Hallo Carlos
ich versuche es mal mit dem Rösten. Nimm dir bitte das mit, was du an Anmerkungen gebrauchen kannst, den Rest lege weg. Jede Röstung ist immer auch mit den Geschmäckern der Röstenden verbunden und die sind bekanntlich verschieden. Auch ist es immer etwas schwierig, wenn jemand seine erste Geschichte hier im Forum einstellt. Man weiß nie, wie jemand die Röstungen aufnimmt. Da ist der Flow beim Schreiben, der innere Film, der einen mit der Geschichte verbindet - und da sind die manchmal vielleicht auch drögen eigenen Worte, die man selbst aber nicht unbeding als solche wahrnimmt. Doch nun genug der Vorrede. Ich werfe mich in deine Geschichte:
Erstleseeindruck:Beim Lesen der ersten Zeilen habe ich keinen Bezug zu der Geschichte aufnehmen können. Es kam mir eher wie eine Inhaltsangabe einer Geschichte vor, als eine Geschichte selbst. Es fehlten mir die Details, auch kamen mir manche Angaben inhaltlich nicht richtig vor (so wird z.B. meines Wissens bei der Züchtung von Hunden großen Wert auf die Abstammung gelegt, ein einfacher Preis bei einer Hundeshow reicht da kaum aus, um das Manko einer fehlenden Abstammungsurkunde auszugleichen). Irgendwann bekam die Geschichte mehr Details (Bei der Kleiderwahl). Da ich selbst mit Kleidung nicht viel anfangen kann, fragte ich mich, warum die Geschichte gerade hier anfängt, ausführlicher erzählt zu werden. Trotzdem kam die Geschichte langsam in Fahrt. Es baute sich eine leicht erotische Stimmung auf, die mir an manchen Stellen aber deutlich zu platt war. Es ist eher frivol, als erotisch. Es fehlten mir die Zwischentöne. Die Geschichte ist mehr Holzhammer, als dass sie mich mitgenommen hätte. Die Figuren und Dialoge sind klischeehaft und bleiben an der Oberfläche. Es fehlt mir die persönliche Tiefe, damit ich die Geschichte hätte genießen können. Insgesamt erinnert sie mich ein wenig an die Geschichten von Roald Dahl. Insgesamt kommt die Geschichte aber im zweiten Teil mehr in Fahrt. Das Ende ist dann fast erwartbar. Doch in sich ist die Komposition als Kurzgeschichte gelungen und es bleiben am Ende keine Fragen offen.
Sprache:Hier sehe ich bei dir einen großen Bedarf, das klassiche Handwerkszeug zu lernen. Doch lohnt sich dies. Schreiben ist Übungssache und manche Fortschritte zeigen sich schnell, wenn man sich um das Handwerskzeug kümmert. Wie schaffe ich Bilder im Kopf der Leserinnen und Leser? Wie entwerfe ich Dialoge? Wie schaffe ich einen Einstieg in eine Geschichte? Bei all diesen Dingen ist bei dir noch viel Potential nach oben möglich. Deutlich wird dies z.B. am Einstieg:
Auf einer Hundeschau gewinnt Titus den ersten Preis und wird zum „schönsten Mops des Jahres“ gekürt. Natürlich wird er sofort vom Verband als Zuchtrüde zugelassen. Aufgrund dieses Erfolges erscheint in der letzten Ausgabe von Mops-Aktuell ein Leitartikel über Titus und seinen Besitzer Kurt. Auch die Kontaktdaten werden veröffentlicht, damit die Nachzucht des Mopses des Jahres gesichert werden kann. Das Titelblatt zeigt Kurt mit seinem Titus, den er ihn stolz auf die Schnauze küsste.
Was du hier schreibst, ist eine Zusammenfassung, keine Geschichte. Es ist ein klassicher Info-dump. Es werden Informationen weitergegeben, aber nichts erzählt.
„Du bist ein Star, mein kleiner großer Titus!“.
Hier fängt die Geschichte an, von dir erzählt zu werden. Warum steigst du nicht mit diesem Satz ein? z.B. so:
"Du bist mein Star, mein kleiner, großer Titus" Kurt beugte sich zu seinem Mops hinunter und strich ihm über das Fell. Der Hund sah ihn mit dunklen Glupschaugen an. Er schien nicht zu begreifen, was um ihn herum geschah. ...
Erzählen braucht eine eigene Sprache. Erzählen braucht einen eigenen Blickwinkel. Erzähle stur aus der Sicht von Kurt, wie er die Preisverleihung erlebt. Das kostet mehr Zeilen. Das kostet mehr Worte. Aber es macht deine Geschichte zu einer Geschichte. So ist es "nur" die Zusammenfassung einer Geschichte.
Auch im weiteren Verlauf der Geschichte ist es leider immer wieder der Fall, dass du die Inhalte zusammenfasst, aber du sie mir nicht erzählst.
Was du auch beachten solltest, ist der Umgang mit Adverbien:
Kurt nickte versöhnlich.
Erzähle mir, wie jemand versöhnlich nickt? Es geht nicht! Du vermischt hier also ein inneres Gefühl mit einer äußeren Handlung. Doch passt beides in einem nicht zusammen. Du musst es also trennen. z.B. so:
"Kurt nahm ihr die Äußerung nicht übel. Was soll´s, dachte er. So nickte er und grinste."
(meine Beispiele sind nicht perfekt und schnell aus dem Ärmel geschüttelt. Aber ich hoffe, sie zeigen dir trotzdem, was ich meine: Es gibt die innere Stimme, mit der du Gefühle ausdrücken kannst - und es gibt die Beschreibung von außen, die erzählt, was dein Prota macht. Adverbien sollten immer zu der jeweiligen Ebene passen: er rannte schnell - das kann ich mir vorstellen, genauso wie: er dachte voller Trauer an seine verstorbene Frau - falsch wird es immer dann, wenn die beiden Ebenen miteinander vermischt werden.)
Der Plot:Insgesamt erzählst du eine in sich runde Geschichte einer erotischen Begegnung. Trotzdem spricht sie mich nicht an. Woran liegt das? Manches ist mir zu platt (Wie z.B. der Name: van Hinten - die Assoziation zu Hintern kommt mir viel zu schnell). Anderes ist mir zu macho-haft (dieses: zeig es ihr...). Wo bleiben die Zwischentöne? Wo das Prickeln, als die Situation anfängt, sich in eine eindeutigere Richtungen hin zu bewegen? Wo die Scham und die Peinlichkeiten? Wo die Zweifel? Wo die Freude? Das alles ist mir zu wenig in deiner Geschichte dargestellt. So wirkt sie auf mich eher wie eine Geschichte, die ein Mann, der sich viel auf seine Verführungskünste einbildet und der überall sexuelle Abenteuer sucht, in der Kneipe seinen Freunden erzählt. Aber auch dafür hat sie nicht den richtigen Ton, nicht die richtige Einleitung. Von daher solltest du dir auch, was den Plot angeht, noch genauer überlegen, was du mit der Geschichte ausdrücken willst. Ist es die sexuelle Potenz von Kurt? Die interessiert mich als Leser recht wenig. Was ist es aber dann? Diese Frage könnte der Geschichte noch einmal einen ganz anderen, neuen Ton geben.
Abschluss:Ich hoffe, ich bin mit deiner Geschichte nicht zu hart umgegangen. Sie hat für mich an vielen Stellen noch deutliche Lücken. Umgekehrt hast du es geschafft, eine in sich runde Geschichte zu schreiben. Jetzt kommt es darauf an, aus dieser Geschichte "mehr" zu machen. Das ist harte Arbeit. Doch der Geschichte würde es gut tun.
Paul