vorstellt.


Um das jetzt aufs Schreiben zu übertragen:

Ja, ich finde, als angehender Autor sollte man die Grundlagen kennen. Sie sind historisch gewachsen, in mehreren Jahrtausenden, in denen Menschen Geschichten erzählt und aufgeschrieben haben. Ich sollte Interesse an ihnen haben, ich sollte versuchen, sie zu verstehen, ich sollte mir Mühe geben, zu begreifen, welchen Effekt sie auf den Leser haben, wie sie meine Geschichten formen können, und warum sie so oft so gut funktionieren.
Und ja, dann kann ich sie brechen.


Auch Picasso musste erst das beherrschen

Bevor das hier kam

felis:
*Vulture heftig applaudier*  :klatsch:
Das hast du meiner unmaßgeblichen Meinung nach sehr schön auf den Punkt gebracht.

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