Hi Trippel,
hab den thread gefunden!!!
und geh dann hier auf deine Anmerkung ein: In jedem Kapitel das Setting neu überdenken.
na logo! Ich hätte es nicht so schön knackig formulieren können. Es grenzt an einen Bereich, mit dem ich mich immer herumschlage: Wahl der Szene. Was mich zu einem Punkt bringt, den ich so gar nicht kann, nämlich das vielgerühmte: Schreib jeden Tag mindestens eine Stunde.
Kann ich nicht. Hab ich probiert. Kommt bei mir nur Murks raus. Ich brauche - leider - viel Muße zum Schreiben. Ich muss mir die Zeit nehmen, mich in meinem Sessel zurückzulehnen und Szenen in meinem Kopf hin und her zu spielen. Manchmal, selbst wenn ich schon weiß, welche Szenen folgen müssen, denke ich Stunden darüber nach, mit welcher Szene ich jetzt an dieser Stelle des Romans weitermache. Und wenn ich dann meine, dass diese eine Szene jetzt am bestens geeignet ist, um die Spannung aufrecht zu erhalten oder bevorzugt sogar zu steigern, dann - je nach Szene - grübele ich wieder darüber nach, aus welcher Sicht ich diese Szene erzähle. In der Zwischenzeit weiß ich, dass wenn ich die Wahl habe, ich bevorzugt die Szene aus der Sicht einer Hauptfigur erzähle, und das hilft mir ein wenig, diese Phase der Grübelei zu verkürzen. Und dann kommt das Ausmalen der Szene in meinem Kopf. Im Idealfall läuft dann die Szene wie in einem Film in meinem Kopf ab. Und dann erst kann ich schreiben. Meistens reicht noch nicht einmal das, weil ich mich dann noch entscheiden muss, wie ich die Szene einleite. Und das heißt, ich setze mich dann immer noch nicht an den PC, sondern nehme Papier und Stift und entwerfe erste Sätze, erste Absätze, streich sie wieder durch, entwerfe wieder erste Sätze usw. Bis ich dann das Gefühl habe, einen geeigneten Einstieg gefunden zu haben. Und erst dann kann ich schreiben.
Manchmal läuft es auch andersrum. Da schießt mir ein erster Satz durch den Kopf, den ich einfach nehmen muss, und daraus entwickelt sich dann die Szene beim Schreiben.
... hüstel ... mir fällt gerade auf, dass das jetzt schon recht speziell ist ... Ist das OK? Können wir hier auf einzelne Aspekte eingehen, wie wir versuchen, in ganz bestimmten Punkten besser zu werden?
Ich schließe mich übrigens dem bereits Gesagten an. Es ist wichtig, sich vom intuitiven Schreiben zum bewussten Schreiben weiter zu entwickeln. Ob über workshops, Kurse, Schreibratgeber, viel Lesen, viel feedback oder über den Austausch mit anderen Autoren. Ich grübele im Moment darüber nach, ob ich mir mal einen Schreibcoach gönne. Aber vorher muss ich mich noch von der Belastung der letzten Jahre ein wenig befreien, damit ich überhaupt wieder einen klaren Kopf kriege.
Ich persönlich finde den Austausch mit anderen Autoren besonders wichtig. Was ich dabei aber als schwierig empfinde, ist das Auseinanderhalten von Geschmack und Handwerk. Und wie ich mich dabei entscheiden soll. Na klar weiß ich, dass Beschreibungen mir schwer fallen, mich das Aussehen der Charaktere überhaupt nur interessiert, wenn es für die Geschichte von Bedeutung ist, ansonsten ist es mir leider völlig schnurz. Liegt in dieser Schwäche auch eine Stärke? Wie gehe ich damit um, wenn mir gesagt wird: In dieser Szene fehlt mir die Beschreibung, wie es hier aussieht, wie es riecht usw.
Ok, denke ich mir, bauste halt was ein. Mach ich dann auch. Lass den Text ne Runde liegen, schau dann wieder drauf, und denke: Mist, der ganze Schwung der Szene ist dahin. Lösche es wieder raus.
Ich selbst bin als Leserin schnell gelangweilt von ausschweifenden Beschreibungen. Und natürlich will ich so schreiben, wie mir selbst Bücher gefallen. Also tendenziell ok mit wenig Beschreibung, eher karg gehalten, aber wie erkenne ich, wo es zu karg wird? Weil in meinem Kopf es so viel klarer ist als in den Worten, die ich zu Papier bringe?
Ich kam übrigens zum Schreiben, weil mich eine Freundin dazu aufforderte. Sie ist Buchhändlerin, und ich war Testleserin der Leseexemplare für den Bereich Fantasy. Hatte also dauernd einen fetten Stapel Bücher, den ich zumindest anlesen musste. Mindestens 90 % davon gab ich ihr zurück mit dem Vermerk: Schrott. Und dann gab es die wunderbaren Highlights oder eben Bücher, von denen ich dachte, zwar nichts für mich, aber wahrscheinlich werden Mädchen im Alter von 13 darauf fliegen. Als ich mal wieder einen Stapel mit 100% Schrott-Trefferquote zu ihr brachte, grinste sie und sagte: Schreib doch mal selbst.
Ich lachte, weil ich dachte, sie machte einen Scherz. (Oh schicker Satz vom Rhythmus her, *grins)
Aber es war ihr Ernst, weil sie meinte, ich könne mich doch so schön ausdrücken.
Da hatte ich dann den Floh im Ohr.
Also setzte ich mich irgendwann auf meine Dachterrasse, Schreibblock in der Hand, und dachte: Probiers halt aus. Und weil ich Bücher liebe, die mindestens einen Hauch von Humor enthalten, war meine erste Frage an mich selbst: Kann ich meinen Humor auch schriftlich rüberbringen? Wenn ja, gut. Wenn nein, dann kann ich es auch gleich sein lassen. Ich will keine humorfreien Bücher schreiben.
Gab die Szene ein paar Leuten zu lesen, verkrümelte mich zum Kaffee kochen, damit sie sich nicht so beobachtet fühlten, und hörte dann zwischendurch herzhaftes, lautes Lachen.
Ok. Schritt eins getan. Nächster Versuchsballon: Spannung. Wieder getestet: Lies mal bitte 10 Seiten und sag mir, ob es gut verständlich ist. Ich bin kurz in der Küche und mach uns was zu essen.
Leserin las weiter, weil sie unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Gut. Dann Rückschläge: Dieses Kapitel finde ich langweilig.
Na ja, ihr kennt das ja. Jedenfalls kam ich zu der Erkenntnis, dass ich anscheinend ein nicht schlechtes Händchen für Humor und Spannung hatte. Keine schlechte Voraussetzung, dachte ich mir, und schrieb mein erstes Buch. Noch gänzlich unbeleckt von irgendeinem theoretischen Wissen übers Schreiben. Relativ viel gelesen habe ich in der Zeit allerdings schon, um zu schauen, wie andere Autoren bestimmte Dinge machen, aber das war alles noch sehr aus dem Bauch heraus.
Dann Lektor. Dann ein Jahr das Buch neu geschrieben. Währenddessen Schreibratgeber, workshop usw. Das Ergebnis war ein rein handwerklich deutlich verbessertes Buch.
Und jetzt komme ich zum Aber: Meine Freundin, die Buchhändlerin, war enttäuscht. Bis heute mag sie die erste Fassung viel lieber als das umgeschriebene Buch. Es ist in ihren Augen origineller, mehr ich. In ihren Augen ist mein Schreibstil abgeflacht durch die Überarbeitung.
Ich teile ihre Auffassung nicht oder nur sehr eingeschränkt. Ich weiß, dass es - für mich - besser geworden ist, aber ich sehe auch die Gefahr, auf die ihre Einschätzung mich hinweist.
Und das finde ich die ganz große Kunst: Wie lerne ich schreiben und dabei meinen eigenen, unverwechselbaren Stil beizubehalten oder sogar noch stärker rauszuarbeiten? Welche Aspekte des Handwerks helfen mir dabei? Und welche Aspekte schmeiße ich für mich übern Haufen, weil sie meinen Stil eher verkorksen als dass sie ihm nützen?
Wie entwickele ich einen Filter, der es zulässt, dass ich einen Text, der mir aus der Feder geflossen ist, der frisch und eigen und gelungen ist, dann überarbeite, ohne ihn damit wieder abzuflachen?
Es würde mich sehr freuen, wenn wir hier darüber diskutieren könnten. Aber ich verstehe natürlich auch, dass das vielleicht schon zu weitschweifig für diesen thread sein könnte.
LG
Kass