Teufelszeug > Theorie

Dialoge

(1/3) > >>

Trippelschritt:
Die unbefriedigendsten Kapitel in Schreibratgebern sind für mich die Kapitel über Dialoge.
Das Wesentliche ist ganz kurz und einfach formuliert, ohne dass klar wird, wie man so etwas erreicht.
1. Dialoge bestehen aus einer Kunstsprache, die wenig damit zu tun hat, wie Menschen wirklich reden. (Das merkt man spätstens dann, wenn man einmal reale Dialoge mitschneidet.)
2. Dialoge müssen so klingen, als ob reale Menschen in einer realen Situation genaus so reden würden, wie es da geschrieben steht.

Ein erster Schritt ist, sämtliche Ähs und Wiederholungen wirklicher Dialoge rauszunehmen und alles zu straffen. (Ausnahme, ein Dialog wird zur Charakterisierung benötigt.)
Ein weiterer Schritt ist, dass man ein Gespür dafür entwickelt, welcher Typ in welcher Situation angebracht ist.
Noch ein Schritt ist, dass man für jeden Dialog eine Regie entwickelt.
Ein Dialog hat eine Funktion und häufig einen Plan (Ablauf).

Daraus ergibt, sich, dass es völlig unterschiedliche Dialogstypen gibt, deren einziges gemeinsames Kennzeichen es ist, dass sie nicht langweilen dürfen. Kein Wunder also, dass in Schreibratgebern so wenig zu finden ist. Was benötigt wird, sind Fallstudien, die sich zu bestimmten Typen zusammenfassen lassen. Und dafür haben die Schreibratgeber nicht genügend Platz.

Ich bin neugierig, ob jemand sich mal die Mühe gemacht hat, sich ernsthaft mit Dialogen auseinanderzusetzen und vielleicht den einen oder anderen Typ kennt.

Noch eine böse Spitze zum Schluss:
Eine Fundgrube für schlechte Dialoge sind die meisten Tatortdrehbücher.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Mooncat:
Ich liebe ja Dialoge. Für mich lebt eine Geschichte mit den Dialogen. Bücher (und auch Filme) ohne viel Dialog sind bei mir ein totaler Killer. Wobei es immer Ausnahmen gibt. Spiel mir das Lied vom Tod z.B. - allerdings übernimmt dort die Musik einen grossen Teil - was das Buch nicht kann.

Aber was verstehst du unter Dialogstypen genau?

Fox:
Ich weiß nicht. Für mich bewegen sich die meisten Dialoge zwischen Konflikt und Exposition. Entweder, Person A versucht Person B zu etwas zu bewegen, oder aber Informationen werden dem Leser enthüllt. Das Spektrum bleibt noch immer breit, und idealerweise bewegen sich Dialoge zu Beginn der Geschichte irgendwo in der Mitte und gen Ende hin immer weiter Richtung Konflikt. Irgendwann sollte der Leser den Großteil der Informationen einfach an der Hand haben und die Charaktere mit ihren unterschiedlichen Wissensständen mit- und gegeneinander agieren. Klar fallen nicht alle in dieses recht einfache Schema, aber das Meiste kann man irgendwo darauf runterbrechen. (Konflikt möge man hier nicht als Streit verstehen, sondern auch z.B. als Versuch jemanden aufzumuntern, jemanden in ein Gespräch zu verwickeln, mit jemandem zu flirten, was weiß ich.)

Wichtigste Regel ist wohl, dass Dialoge implizit sind. Am besten zu lesen ist das finde ich in den klassischen Dramen, wo jeder große Vergleich, jede Metapher, jeder Dialog'block' auf einen einfachen, expliziten Satz runtergebrochen werden könnte. Figuren sagen nicht einfach explizit; "Ich bin traurig, weil Grund." oder "Ich bin glücklich, weil Grund." Sie tanzen meistens mit ihren Aussagen darum herum, vielleicht mit einem "Es sieht nach Regen aus." Ebenfalls von Bedeutung ist, dass man bei diesen impliziten Aussagen nicht auf schon hundertmal geschriebene Klischees zurückgreift, sondern die Aussage der Person a) ohne die üblichen Floskeln zu streifen (außer es ist wegen der Figur und Situation genauso beabsichtigt) und b) die Stimme der Figur treffen.

Wie eine Figur spricht, ist Frage des Charakters. Ausschweifend? Knapp? Militärisch-präzise? Politisch korrekt? Polemisch? Dann natürlich auch eine Frage der Situation, dem bisher Erlebten, den Eindrücken um die Figur herum, kurzum einer unheimlichen Menge Faktoren. Hier müssen dann Wortwahl, Stellung, Satzlängen etc. einfach stimmen. Vielleicht hat der Charakter auch gewisse Sprachmarotten. Et cetera. Wie ist sein Vorgehen im gesamten Dialog? Für mich ist nichts mehr Charakterisierung als ein stinknormaler Dialog. Sprachwahl und Vorgehen in Konfliktsituationen sagen unheimlich viel aus. (Deshalb sind auch 'schlechte', sprich leblose Dialoge für mich eine der größten Sünden, die man begehen kann. Es ist eines der wenigen Dinge, die mich bewegt, Bücher tatsächlich wegzulegen.)

Und, letztendlich, herrschen für Dialoge dieselben Regeln wie für andere Konflikte, denn immerhin sind sie ein Konflikt. Die ganzen lustigen Spannungskurven, die man sich auch für einen Roman oder Plot vorstellen kann, können hier angewendet werden. Die einzelnen Erwiderungen sind im Prinzip die Szenen, verfolgen ihren Zweck; den Dialog voran, zu seinem Ende zu bringen.

Das kann von explosiven Konflikten reichen, bei denen eine Person mit einem "J'accuse!" in den Raum stürmt, bis hin zu flach anlaufenden, vielleicht in einer Katastrophe oder Tragödie endenden. Deshalb sieht man auch so wenige perfekt glückliche Ehen in Geschichten (für mich bisher am besten umgesetzt in Friday Night Lights). Dialoge ohne die geringste Reibung können einfach nur langweilen. Manchmal sind bestimmt auch sie notwendig; aber dann sollte die Geschichte ihre Spannung und ihr Moment aus etwas anderem beziehen. Vielleicht der näherziehenden Orkarmee.

Das wären so meine Ansichten zu Dialogen. Keinesfalls vollständig, allumfassend oder etwas, nach dem ich andere Leute bitten würde, Dialoge zu schreiben. Mir allerdings genügt das vollauf.

Cheers,
Fox

felis:
@TS
ich weiß nicht genau worauf du hinaus willst.
Dialoge haben natürlich grundsätrzlich eine Funktion.v Diese kann alllerdings ungefähr so unterscheidlich sein, wie die funtion von gGesprächen im realen Leben. Was für einen Sinn soll es machen , da jetzt Kataloge aufzumachern, welche Funktionen grundsätzlich möglich wären?

Grundsätzlich: Der Dialog dient der Geschichte.
Er kann
- Infos transportieren. (beliebtes Bsp.: Lehrer-Schüler-Dialog),
- Den Plot vorantreiben, wenn der Perspektivträger von jemand anderem über etwas informiert wird, wo er 
  selbst nicht dabei war (eine der wenigen Methoeden der Lückenfüllung bei personaler Ich-Perspektive)
- Er kann einen Konflikt eskalieren (Streitgespräch)
- oder deeskalieren (Friedensverhandlungen...)
u.s.w.

Kurz: Der Dialog ist für mich einfach Mittel zum Zweck.

Trippelschritt:
Ich glaube, wir sind schon auf der richtigen Spur.

Die wahrscheinlich wichtigste Funktion eines Dialoges, obwohl ich mir da überhaupt nicht sicher bin) ist der Konflikt im Sinne eines Streitgesprächs.
Der sieht aber anders aus, als einer in der Situation, wo A versucht B zu etwas zu verleiten, was der nicht will.

Wenn man diese beiden Dialoge unter dem Begriff Konflikt betrachten würde, dann würde das ein Steitgespräch vor einer Wirtschaftsschlägerei, die Beleidigungen zweier Teenies über das Thema, wer hat den Längsten, oder den Versuch eines Außendienstmitarbeiters eine Versicherung zu verkaufen, die niemand haben will, in einen Topf werfen.

Dialoge für Informationsvermittelung haben ganz andere Fallstricke. A redet und b gibt an den passenden Pausen die richtigen Stichworte. Langweiliger geht es nicht.

Und was für ein Typ Dialog treibt die Handlung vorwärts. Alle? Oder gibt es auch den Typ, der retardierend wirkt. Und was ist mit dialogen, die der Charaktersierung von irgendwas dienen, und weniger der Handlung gehorchen?

Und dann haben wir noch die kleine unschuldige Plauderei, und das Frotzeln mit den geistreichen Anspielungen.


Und worauf ich hinaus will?
Ist immer dasselbe.
Was muss ich alles berücksichtigen, wenn ich einen guten Dialog schreiben will.
Ich befürchte, das hängt auch von der Funktion des Dialoges ab.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln
Mobile View