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VL1: Das Glasperlenspiel Kapitel 3 Studienjahre
felis:
@Parzifal, das ist m. E. nicht ganz richtig.
Der ältere Bruder ist immerr noch ein Mitglied des kastalischen Ordens und hat sich von diesem keineswegs abgewandt.
M. E. dient er eher zu Illustration, welche extremen Ausprägungen die kastalische Neigung, sich in ein Thema zu verbeissen und ihm sein Leben zu widmen, annehmen kann.
Dani:
Hallo Parzifal,
Kann gut sein das ich da was nicht so recht verstanden habe, ich muss zugeben das ich doch immer wieder und wieder drüber lesen muss.
Es handelt sich beim Glasperlenspiel doch um einen nicht ganz so leichten Text, der sehr viel Raum für Spekulationen und eigene Interpretationen zulässt.
Was wahrscheinlich auch gewollt ist.
Trotzdem möchte ich meinen Grundgedanken hier festhalten, denn ich glaube schon das Hesse mit seinem Buch einen Denkanstoß an alle Menschen setzen wollte, die eben wie du schon angemerkt hast, zu verbissen an einer Sache festhalten und dadurch den Blick für das Wesentliche, das reale und schöne verlieren.
Und leider damit manchmal sogar sich selbst und anderen schaden.
Parzifal:
Hallo felis!
--- Zitat ---@Parzifal, das ist m. E. nicht ganz richtig.
Der ältere Bruder ist immerr noch ein Mitglied des kastalischen Ordens und hat sich von diesem keineswegs abgewandt.
--- Ende Zitat ---
Rein faktisch, also auf dem Papier, ist er noch Mitglied von Kastalien - das ist richtig. Seine Reaktionen gegenüber Knecht (wenn dieser auf das Glasperlenspiel zu sprechen kommt) entnehme ich aber, dass er sich kopfmäßig abgewandt hat. Auf der anderen Seiten kann man natürlich sagen, dass Kastalien ihm diese Freiheit gewährt, sich auf die Art einzuigeln und als Eremit zu leben. Ich will mal drei Stellen aus dem Buch dazu zitieren (Seite 139):
--- Zitat ---- Seine (also Knechts) seltenen Versuche jedoch, auch das Glasperlenspiel einzubeziehen (in die Gespräche der beiden), waren völlig ergebnislos, sie schienen entweder an einen Schwerhörigen gerichtet oder wurden mit einem nachsichtigen Lächeln beiseite geschoben oder mit einem Spruch beantwortet, wie etwa: "Dichte Wolken, kein Regen" oder "Der Edle ist ohne Makel."
--- Ende Zitat ---
--- Zitat ---- Einmal gestand Knecht seinem Lehrer, er wünsche es dahin zu bringen, dass er imstande wäre, das System des I Ging dem Glasperlenspiel einzubauen. Der Ältere Bruder lachte: "Nur zu!", rief er, "du wirst ja sehen. Einen hübschen kleinen Bambusgarten in die Welt hinein setzen, das kann man schon. Aber ob es dem Gärtner gelingen würde, die Welt in sein Bambusgehölz einzubauen, schein mir doch fraglich."
--- Ende Zitat ---
Man könnte das so interpretieren, dass der Ältere Bruder das Glasperlenspiel nur als kleines Etwas sieht und das I Ging die Welt bedeutet. An der Stelle habe ich mich gefragt, ob Hesse uns die Unvereinbarkeit der östlichen und westlichen Philosophie vor Augen führen will. ;)
--- Zitat ---- Wir erwähnen nur noch, dass der Ältere Bruder einige Jahre später, als Knecht in Waldzell schon eine sehr geachtete Person war, von diesem eingeladen wurde, einen Lehrauftrag dort anzunehmen, worauf er aber nicht antwortete.
--- Ende Zitat ---
Hier könnte man auch auf die Idee kommen, dass der Ältere Bruder sich (kopfmäßig) von Kastalien abgewandt hat.
--- Zitat ---M. E. dient er eher zu Illustration, welche extremen Ausprägungen die kastalische Neigung, sich in ein Thema zu verbeissen und ihm sein Leben zu widmen, annehmen kann.
--- Ende Zitat ---
Sicherlich - auf eine Art kann man das so sehen. Auf der anderen Seite macht mir dieser Ältere Bruder aber den Eindruck, dass er mit seiner chinesischen Philosophie (die er pendantisch lebt) etwas Besserers und Allumfassenderes gefunden hat, als die Kastalier. Die Frage ist natürlich, ob er sich das in seinem Elfenbeinturm nur einbildet - oder ob es tatsächlich so ist. Knecht erkennt in seinem Einsiedlertum schließlich eine Flucht. Nimmt ihn aber dennoch ernst genug, dass er ihm später ein Lehramt anbietet. Hesse kennt sich in der östlichen Philosophie und im Zen aus, sonst hätte er nicht Siddhartha schreiben können. In dem Buch Zen in der Kunst des Bogenschießens von Eugen Herrigel erfährt man unter anderem, dass japanische Bogenmeister keine Europäer als Schüler aufnehmen wollen, weil sie ihnen absprechen, Zugang zum Zen zu finden. Das fiel mir ein, als ich die Stelle im dritten Kapitel GpSpiel gelesen habe und dachte mir, Hesse will diese Unvereinbarkeit der beiden Philosophien (so ganz nebenbei) zum Thema machen. Habe aber vermutlich dazu geschrieben, weil ich mir nicht sicher bin. ;)
LG, P
Parzifal:
Hallo Dani!
--- Zitat ---Kann gut sein das ich da was nicht so recht verstanden habe, ich muss zugeben das ich doch immer wieder und wieder drüber lesen muss.
--- Ende Zitat ---
Hab auch grad nochmal nachgelesen. ;)
--- Zitat ---Es handelt sich beim Glasperlenspiel doch um einen nicht ganz so leichten Text, der sehr viel Raum für Spekulationen und eigene Interpretationen zulässt. Was wahrscheinlich auch gewollt ist.
--- Ende Zitat ---
Hesses Alterswerk - da darf man sich ruhig ein bisschen die Zähne dran ausbeißen. :diablo:
--- Zitat ---Trotzdem möchte ich meinen Grundgedanken hier festhalten, denn ich glaube schon das Hesse mit seinem Buch einen Denkanstoß an alle Menschen setzen wollte, die eben wie du schon angemerkt hast, zu verbissen an einer Sache festhalten und dadurch den Blick für das Wesentliche, das reale und schöne verlieren. Und leider damit manchmal sogar sich selbst und anderen schaden.
--- Ende Zitat ---
Der Gedanke ist auf jeden Fall gut.
LG, P
merin:
Wie immer zuerst mein Senf, ohne Euren zu lesen: Ich habe in diesem Kapitel zunächst an der Stelle aufgemerkt, an der es über Frauen geht. Mir scheint es so, als würden Frauen nur als Verführungen, die vom rechten Weg leiten, benannt. Ich habe es so verstanden, dass die Schüler während ihrer Studienjahre - und nur dann - Sex haben dürfen. (Mit 24!) Aber sie dürfen sich nicht binden. Und das finde ich so perfide, dass es mir beim Lesen fast wehgetan hat. Liebe ist verboten, aber Sex darf gekostet werden.... Wie seelenlos.... Ob Knecht sexuelle Erfahrungen macht, wird uns nicht verraten - nicht zufällig, denke ich.
Dann kommt die Episode mit dem "großen Bruder". Mir scheint, der Lebensentwurf des Bruders ist als Gegenbild zu Knechts Leben gedacht. Der Eremit zieht sich zurück, weil er nur so das Gefühl hat, er selbst bleiben zu können. Er wählt die Treue zu sich über die Treue zum Orden - und wird dafür von einigen verlacht und von anderen idealisiert. Wie Knecht zu ihm steht, weiß man nicht. Auf jeden Fall bleibt Knecht einige Zeit dort, aber es entsteht keine tiefere Beziehung zwischen den Männern (oder sie darf nicht erwähnt werden) und dann geht Knecht - entscheidet sich also für den Orden und gegen die Treue zu sich selbst.
Die Zeit in der Eremitage sehe ich auch als Gleichnis für die Familie: Intim leben da zwei in einem Haus. Aber Knecht entscheidet sich dagegen. Er anerkennt mit seiner Rückkehr zum Orden auch dessen Hierarchien und Regeln an und kommt dann dazu, über Macht nachzudenken. Spannenderweise kommt in dem Buch die Idee der Gleichheit nicht vor - Hierarchie erscheint als naturgegeben. Für mich ist das mysteriöse Glasperlenspiel Sinnbild einer als gottgegeben gesehenen Hierarchie, die bis zum Himmel weitergeht.
Und es wird behauptet: Macht macht einsam. Einen Gegenentwurf - ein Leben in der Verbundenheit mit anderen - gibt es nicht. Knecht kennt es auch nicht und so wählt er Verbindung über Struktur, Hierarchie - und ich habe das Gefühl, dass es in ihm einen Teil gibt, der darüber hinaus sucht, der aber nie findet und immer wieder hungert. Dieser Teil ist es, der die Freundschaft zu Plinio abbricht, der Angst hat, sich zu binden und immer weiter zieht.
Was ich auch spannend finde: Ich habe keine Idee, was das Glasperlenspiel nun eigentlich ist. Es scheitn eine höhere Idee, ähnlich wie Religion, es scheint Lebensersatz - kein Leben. Es ist das große Mysterium, das nicht erklärt, nur geglaubt werden kann.
Das Kapitel endet mit Knechts erstem Auftrag und hier wird klar, wie wenig er zu sagen hat. Es wird geprüft, ob er sich wirklich einzuordnen bereit ist. Und er beweist, dass er willens ist, sich aufzugeben, um einem Höheren zu dienen, das geglaubt, aber nicht gefühlt oder gar bewiesen werden kann.
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