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Das Geflecht 2 - Anfang

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merin:
Liebe Teufelz,

ich möchte euch gern den Anfang des zweiten Teils vom Geflecht präsentieren. Es soll ein für sich stehender eigener Roman sein, das heißt, dass ich die Schwierigkeit habe, dass einige Leute Welt und Personen aus Teil 1 schon kennen werden, und andere völlig neu einsteigen. Bei meinem ersten Entwurf für eine Einstiegsszene ist daher die Frage: Geht das für Neulinge? Oder ist das völlig überfordernd? Eignet sich das überhaupt als Einstieg?
Ich denke, dass genreaffine Personen es schon kennen, in eine völlig fremde Welt geworfen zu sein. Aber natürlich gibt es auch hier ein Zuviel. Was meint ihr, bin ich noch unter der Häh-Schwelle?

LG
merin
Edit Sept 24: Da der Anfang verworfen wurde, kann er ins Höllenfenster.

++++++++++++++++++++++++++++++
Aufrecht schritt ich ins Dorf, streckte mein Band aus, ließ mich fließen. Ich ging an einer erloschenen Feuerstelle mit einem löchrigen Topf vorbei, der vergeblich auf Reparatur wartete, passierte zwei zusammengesunkene Häuser und blieb auf einem freien Platz stehen. Eine Türmatte flappte im Wind, das Stroh der eingesunkenen Dächer raschelte. Niemand kam.
Spürten sie, dass ich schlechte Nachrichten brachte? Auch wenn die Bänder hier  ungeordnet flirrten: Sie mussten wahrnehmen, dass ich allein war. Dass jemand fehlte. Ich atmete tief, verband mich mit dem starken Strang Rusals, sortierte das Gewirr von Bändern. Atmen, Harmonie verbreiten, Kontakt aufnehmen. Jemand stieß mich heftig an, stieß das, was ich mühevoll sortiert hatte, auseinander. Eine alte Frau kam auf mich zu, die Schritte kurz und mürrisch, und besah mich von Kopf bis Fuß. Ich erwiderte ihren Blick, nahm ihr wirres weißes Haar wahr, die staubigen Hände, die eingesunkenen Schultern. Nun spürte ich auch Lisman näher kommen, den Sprecher des Dorfes, und einige andere, die sich mir nie vorgestellt hatten. Sie erschienen zwischen den Häusern, schlenderten oder schlichen näher, ordneten sich zu einer losen Gruppe. Taxierende Blicke und Bänder glitten über mich, zupften und tasteten. Neugier lag darin, aber keinerlei Freundlichkeit. Niemand band mich wirklich ein und niemand erwiderte meinen Gruß.
„Wo ist er?”, stieß die Alte endlich hervor.
Jetzt spürte ich sie deutlich: Die zerrissene Verbindung. Das, was fehlte. Diese Frau war Melans Mutter.
Ich griff nach ihrer Hand, sie lag wie ein knorriger Zweig in meiner, und hielt sie.
„Die Verbindung weint”, sagte ich. „Und auch ich habe viele Tränen vergossen.”
Wie oft hatte ich Sätze im Kopf probiert, sie hin und her gewendet. Nun blieben sie mir doch unter der Zunge stecken.
Die knorrige Hand wand sich in meiner, hüpfte aus meinem Griff. „Wie?”
Ich schwenkte den Kopf. „Ich weiß es nicht genau.”
„Hat er dich nichts gelehrt?” Sprecher Lismans Stimme klang harsch.
„Melan?”
„Wer sonst?”
Missgunst hatte er mich gelehrt. Disharmonie. Ich hatte die Lehre zurückgewiesen.
„Darf ich erzählen?”, schlug ich vor.
Niemand antwortete. Wir standen mitten im Dorf, zwischen den versprengten Häusern, eine kleine Gruppe von Leuten, hinter der ich andere spürte. In Vataren wäre ich ordnungsgemäß begrüßt worden, jemand hätte Wasser gebracht, mich ins Versammlungshaus eingeladen. Hier wusste ich nicht einmal, ob es ein Versammlungshaus gab. Wind zerrte an meinem Kleid, spielte mit meinen Haaren. Ich streckte wieder mein Band aus, aber niemand kam mir entgegen. Melans Mutter tauschte einen Blick mit Lisman, ein Blick, der wie ein Ringen aussah, dann sprach sie endlich.
„Setzen wir uns doch!”
„Drinnen?” Die Fragende war jung und hielt sich doch gebeugt.
Lisman legte die Stirn in Falten, ließ träge die Hand kreisen. Dann schlurfte er zwischen den Häusern hindurch. Wir folgten ihm in ein großes Haus, auf dessen Boden Matten lagen. Wenn das hier ein Versammlungshaus war, so hatte es nichts mit denen gemein, die ich aus meiner Heimat kannte: Es gab hier weder Bänke noch Hocker. Keine Bilder, kein Lichtsystem. Wir kauerten im Halbdämmer zwischen kahlen Wänden, eine hingestreute Ansammlung von Surai. Ich suchte vergeblich nach einer Verbindung, etwas, woran ich mich festhalten konnte, einem winzigen Zeichen des Willkommens. Füße scharrten, Matten wurden zurechtgezogen.
„Was ist passiert?”, fragte Lisman schließlich.
Immer noch herrschte Unruhe im Raum, Leute schoben sich durch die Türmatte, suchten einen Platz, rückten Matten herum. Ich versuchte wieder, mich zu verbinden, wie es Zuhause üblich war. Durch die Trainingsmethoden der Kalok hatte sich mein Bandsinn verändert, aber ich war mir sicher, dass das nicht der Grund war, aus dem ich hier versagte: Das Dorfgeflecht fühlte sich nicht nur schwach, rissig und fragmentiert an, es verschloss sich vor mir. Niemand hier würde mich halten, während ich Furchtbares erzählte. Der Gedanke ließ meine Kehle eng werden. Ich suchte in den Strängen nach Melans Mutter, aber auch sie weigerte sich, eine Verbindung einzugehen. Also musste ich unverbunden berichten, die Worte aus meinen Mund quälen, sie herauszerren und roh in die Mitte legen: wie Melan, unsere Begleiter und ich vom nahegelegenen Heilzentrum aus weitergereist waren. Wie der terranische Gleitwagen uns abgeholt hatte. Wie wir ein Treffen mit der terranischen Sprecherin vereinbart hatten. Melan hatte am Ende des Treffens eine Einladung bekommen und angenommen, obwohl unser terranischer Begleiter Pako davon abgeraten hatte.
„… und dann … ist Melan nicht wiedergekommen”, würgte ich heraus.
„Wie, nicht wiedergekommen?” Melans Mutter, deren Namen ich immer noch nicht kannte, starrte mich an, die Augen dunkel und tief.
„Er wurde ins Haus der Terraner eingeladen und hat die Einladung angenommen. Gegen den ausdrücklichen Rat von Pako, der uns begleitet hat.”
„Und dann?”
Ich rieb mir den schmerzenden Nacken und ließ meine Trauer fließen. Meine Fassungslosigkeit. Ich ließ meinen Bandsinn offen, eine Einladung, die niemand annahm. Die Ungehaltenheit war schwer auszuhalten. Ich war einsamer als in den letzten Wochen meiner Reise, einer Reise ohne Begleitung durch ein fremdes Land.
„Es ging alles so schnell”, brachte ich hervor. „Melan kam einfach nicht wieder. Ich …  Es gab eine Bedrohung für ganz Rusal und wir mussten uns darum kümmern.”
Die Surai aus Muril sahen mich schweigend an, während ich versuchte, das Ungeheuerliche in Worte zu kleiden.
„Es war furchtbar. Schlimm. Ich … es schien mir, als habe Pako mich verraten. Der Terraner, den ich begleitet habe.” Ich schluckte. „Ich nahm an, er habe mich belogen, habe den Auftrag gehabt, Informationen über uns zu sammeln.”
„Euch?”
„Uns. Die Surai. Er hatte behauptet, nichts von den Surai zu wissen und dort gab es eine Terranerin die meinte, er habe uns gezielt aufgesucht. Ich wusste nicht mehr, wem ich glauben sollte!”
Niemand sagte etwas. Also fuhr ich fort. „Ich bin weggelaufen. Nicht sehr überlegt, ich weiß. Später hat Pako uns von der Maschine erzählt. Der Todesmaschine.”
„Todesmaschine?” Lisman sah mich skeptisch an.
Ich handkreiste. „Ich verstehe nichts davon. Sie sollte Energie sammeln und … transportieren. Und das hätte ganz Rusal vernichtet.”
„Warum das?” Lismans Blick hing immer noch an mir.
„Ich verstehe es nicht. Es war dem Terraner, der die Maschine gebaut hat, wohl egal. Die Energie wäre zu einem anderen Planeten transportiert worden.” Ich kratzte an der fleckigen Matte herum, auf der ich saß. „Wir haben ihn, er heißt Darwon, gebeten, die Maschine auszuschalten.”
„Und das hat er gemacht.”
„Nicht freiwillig.”
Lismans Blick bohrte sich in meinen, während die groben Webstreifen der Matte sich in meine Schenkel zu bohren schienen.
„Er hat sich in den Terraner gekrallt und …” Ich konnte es nicht aussprechen. Es hatte sich so falsch angefühlt. Es fühlte sich immer noch falsch an.
„Wer?!”
„Raswin. Der Kalok, der Informationen über die Terraner gesammelt hat. Er hat den Terraner gezwungen, die Maschine abzuschalten.”
„Er hat sein Band als Waffe benutzt!” Lisman schob das Kinn vor, während er aussprach, was ich nicht für möglich gehalten hatte. Warum wusste er das so einfach?
„Ja.”
Lisman kniff die Augen zusammen. Jetzt spürte ich ihn. Er zerrte an mir, wühlte sich in mich hinein. Als wolle er Wahrheit aus mir herausschütteln, die ich bereitwillig hergab. „Und du hast das zugelassen!”
„Was hätte ich denn tun sollen? Es stand viel auf dem Spiel! Unser aller Leben! Und die Kalok sind viel stärker als ich.”
„Du gibst es also zu.”
„Was?”
„Dass sie uns übervorteilen! Dass sie ihre Macht ausnutzen. Sich nicht an die Regeln halten!” Lisman sprach laut, um das Gemurmel und Getuschel zu übertönen, das sich im Raum erhob. Manche Surai waren aufgesprungen, andere beugten sich zu mir und gestikulierten.
„Raswin hat sich nicht an die Regeln gehalten”, sagte ich. „Raswin. Das ist ein Kalok und er hat sich nicht an die Regeln gehalten, weil wir verzweifelt waren. In Not. Seine Gemeinschaft wird darüber richten.”
Melans Mutter ergriff meinen Arm, ihre knochigen Finger umschlossen mein Handgelenk. „Und was ist mit Melan?”
„Ich … habe es versäumt, sofort nach ihm zu suchen. Es waren ja andere Leute da und ich war … ich war … in Aufruhr. Ich ging davon aus, dass er die Terraner trifft und dann wiederkommt und sich den anderen anschließt.”
„Den Kalok.”
„Ja, genau. Den Kalok, die uns begleitet haben.” Ich wusste, dass ich es aussprechen musste. Dass ich nicht so tun konnte, als wüsste ich nicht, was ich wusste. Ich legte meine Hand auf ihre und sah sie an. „Er ist nicht wiedergekommen. An diesem Tag nicht und auch an den nächsten nicht. Ich gehe davon aus, dass er tot ist.” Ich ließ meine Trauer fließen. „Es ist schwer, in der Toten Zone jemanden zu spüren. Darum habe ich die Kalok um Hilfe gebeten.” Raswin war es, den ich gebeten hatte. Aber das behielt ich lieber für mich. „Sie haben einen stärkeren Bandsinn und sie … sie waren sich sicher, dass … Melan ins Geflecht zurückgekehrt ist.”
„Wo ist er?” Die Hand wand sich unter meinem Griff, zuckte unruhig.
Ich krallte die Zehen in die Matte, das raue Gewebe kratzte an meinen Fußsohlen. Dasselbe hatte ich auch Raswin gefragt. Und Pako. Und viele andere. Niemand wusste, wo sich Melans Körper befand. Wo sie ihn hingebracht hatten. Ich war sogar zu dem Terraner gegangen, der alles steuerte. Gesteuert hatte. Den sie gefesselt hatten und später eingesperrt. Darwon. Gelächelt hatte er, ein Lächeln, glatt wie eine Messerschneide, und nach oben gezeigt. Dorthin, wo das Sternenschiff verschwunden war, das ihn nicht weggebracht hatte.
„Sie haben ihn mitgenommen”, sagte ich und kratzte mit den Zehen über den Boden. Obwohl ich leise sprach, hatte ich das Gefühl, ein Unrecht in den Raum hinauszubrüllen.
„Wer?”
„Wohin?”
„Was?”
Die Alte hielt meinen Arm immer noch umklammert, ein schmerzhafter Griff. Meine Finger lagen auf ihren. Ich verband mich mit ihr, während die Fragen auf mich einprasselten. Ich wollte warten, bis es wieder still war, damit ich in Ruhe erzählen konnte. Aber sie regten sich nur immer weiter auf. Fragen wurden wiederholt, lauter, un dnoch lauter, Hände griffen nach mir, rissen an meinen Schultern und Haaren.
„Gib es doch zu: Du hast ihn angegriffen!”, behauptete jemand. „Weil die Kalok dich manipulieren!”
„Du wolltest ihn weghaben, gib es zu!”, schrie eine andere.
War denn nicht schon alles schlimm genug? Ich riss mich los und sprang auf, stieß sie weg, ein kräftiger Bandstoß, der mich von allen Griffen befreite und für Ruhe im Raum sorgte.
„Ich habe niemanden angegriffen”, rief ich in die Stille hinein und drängte den Schock über die Stärke meines Stoßes beiseite. „Ja, ich wollte Melan nicht mitnehmen. Er war uneinsichtig und anstrengend und nicht um Zusammenarbeit bemüht. Ich mochte ihn nicht! Ich fand ihn anstrengend und nervig und … Aber ich habe ihn akzeptiert und mich um ihn bemüht. Niemals hätte ich ihn verletzt. Er war es, der nicht auf uns hören wollte!”
„Uns!” Lisman war ebenfalls aufgesprungen und stand nun neben mir. Er funkelte mich an.
„Uns”, wiederholte ich fest. „Pako, den Terraner, der mich begleitet hat, und mich. Melan mochte Pako.” Ich erwiderte Lismans Blick. Er sollte sehen, dass ich offen war. Ehrlich. Dass ich nichts verbarg. „Und Pako traute den anderen Terranern nicht. Darum riet er Melan, nicht mit ihnen allein zu bleiben. Aber Melan tat nicht, was er sagte.”
„Das hast du schon erzählt.”
„Ja. Ich habe mich bemüht herauszufinden, was mit Melan passiert ist. Wahrscheinlich hat die Terranerin ihn ermordet und ihn - seinen Körper meine ich - mitgenommen. Ich habe wirklich versucht, ihn zu finden! Aber, wenn er bei den Sternen ist …” dann kann er nicht zum Geflecht zurückkehren. Der Gedanke schien so ungeheuerlich, dass mein Nacken schmerzte. „Ich habe für ihn gesungen”, sagte ich leise. „Mehrere Tage lang. Einige Kalok haben geholfen. Aber ich weiß nicht, ob es Erfolg hatte. In der Toten Zone ist das …” Ich konnte nicht weitersprechen. Nicht zu wissen, ob seine Seele den Weg zurück ins Geflecht gefunden hatte, schmerzte zu sehr.
„Wieso sollte die Terranerin ihn mitgenommen haben?” Lisman klang fordernd.
„Ich … das … die Erklärung war nicht ganz verständlich für mich. Sie wollten etwas von ihm. Seine Zellen. Seinen Körper. Für Züchtungen.”
„Züchtungen.”
Ich handkreiste. Es war merkwürdig, ein Wort für Surai zu verwenden, das sich auf Pflanzen bezog.
„Melan ist zu den Sternen gereist!” Seine Mutter legte den Kopf in den Nacken, zwischen ihren Augenfältchen glitzerten Tränen.
Ich wollte ihr widersprechen. Aber wie sie da unten saß, auf der zerschlissenen Matte … ich konnte nicht.
„Ja”, sagte ich daher. „Melan ist zu den Sternen gereist.”
Ihr Blick tragen meinen, zwei Blicke, die sich verschränkten, verhakten und miteinander rangen. Dann senkte sie den Kopf, stand auf und verließ den Raum.

Wildfee:
Ich denke, ich kann eine unvoreingenommene Meining abgeben, da ich den ersten Band nicht gelesen habe, das vorweg.

Für mein Empfinden braucht es ein paar Zeilen, bis man erkennt, was es mit dem "Band" auf sich hat, dann erklärt es sich aus dem Kontext. Sobald diese Hürde genommen ist, habe ich nur noch drei Fragen: Woher kennt deine Hauptfigur die Namen der Dorfbewohner? Den Namen der Mutter kennt deine Figur nicht, warum dann die anderen Namen?
Wer oder was sind Kalok?
Warum ist sich deine Figur sicher, dass der Topf zu Anfang nicht ausgebessert wird? (absolute Kleinigkeit, aber springt mir ins Auge)

Ansonsten: Saustark :-)

Ich bin allerdings auch regelmässige SF Leserin und kann mir vorstellen, dass genrefremde Leser verwirrt sind. Für mich ist die Häh? Schwelle recht niedrig und Verständnisfragen erschließen sich mir zum größten Teil aus dem Kontext.

merin:
Liebe Wildfee,

vielen Dank für diese Rückmeldung. Die Fragen werde ich im Text prüfen. Danyla war ja schon in Muril und sie kennt einige Leute dort - und andere eben nicht. Das wird offenbar für dich nicht deutlich. Dass der Topf nicht ausgebessert wird, sollte daran, wie er liegt, klar werden, da muss ich also feilen, dass dieses Bild im Kopf der Lesenden entsteht.

Ansonsten geh ich mal gebauchpinselt ab ... und hoffe auf weitere Rückmeldungen.

LG
merin

Natascha:
Hallo merin,

ein Text, der flüssig formuliert ist, und eine verfremdete kulturbezogene Idee erahnen lässt. Ich habe den ersten Teil nicht gelesen. Ich kommentiere mal zunächst in Form eines Gedankenprotokolls, damit Du eine Vorstellung davon bekommst, wie meine Assoziationen verliefen.

Es gibt „mein Band“, das die erzählende Instanz streckt, das Gewirr von Bändern, das sie sortiert, den „starken Strang Rusals“, mit dem sie sich verbindet und die ungeordnet flirrenden Bänder. Vier Arten von Ligamenten in sieben Sätzen und ich weiß noch nicht, was genau sie darstellen, wofür sie stehen und wozu sie dienen. Sind es reale Streifen? Oder Metaphern für Emotionen und Gedanken? Oder beides? Vielleicht geht man auf dieser Welt mit seinen inneren Regungen über den Gebrauch von Stoff- oder Lederstreifen um. Kurz bevor der erste Dialog beginnt, gleiten Bänder über die Instanz. Wieder rätselhafte Bänder. An der Stelle wäre ich froh, etwas mehr ahnen zu können, was hier gemeint ist.

Die Alte fragt und die Instanz „spürt“ eine „zerrissene Verbindung“. Ein reales Band?

„Die Verbindung weint“. Aha. Auf dieser Welt wird über Gefühle und Beziehungen personifiziert gesprochen – und wohl auch so gedacht.


--- Zitat ---Nun blieben sie mir doch unter der Zunge stecken.
--- Ende Zitat ---
Ja, das ist gut, zu versuchen, es anders zu sagen als unsereins. Aber die Neuschöpfung ist noch zu sehr geprägt vom Gängigen. Es steckt noch zu viel von „im Hals stecken bleiben“ und „auf der Zunge liegen“ drin. Und zu wenig vom Geist dieser Kultur.

„Wie?“ fragt die Alte. Aber worauf bezieht sich diese Frage. Wie die Instanz viele Tränen vergossen hat? Oder wie die Verbindung weint? Und weshalb ist das Wie wichtiger als das Warum?

Die Instanz streckt wieder ihr Band aus, aber niemand kommt ihr entgegen. Dienen reale Bänder zur Kommunikation mit anderen?

Im Versammlungshaus sucht die Instanz vergeblich nach einer Verbindung, die ein winziges Zeichen des Willkommens sein könnte. Aha. Also vielleicht doch. Objekte, Gesten oder Mimik, vielleicht sogar Worte könnten gemeint sein, die etwas beziehungsrelevantes signalisieren. All das wird als Band oder Verbindung konzipiert und bezeichnet. Die Fähigkeit, diese Zeichen zu erkennen, vielleicht auch, sie richtig zu nutzen oder auch selbst zu zeigen, scheint als Bandsinn zu gelten. Vielleicht soll dies alles ausdrücken, wie zentral Beziehungen für diese Kultur sind, soziale Geflechte.

Dramaturgisch wirkt der Text auf mich zäh. Obwohl so viel hin und her erzählt wird, verstehe ich nur bruchstückhaft, was wirklich geschehen ist. Das Wesentliche erfasse ich wohl, nämlich dass Melan gestorben ist, doch es berührt mich kaum, weil ich nicht weiß, welche Bedeutung das hat. Ich habe auch keine Ahnung, welche Beziehung zwischen der Instanz und Melan bestand. Ich weiß nur, dass die alte Frau seine Mutter ist, doch sind ihre Regungen recht sparsam, und ich habe auch hier wenig Material für Projektionen, um ein Gefühl für diese Mutter-Kind-Beziehung zu entwickeln, dafür, was der Verlust für die alte Frau bedeutet. Ich weiß nicht einmal genau, was die fehlende Verbindung zur Gruppe für die Instanz bedeutet.


--- Zitat ---Ich griff nach ihrer Hand, sie lag wie ein knorriger Zweig in meiner, und hielt sie.
--- Ende Zitat ---

--- Zitat ---Wir haben ihn, er heißt Darwon, gebeten, die Maschine auszuschalten.
--- Ende Zitat ---
Diese Einschübe würde ich in Gedankenstriche setzen. Also so:
Ich griff nach ihrer Hand – sie lag wie ein knorriger Zweig in meiner – und hielt sie.
Wir haben ihn – er heißt Darwon – gebeten, die Maschine auszuschalten.


--- Zitat ---Lismans Blick bohrte sich in meinen, während die groben Webstreifen der Matte sich in meine Schenkel zu bohren schienen.
--- Ende Zitat ---
Das wirkt auf mich wie unfreiwillig komisch.


--- Zitat ---Die Alte hielt meinen Arm immer noch umklammert, ein schmerzhafter Griff. Meine Finger lagen auf ihren.
--- Ende Zitat ---
Das würde ich anders formulieren. Es wirkt etwas schief (Arm = Singular; ihren [Armen] = Plural). Vielleicht: Die Alte hielt mein Armgelenk immer noch umklammert, ein schmerzhafter Griff. Meine Finger lagen auf ihren Armen. Du könntest auch Finger der Instanz gemeint haben, die auf den Fingern der alten Frau liegen, doch das kann ich mir an der Stelle nicht gut vorstellen.


--- Zitat ---un dnoch lauter
--- Ende Zitat ---
Ein Tippfehler.


--- Zitat ---anstrengend und nervig
--- Ende Zitat ---
Das Wort nervig ist ein Modewort unserer Zeit und sollte in dieser Kultur nicht vorkommen.


--- Zitat ---Ich handkreiste.
--- Ende Zitat ---
Zum zweiten Mal innerhalb dieses Abschnittes. Das sollte nur sein, wenn es eine typische Geste ist, ein Erkennungszeichen oder ein wesentlicher Teil der nonverbalen Kommunikation in dieser Kultur.


--- Zitat ---Ihr Blick tragen meinen, zwei Blicke, die sich verschränkten, verhakten und miteinander rangen.
--- Ende Zitat ---
Das ist für mich nicht verständlich.

Ich hoffe, da ist etwas hilfreiches für Dich dabei. :)

Natascha

The_Reptilian:
Mir geht es wie Natascha. Es ist eine Fantasy-Kultur, wo mir unklar bleibt, was über die Bänder kommuniziert wird. Ob die Bänder als Metapher für Emotionen gelten und ob sie wirklich existieren, oder nur gedanklich, bleibt auch offen. Ich bin irgendwann beim Lesen des Textes ausgestiegen.
Ich würde eine Handlung zeigen, in welcher das Band unmissverständlich dem Leser klargemacht wird, um auch im zweiten Teil zu verstehen, was es mit dem Band auf sich hat, ohne den ersten Teil gelesen zu haben.

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