Ich lese mal noch nicht Eures, ich habe das Kapitel gerade erst begonnen und will nicht spoilern. Aber ich bin auf etwas gestoßen, was mich sehr bewegt und das willl ich hier gleich einbringen. Es geht um die Schulung, die Knecht durchmacht und sein Ankommen im Kloster. Hesse schreibt:
Er hatte bei seinem Vorstand Dubois gelernt, sich namentlich in der ersten Zeit seiner Gastrolle nicht als Person, nur als Vertreter Kastaliens anzusehen und Artrigkeiten sowohl wie etwaige Distanzierung nur als Abgesandter zur Kenntnis zu nehmen;...
Bin ich die einzige, die der Name des Vorstands an das Wort "dubios" erinnert? Denn ich finde es in der Tat dubios, wie Knecht hier zur perfekten Marionette wird, zur Maske, die keine Individualität mehr hat. Mich erinnert das an totalitäre Regime, die versuchen, in ihren Organisationen jede Individualität abzutöten. Es geht um das Außen, um "Artigkeit" und Gehorsam.
Immer wieder wird deutlich, dass es zwar offiziellerweile so ist, dass die Neigungen der Schüler über ihren Lebenslauf entscheiden, dass aber real Andere entscheiden: Knecht darf eben nicht tun, was er möchte. Er darf sich nicht nur mit Musik beschäftigen und er darf sich auch nicht einreihen. Er wird zum Führertum gezwungen, obwohl es ihm zuwider ist. Ich denke gleich daran, wie gut so ein Füher zu manipulieren wäre...
Was mich vorher in ähnlich unangenehmer Weise berührt hat, war das Urteil über den Freund Tegularius: Knecht hält ihn fern, es scheint, er hat Angst vor dessen Empfindsamkeit. Und die Freundschaft ist auch wieder keine auf gleicher Ebene, sondern Tegularius himmelt Knecht an. Und Knecht versucht nicht etwa, ihn zu stärken und ihn in Psychotherapie zu vermitteln
(ist doch spannend, dass es das nicht zu geben scheint in der Zukunft), sondern er sorgt dafür, dass der Freund auch nach seinem Tode kleingehalten wird, dass er nicht wirklich Verantwortung übernehmen darf. Und da zeigt sich ein mir ganz unsympathischer Wesenszug Knechts: Sich über andere stellen, die eigene Meinung für Gewissheit zu halten, das ihm angezüchtete Elitedenken ganz zu übernehmen. Und ganz unemotional und abgebrüht über die suizidalen Krisen des angeblichen Freundes zu berichten, als sei dieser Studienobjekt und kein fühlendes Wesen.
Ich glaube, Hesse hat Kastalien als Dystopie konstruiert. Als Warnung. Und nun lese ich weiter...