Was ich in den Beispielen versucht habe, sind Variationen der Grundregeln. Die wichtigste Grundregel finde ich für mich ganz subjektiv: sei konkret und bildhaft! Wichtig ist auch: Achte auf die Reihenfolge! Sei sinnlich. Vermeide Erklärungen. Bei einer Katze habe ich außerdem noch versucht, die Besonderheiten herauszuarbeiten. a) ist darum schlecht, weil es zu vage ist. Zu allgemein. b) und c) sind auf verschiedene Arten konkret und sinnlich.
Bos Ohren zuckten. Das laute Stimmengewirr und die Geräusche der ein- und ausfahrenden Züge waren fast zu viel für seine empfindlichen Ohren. Die Luft war geschwängert vom Rauch der alten Dampflokomotiven. Er hatte sich unter einer Bank zusammengerollt um nicht von all den Beinen zertrampelt zu werden, denn so ein Bahnhof konnte gefährlich werden für einen kleinen Kater. Dennoch liebte Bo ihn. Gedankenverloren beobachtete er die Reisenden. Er träumte gerne von fernen Orten. Eines Tages würde er auch in einen Zug steigen. Ganz sicher.
Was mir in deiner Variante auffällt, ist dass du einen Bahnhof von vor 60 Jahren zeichnest. Dafür gab es in deinem Text bislang keinerlei Hinweise, ich nahm an, er spielt jetzt. Den ersten Satz finde ich gelungen, weil er konkret ist, und schwierig, weil er eine Außenperspektive zeichnet. Denn Bo wird wahrscheinlich nicht das Zucken wahrnehmen, sondern die Geräusche. Und da verschenkst du mE schon was: "Geräusche der ein- und ausfahrenden Züge" ist vage. Wie viele Züge fahren gerade? Und welches Geräusch genau stresst ihn wie? Du behauptest, er habe empfindliche Ohren, aber wenn es gezeigt ist, dann merke ich das selbst. "empfindliche Ohren" ist außerdem Außenperspektive. Willst du das? Hast du einen personalen oder einen auktorialen Erzähler?
Dann:
Die Luft war geschwängert vom Rauch der alten Dampflokomotiven.
Hmm. Das zeichnet kein Bild. Es ist allgemein. Warum nicht Bo durch den Rauch auf etwas schauen lassen?
Er hatte sich unter einer Bank zusammengerollt um nicht von all den Beinen zertrampelt zu werden, denn so ein Bahnhof konnte gefährlich werden für einen kleinen Kater.
Hah! Hier hast du etwas gezeigt. Und dann erklärst du uns, was bereits gezeigt ist, als würdest du deiner Schreibe (oder uns) nicht vertrauen. Wie wäre es mit:
Er hatte sich unter einer Bank zusammengerollt um nicht von all den Beinen zertrampelt zu werden.
Besser. Aber da geht noch mehr:
Bo war zwischen den vielen Beinen hindurchgehuscht und hatte sich unter eine Bank gerettet. Dort lag er nun zusammengerollt auf dem kühlen Pflaster.
Durch die Wahl des Adjektives kannst du nun Stimmung zeichnen:
kühles Pflaster
kaltes Pflaster
sonnenwarmes Pflaster
schmutziges Pflaster
Alles verschiedene Bilder und Stimmungen, oder?
Dennoch liebte Bo ihn. Gedankenverloren beobachtete er die Reisenden. Er träumte gerne von fernen Orten. Eines Tages würde er auch in einen Zug steigen. Ganz sicher.
Den ersten Satz brauchst du nicht, weil die folgenden das erklären. Wenn du magst, mach es auch hier konkreter:
"Ein Mädchen mit geflochtenen Zöpfen hüpfte an der Hand eines Mannes auf einen wartenden Zug zu. Er hob sie die Metallstufen zum Zug hinauf, drehte sich zu einem Koffer um. Bos Schwanz peitschte unruhig. Dann wurde der Koffer in den Zug gehoben, der Mann folgte. Bos Schwanz lag wieder ruhig."
Das ist jetzt eher eine nahe allwissende Perspektive, aber ich habe hier eine Geschichte erzählt, die nicht dasteht, die man aber ahnt: Nämlich den Grund dafür, warum Bo unruhig war. Es ist nur seine körperliche Reaktion beschrieben, aber wir füllen die Geschichte aus. Was für eine Geschichte entsteht in deinem Kopf? Und was ziehst du daraus für Rückschlüsse auf Bo?
Ob Bo jemanden sieht, der hetzt, flucht, träumt, schlendert, ob ein Kind weint, Liebende sich verabschieden oder begegnen - das alles malt eine Stimmung, die wir im Rest der Geschichte wiederzufinden suchen. Mal sie uns auf!
Nützt dir das was?