Teufelszeug > Theorie
Genre-Frage: Was ist Phantastik?
merin:
Dazu müsste ich nur wissen, was Urban Fantasy ist. :versteck:
Forticus:
Für mich persönlich ist eigentlich klar, was phantastische Literatur ist:
1) Science Fiction, in der ein oder mehrere Objekte, die den (derzeitigen) naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht genügen, als existent gesetzt und verwendet werden. Beispiel: Warpantrieb von Roddenberry, Atomgewicht 500 von Dominik, EDO samt Magie von Tolkien, Krabat von Preußler.
2) Geschichten, die so abstrus sind, dass ich nicht entscheiden kann, ob der Protagonist einen an der Waffel hat oder doch noch ein Gewissen (verräterisches Herz, Poe) oder dem Gastgeber von einem möglichen zweiten Gast etwas in den Wein bekam und deshalb für ihn die Zeit möglicherweise anders verläuft (Mein Abend, mit David Martin Ott).
3) Geschichten und auch Sachbücher, die mich zum Staunen über mich und zu neuen Erkenntnissen bringen und deshalb einfach nur geil und fantastisch sind.
Und was sagt nun Tante Wiki dazu? Ich probiers mal:
a) maximalistisch: Der Autor hat einen an der Waffel oder jemand hat ihm was in den Tee getan, weshalb der Autor eine fantasitsche Idee bekommt, z.B. über einen Warp-Antrieb oder über ein Land wo Milch und EDOblut fließen. Für den Leser ist klar, dass der Text erstunken und erlogen ist und der Autor unterhalten will oder mit seinem moralischen Zeigefinger fuchtelt.
b) minimalistisch: der Leser denkt, er hat selbst einen an der Waffel, weil er nicht klar entscheiden kann, ob das was der Prota erlebt, für den Prota real ist oder nicht. Für den Leser ist klar, dass er sich deshalb dringend mit dem Autor unterhalten will und da dieser nicht verfügbar ist mit seinem Geld fuchtelt, um mehr von diesem Stoff zu kaufen.
c) wikilistisch: Der Wikipedia-Autor hat einen an der Waffel, und hofft bei den Leser den Eindruck zu erwecken, er sei ein geiler und fantastischer Typ, weil sich so toll ausdrücken kann.
- -
P.S.: der kläglichen Versuch, durch ein falsch gesetztes Komma bei den Federteufeln eine binnenfiktionale Faktizität des Wunderbaren in Zweifel zu ziehen und dadurch eine minimalistische Phantastik zu erzeugen mag zu offensichtlich sein, was mein Geschreibsel nun hoffentlich nicht per definitionem zu maximalistischem Unsinn macht. Tatsächlich bin ich seit Montag Abend nüchtern (... und hätte einen an der Waffel, wenn ich hoffen würde, dass ihr dieses posting für fantasisch haltet).
Ich wünsche allen Teufeln ein ertragreiches neues Jahr, mögen eure sense immer scharf sein!
Prosit Neujahr!
Baird:
--- Zitat von: Uli am 01 January 2014, 18:07:41 ---nun, ich habe den Artikel gelesen - und auch keine Ahnung, was da drinsteht ...
Jedenfalls nichts, was irgendwie weiterhilft: Offenbar gibt es ziemlich viel Geschwalle von irgendwelchen Leuten, die einen auf 'Wissenschaft' machen und Verständlichkeit für unwissenschaftlich halten.
--- Ende Zitat ---
Genau deshalb habe ich ihn nicht gelesen, das hatte ich bei der Suche nach anderen Genrefragen mal - und bin damit keinen Schritt weitergekommen... (Ich meine... Bei Wikipedia ist es ohnehin immer Glückssache, ob man auf einen guten Artikel stößt - oder eben nicht..)
Ich habe jetzt dennoch mal geschaut und finde, dass der Artikel wirkt, als wolle jemand "einen auf schlau machen". Habe dann versucht in meine Uniunterlagen zu finden, hatte aber keinen Erfolg dabei, da wird nicht so ins Detail gegangen...
Habe es dann nochmal mit googlen versucht und dabei folgende Definition auf der Seite eines Onlinebuchhandels gefunden:
"Phantastische Literatur ist eine Sammelbezeichnung für zumeist erzählende Literatur, in der die vertrauten und akzeptierten Gesetze der realen Welt außer Kraft gesetzt sind. Zur Familie der phantastischen Literatur gehören verschiedene Genres, wie zum Beispiel Fantasy, Mystery, Gothic Novel, Schauerroman, Horrorroman?, Gespenstergeschichte? und magischer Realismus?. Die Berührungspunkte mit Science Fiction und Utopie sind dagegen eher gering.
Im Mittelpunkt der phantastischen Literatur steht die Darstellung des Außergewöhnlichen, des Unerhörten und nie Gesehenen. Die Protagonisten machen körperliche und seelische Grenzerfahrungen. Sie beobachten an sich selber oder an anderen Figuren mysteriöse Phänomene, die zu einem Bruch der gewöhnlichen Wahrnehmung führen. Beim Lesen phantastischer Literatur stellt sich oft ein traumähnliches Gefühl ein und der Leser ist der Meinung, dass die Grenze zwischen dem Realen und dem Phantastischen dünn ist wie ein Blatt Papier."
(http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/PhantastischeLiteratur)
Da steht, grob zusammengefasst, dass es immer um verwunderliche Dinge geht, die sich rational nicht erklären lassen. Es gibt also keine wissenschaftliche Erklärung o.ä. für das, was passiert. Sowohl die Figur, als auch der Leser wissen nicht so recht, ob das, was passiert immer real ist - oder eben unerklärlich.
Da steht aber auch, dass Science Fiction nur begrenzt dazu zählt, weil das, was geschieht meist wissenschaftlich erklärt wird und somit dem "Unerklärlichen" widerspricht.
Was ich auch noch gefunden habe, ist ein Text, der auf der Internetseite der Ruhruniversität Bochum zu finden ist - und der für mich wesentlich verständlicher klingt. Ich habe ihn nicht komplett gelesen, er hat sehr viele Seiten, aber dennoch habe ich schon jetzt mehr verstanden, als bei Wikipedia - und das hat folgenden Grund:
Die Theorie, die bei Wikipedia dargestellt wird, findet sich dort auch - aber nur als EIN Beispiel einer Definition. Laut diesem Text ist es nämlich so, dass es nicht einheitlich dargestellt wird - und dass häufig Genres vermischt werden.
Letztlich taucht auch hier wieder Folgendes auf:
Es passiert etwas, das irritiert, das verstörend wirkt, quasi die innere Welt des Charakters (und somit auch des mitfühlenden Lesers) aus den Angeln hebt - und das plötzlich
Es wird ein Beispiel angeführt, ob ein Dinosaurier, der vor einem Bett steht, immer ein Hinweis auf Phantastik sein muss. Dann wird Fred Feuerstein als Beispiel angebracht - für den ein Dino neben dem Bett ja völlig normal wäre. (Das Gegenbeispiel wäre dann z.B. dass sich eine Traumerscheinung materialisiert oder der Hund verwandelt wurde, was wieder dem phantastischen zuzuordnen wäre.)
Somit:
- Ganz normale Welt
-> etwas seltsames, mysteriöses, unerklärliches geschieht
-> Weder der Charakter, noch der Leser können eine rationale Erklärung dafür erbringen
-> Weltbild ge- / zerstört
Link vergessen: http://www.ruhr-uni-bochum.de/komparatistik/downloads/Phantastik2007-1.pdf
merin:
Wow super, Baird. Auch wenn ich bei Forticus' Erklärng viel gelacht habe, habe ich nicht so viel verstanden. Deine Erklärung gibt mir aber einen Aha-Effekt. Danke dafür.
Baird:
Ja, amüsant war die :biggrin:
Gern - bringt mir ja schließlich auch was, wenn ich noch mehr über sowas nachlese :)
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