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VL1: Das Glasperlenspiel - Grundsätzliches
felis:
Ich muss mal was Grundsätzliches zum Glasperlenspiel loswerden:
Als Utopist ist Hesse keinen Pfifferling wert. Ich fide das Werk soggar extrem "retro".
Das Buch ist zwischen 1930 und 1942 entstanden. Da hast das Radio als "Volksempfänger" längst seinen Siegeszug angetreten und das Fernsehen war auch erfunden.
Nichts davon taucht im Glasperlenspiel auf: Nein, das Feindbild ist "das Feuilleton" also die Zeitung, damals zwar noch bedeutender als heute aber schon ein bischen altmodisch.
Aber das ist nicht das Schlimmste. Am grauenhaftesten finde ich das Frauenbild das Hesse hier transportiert.
Dass Frauen studieren, war in den 30er Jahren nix Besonders mehr.
Auch extrem erfolgreiche Forschrinnen gabs bereits: ich sach nur Lise Meitner, Marie Curie....
Aber Hesses zukünftige Bildungselite - ein reines Männerclübchen. Hallo????
Wie peinlich ist das eigentlich!
Viskey:
:devgrin:
Ich sage mir diesbezüglich schon immer wieder: Hesse wollte ja keine tolle Welt zeichnen, sondern eine problematische ...
Und wenn's Mädchen/Frauen in Kastalien gibt, wird ja das mit dem Zölibat gleich sooooo viel schwieriger ... :wech:
Fabian:
--- Zitat von: felis am 05 February 2014, 18:57:28 ---Dass Frauen studieren, war in den 30er Jahren nix Besonders mehr.
Auch extrem erfolgreiche Forschrinnen gabs bereits: ich sach nur Lise Meitner, Marie Curie....
--- Ende Zitat ---
Bis 1949 betrug der Anteil der Studentinnen nie über 1-2%, erst danach stieg er bis 2009 langsam, aber stetig auf ca. 50%.
Im Bezug auf wissenschaftliche Karrieren sind Frauen bis heute unterrepräsentiert.
Die genannten Beispiele würde ich als Leuchtfeuer in der Nacht des männerdominierten Wissenschaftsbetriebs verstehen.
Viskey:
Frauen sind in der Geschichte (zumindest bisher) sowieso überhaupt nur in einer Form vertreten: Die Kastalianer dürfen keine haben.
Davon abgesehen: Es gab sie, die studierenden Frauen. Aber es kommen ja auch Radio und Film nicht vor ... Also hat Hesse sich bei seiner Weltenbastelei deutlich an der Vergangenheit orientiert. Ich spekuliere mal, dass er da seine eigene Schul- und Jugendzeit zu Rate gezogen hat.
Parzifal:
Ich vermute eher, dass er mit Feuileton-Zeitalter das "Zeitalter der medialen Geschwätzigkeit ohne Tiefgang" gemeint hat - das schließt Radio und alles andere bis heute mit ein. Hesse hat das satte, selbstzufriedene und kriegshetzerische Bürgertum verachtet. Und ganz besonders hat ihn gewurmt, dass es den Medien gegenüber so hörig war - und den nächsten Krieg hat er ja im Steppenwolf schon voraus gesagt. (20 iger Jahre) Zitat: Diese schneidigen und fehlgeleiteten Menschen werden sich im nächsten Krieg trefflich bewähren (aus dem Kopf zitiert)
Utopist wollte er vermutlich auch nicht sein. In all seinen Romanen geht es thematisch um Selbstsuche und Selbstfindung - das ist auch im Glasperlenspiel nicht anders. Zitat: Das Wichtigste im Leben ist die eigene Person zu erforschen und zu verstehen.
Dass er ein schlechtes Verhältnis zu Frauen hatte, glaube ich kaum, wenn man seinen Briefwechsel studiert (Materialien zum Steppenwolf als Buchempfehlung) Bin schon ein bisschen verwundert darüber, was man in diesen Autor so alles hinein projeziert, kaum dass zwei Kapitel gelesen sind. Old fashion ist dieser Autor ganz und gar nicht. Die Mechanismen, die er beschreibt, und das Verhalten von Menschen ist immer noch das Gleiche - nur unter anderen Bedingungen. ;)
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