23 November 2024, 09:15:19

Autor Thema: Walk of Fläme  (Gelesen 5471 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Cecilie H

  • Federgewicht
  • **
  • Beiträge: 35
  • Keine Gabe wirkt mächtiger als die Phantasie.
Walk of Fläme
« am: 27 November 2022, 19:36:55 »
Hallo, ich zeige euch eine neue Geschichte, sie besteht aus zwei Teilen, hier der erste Teil

(Ich habe an meiner ersten Geschichte gearbeitet und eure Kritik dankend aufgegriffen und würde euch gern später die Überarbeitun präsentieren. Danke, dass ihr so viel Geduld hattet. Ja, es war keine richtige Geschichte, nur ein Ausschnitt ohne Ziel und Ende).
LG Cecilie

Walk of Fläme

Eine von mehreren Kurzgeschichten zum Thema REGIONAL.
Der Fläming zieht sich unterhalb von Berlin bis kurz vor der Lutherstadt Wittenberg, welche nicht mehr in Brandenburg, sondern bereits in Sachsen-Anhalt liegt.

TEIL I

Er torkelte, fing sich, strauchelte abermals und fiel. Nun, nichts Ungewöhnliches im Landkreis Teltow Fläming, weder für Kneipengänger noch für amtierende Bürgermeister.
Ungewöhnlich war eher seine Erscheinung. Männlich, gutaussehend im fortgeschrittenen Alter, der Notarzt sollte sich am nächsten Tag gewaltig irren, als er sein Alter mit `ca. 65` notierte. Bleich, mit buschigen Augenbrauen und einem kecken Augenaufschlag in einem edlen, aber altmodischen Anzug war er nahezu attraktiv. Wäre da nicht obendrein die Tatsache, dass er sich kaum noch auf der Fläming Skate geradeaus halten konnte und wohl einen Radler zu viel intus hatte in dieser lauen Juninacht um 1.20 Uhr zwischen Neuheim und Grüna. Ohne Inliner, wohlgemerkt. 

Manche von ihnen sah ich bisweilen in der Dämmerung, schnell waren sie, flink, zahlreich. Er wirkte dagegen wie ihre Materialisierung auf zwei Beinen. Pardon, auf allen vieren, nun war er hingefallen und kroch zum Wegesrand.
Er lallte, lachte und hob seine Hand deklamierend zu den jungen Obstbäumen, die die Straße säumten. Keine Linden, deren Baumkronen der Jüterboger Bauhof im letzten Herbst zum Leidwesen der Naturschützer radikal in der Stadt frisiert und deren Schnitt die Untere Naturschutzbehörde, voran Frau Hinrichs mit kurzem i, kritisiert hatte.
Eine weibliche Gestalt im langen Kleid kickte eine leere Wodkaflasche weg und näherte sich. Sie schien wie aus dem Nichts gekommen zu sein.
„Elender Säufer!“
„Helena, mein Liebling!“, säuselte er.
Wütend reichte sie ihm die Hand, eine holde Schönheit, dunkel hob sich Haar und Kleid, schwerer Samt, von ihrer hellen Haut ab.
„Was ist nur los mit euch, Papa?“
Verletzt in seiner Eitelkeit stieß er zornig ihre Hand weg und versuchte, allein aufzustehen. Es misslang.

Das flache Land im Fläming vermochte die Dunkelheit wesentlich besser zu speichern, wie ein endloser Teppich breitete sich die Schwärze aus. Stille, nur das Zirpen der Grillen war zu vernehmen. Ein Reh äugte aus dem Feld hervor, der Wind stand ungünstig, es bemerkte die beiden Nachtwandler nicht. Blitzschnell schossen ihre beiden Köpfe in Richtung des Tieres, verharrten lauernd.
„Wild schmeckt nicht, Helena, merk Dir das!“, winkte er lallend ab. In der Ferne wurden die langgezogenen Lichtkegel eines Autos sichtbar, aus der Bahnunterführung Grüna kommend. Das Fernlicht streifte das Feld zwischen den Kurven, verscheuchte mit seinem hellen Scheine das Reh und sauste mit überhöhter Geschwindigkeit an ihnen vorbei. Die Zikaden sirrten. Helena sah ihren Vater missbilligend an, sie wartete und schwieg. Wieder senkte sich Stille nieder und lauerte wie ein Tier. Beide lauschten, registrierten wie ein Radar jede Bewegung. Noch ehe der Fahrraddynamo zu hören war, bemerkten beide das Vibrieren eines Rennrades.
„Lasst den Radfahrer in Ruhe, Herr Papa!“, drohte sie ihm. Nicht einfach, wenn man mit seinem Körper halbsitzend die Breite der Skaterbahn einnahm.

Am nächsten Morgen zeugten nur das teure Rennrad, achtlos im Straßengraben, und eine Blutlache von dem nächtlichen Intermezzo. Im Regionalteil der MÄRKISCHEN ALLGEMEINEN las ich davon. Die Zeitung berichtete großformatig: Die Polizei hatte die Ermittlungen aufgenommen, gesucht wurde nach dem vermissten Radfahrer, Dirk B., 43 J, Schichtarbeiter aus Neuheim.

In der darauffolgenden Nacht zürnte Helena wieder mit Herrn Papa: „Schon wieder betrunken?“ Sie stand in Nähe der Ferienwohnungen am Ortsausgang Neuheim und beugte sich zum ihm hinunter. „Grast Du die Fläming Skate regelrecht ab oder was wird das?“ Er wirkte verwirrt, wusste nicht, wo er war.
„Ihr seid in Neuheim“, sprach sie besänftigend und strich ihm über die Wange. An seinem Mundwinkel klebten noch Reste, sie zog ein Stofftaschentuch hervor, achtete, dass die Spitze nicht kratze und tupfte den Fleck weg. Er schaute irritiert zu ihr auf und schwieg. Ihre dunklen Locken umrahmten ihr Gesicht wie auf einem alten Ölgemälde von Tizian.
“Neuheim, ehemals Dorf Zinna, weißt Du nicht mehr?“, flüsterte sie, „der frühere Artillerieschießplatz.“
Er nickte flüchtig, blieb aber sitzen.
Ein Liebespärchen aus Hessen näherte sich dem. Helena seufzte, sie spürte das Herannahen von Gefahr. Menschen!  Beide Aktivsportler steuerten auf Inlinern ihre Ferienwohnung an, vor deren weiteren Entwicklung dem jungen Mann innerlich graute. Lars, ursprünglich aus Hannover, war der Mann an Anitas Seite, ein linkischer Verwaltungsangestellter im Stadtarchiv im mittleren Dienst und Alter. Er hatte heute Abend die Skatertour vorgeschlagen, einen größeren Rundweg, um Anita auszupowern. Das behielt er aber für sich.
Helena versuchte, Papa hochzuziehen, vergeblich. Schwerfällig saß er immer noch auf dem Bürgersteig und kicherte angesichts der Skater über seinen eigenen Witz: „Ein Radler, bitte!“.
Gekonnt bremste Anita, die junge Frau in der roten Leggins, ab, stoppte vor der hilflosen Person am Wegesrand.
„Geht es Ihnen nicht gut?“  „
„Krankenschwestersyndrom!“, flüsterte Lars zu Helena, die verärgert schwieg. Anita hatte bereits ihr Handy gezückt und einen Notarztwagen alarmiert.
Helena erkannte die Gefahr einer ärztlichen Versorgung, konnte jedoch den Anruf nicht verhindern. `Sie gehört an den Pranger gestellt!` Laut versuchte sie abzuwiegeln: „Er ist voll“. Zu spät.
Wartend standen sie im Kreis um Herrn Papa rum. Lars blickte hoch zum Nachthimmel. Zwischen den beleuchteten Straßenlaternen schwirrten Fledermäuse.
„Hier zwischen Grüna und Neuheim hat man unlängst eine besondere Art von Fledermäusen entdeckt“, entgegnete er unsicher. Ursprünglich wollte Lars am letzten Urlaubstag seiner Anita einen Antrag machen. Er hat es sich überlegt und den Ring ganz tief zwischen den schmutzigen Socken versteckt.
„Stand im Reiseführer“, schickte er hinterher, um die Stille zu verscheuchen.
„Die Untere Naturschutzbehörde Luckenwalde gibt darüber Auskunft“, las Anita vor, während sie weiter mit ihrem Smartphone spielte, „Ich glaube, die stehen unter Naturschutz.“
`Naturschutz!`, verärgert strich Helena, aber fürsorglich, Herrn Papa über die Stirn. `Man sollte lieber dich unter Naturschutz stellen! Quatscht und quatscht und quatscht! Dieses Waschweib! Hoffentlich hält Papa wenigstens seinen Mund!`
Als der Rettungswagen mit Blaulicht eintraf, nötigt sie das junge Pärchen zur Nachtruhe. Lars hatte ein flaues Gefühl und bot schnell seine Hilfe an. Helena verneinte, schob die beiden Richtung Ferienwohnung und versicherte, sich weiter um Papa zu kümmern. Anita nahm Lars Hand und zog ihn mit. 

Im heutigen Einsatz war Dr. Wolf Gerald mitgefahren, ich kannte den jungen Neurologen von unserer Station. Er wand sich Helena zu, sie lächelte zuckersüß zurück und versuchte, das ganze herunterzuspielen. Nein, sie wollte Papa nicht hergeben, ihn nicht mitnehmen lassen. Nur, der Notarztwagen war nicht extra heran gesaust, um dann über Sterne, Fledermäuse und Trunkenheit zu philosophieren und unverrichteter Dinge wieder loszufahren. Mechanisch nahm Wolf Gerald die Hand vom Senioren und versuchte, seinen Puls zu fühlen. Helena trat dazwischen und lächelte abermals. Er war irritiert. Ist das ein Puls? Ein Date? Schon Mitternacht? Gehirn und Kugelschreiber streikten. Er holte tief Luft und wurde wieder professionell:
„Ist Ihnen bei Ihrem Vater etwas in letzter Zeit aufgefallen? Veränderungen?“ 
„Papa ist so vergesslich geworden.“
„Schwindel? Stürze?“
„Er überlegt beim Schreiben, findet ... die Buchstaben nicht. Er kann ... keine Briefe mehr verfassen ... manchmal fehlen ihm die Worte.“ Anstatt dem Patienten den Puls zu fühlen, verspürte er plötzlich das Bedürfnis, über ihre dunklen Haare zu streichen. Blass war sie, stand sie unter Schock? Er kramte in der Brusttasche. Auf den dunkelgrünen Kuli vom Bestattungswesen IMMERGRÜN war Verlass! Auf den Tod ist immer Verlass. Er kritzelte weiter.
„Warum ist er jetzt hier? Es ist immerhin 0.14 Uhr. Büxt er öfter aus? Pflegeheim?“
„Er ist nachtaktiv, wie ... ein Marder“, scherzte Helena, „kaum ist die Sonne weg, wird er munter. Aber er wird schon wieder. Er ist zäh, er wird noch lange unter uns sein.“ Ihr Lächeln war schief, sie zerrte an Herrn Papa.
Der junge Mann beendete das Protokoll, zückte sein Sprechfunk und gab routiniert Anweisungen durch.
„Hilflose Person, desorientiert. Ja. Ja, ja. Mach mal ne Einweisung fertig. Wir kommen gleich zurück. Was? Neee. Aufnahme zur Alzheimer-Abklärung.“
Er lauschte und schaute auf die junge Frau. `Ganz bleich, die Gute. Und ziemlich scharf in ihrem Kelly-Family-Look!`
Sie stand beschwörend vor ihm in seiner rot-orangen Notarzt-Uniform.
„Ja, sag ich doch! Gedächtnis- und Merkfähigkeitsstörungen, Dysgraphie. Ausführliche Diagnostik. Ja, mach mal ein cerebrales Computertomogramm, gegebenfalls auch ein MRT. Okay! Ja, ja. Bis dann.“
„Nein, nein! Das geht nicht!“ bricht es angstvoll aus Helena heraus.“ Sie sind fast gleichgroß, er sieht Angst in ihren mandelförmigen Augen, vorsichtig ergreift er ihren Arm und holt eine Blutdruckmanschette hervor und will sie ihr anlegen.
„Nein, nein!“
„Sie stehen unter Schock! Keine Sorge! Wir kümmern uns.“
„Nein!“ Sie reißt sich los und tritt einen Schritt zurück in den Schatten der Straßenlaterne. „Sie … können ihn nicht mitnehmen. Ich ..., ich selbst kümmere mich um ihn. Er … darf nicht …“
Er nickt dem Rettungssanitäter zu, sie verladen routiniert den gebrechlichen Mann ins Auto.
„Suchen Sie morgen Ihren Hausarzt auf, er kann Ihnen ein Mittel gegen Unruhe geben. Und etwas gegen Eisenmangel!“
Das Auto fährt an.
„Kein Fenster! Kein Fenster!“ Er verspricht ihr alles, den abgedunkelten Raum aufgrund der penicillinallergischen Überempfindlichkeitsreaktion ihres Vaters auf Licht. Sie bekommt er jedoch nicht, weder ins Auto noch einige Zentimeter näher. Der magische Moment ist dahin, sie bleibt in gebührenden Abstand stehen.
Der Krankenwagen fährt davon, Wolf Gerald zückt wieder den Sprechfunk. „Hey, wir sind jetzt auf dem Rückweg. Ja, die Innere zur Aufnahme. Ja, ja. Er hat eine Tochter. Die Familie ist ein bisschen komisch, alle ganz blass, wirkt ziemlich vornehm. Vermutlich genetisch bedingte Anämie. Sie kommt ihn morgen besuchen, muss aber bis in die Abendstunden arbeiten. Nein. Auch nicht. Kläre das mal mit den Krankenschwestern, dass sie ihren Vater abends besuchen kann. Äh, ... nach ... nach Möglichkeit ab 22.00 Uhr, da ... beginnt meine Nachtschicht, dann ... kommeichaufstationvorbei!“

Das einzige Fenster von Herrn Papas Zimmers lag im Norden. Ich lernte ihn zwei Tage später, am 21. Juni, am Tag der Sommersonnenwende, im Jüterboger Krankenhaus vor 17 Jahren kennen. Ich bin ausgebildete Legasthenietrainerin und behandele neben Kindern seit kurzem auch Demenzkranke und damit `Herrn Papa`.


Mein Anliegen:
- Ich habe Probleme, eine Verbingung zwischen Teil I und Teil II herzustellen. Passen beide zusammen?

- Kommen Euch `Herr Papa` und Helena komisch vor und wenn, warum? Gibt es eine Vermutung?

- sind die Figuren klar dargestellt, vorstellbar? Oder noch zu farblos?

Liebe Grüße, Cecilie



merin

  • Oberfederteufel
  • Federteufel
  • *****
  • Beiträge: 8261
  • Wortsucher:in
    • www.jol-rosenberg.de
Re: Walk of Fläme
« Antwort #1 am: 28 November 2022, 21:19:27 »
Liebe Cecilie,

na dann mal ran mit dem Gäbelsche. Ich stolpere gleich beim Einstieg:

Zitat
Er torkelte, fing sich, strauchelte abermals und fiel. Nun, nichts Ungewöhnliches im Landkreis Teltow Fläming, weder für Kneipengänger noch für amtierende Bürgermeister.

Den ersten Satz mag ich. Der macht neugierig, ich bin sofort nah bei der Person, die fällt. Aber bereits der zweite Satz katapultiert mich in die Ferne, denn er macht eine allgemeine Aussage, von der ich nicht weiß, was sie mit meiner Protaperson zu tun hat. Ich will nun wissen, warum er fällt, was ihm passiert, stattdessen bekomme ich eine Beschreibung:

Zitat
Ungewöhnlich war eher seine Erscheinung. Männlich, gutaussehend im fortgeschrittenen Alter, der Notarzt sollte sich am nächsten Tag gewaltig irren, als er sein Alter mit `ca. 65` notierte. Bleich, mit buschigen Augenbrauen und einem kecken Augenaufschlag in einem edlen, aber altmodischen Anzug war er nahezu attraktiv. Wäre da nicht obendrein die Tatsache, dass er sich kaum noch auf der Fläming Skate geradeaus halten konnte und wohl einen Radler zu viel intus hatte in dieser lauen Juninacht um 1.20 Uhr zwischen Neuheim und Grüna. Ohne Inliner, wohlgemerkt.

Ich verstehe auch nicht, was der kecke Augenaufschlag da soll. Jemand, der gerade fällt, hat doch keine Zeit für Keckheit. Ich nehme also an, Herr Augenaufschlag sei tot (da schlägt man auch nichts mehr auf), aber dann frage ich mich, wieso ich dann in der Zeit wieder nach vorn hopse und erfahre, dass er vor seinem Sturz getorkelt ist. Ich verliere dadurch die Orientierung.
Interessant ist auch, dass das offenbar in deiner Region "die Fläming Skate" ist, während man hier in Berlin "der Fläming Skate" sagt.

Das Problem ist, dass im Folgeabsatz wieder eine Szene kommt, die ich zeitlich nicht einordnen kann und die eine neue Person einführt, zwei genaugenommen: Plötzlich gibt es eine beobachtende Instanz und eine Tochter. Ich finde das von der Szene her enorm unklar aufgebaut. Und frage mich: Bin ich zeitlich vor seinem Tod, oder ist er doch gar nicht gestorben? Aber wieso dann ein Notarzt, wenn er noch mopsfidel ist? Und warum spricht die Tochter mit ihm als spiele das vor 200 Jahren?

Dann auf einmal Landschaftsbeschreibung - hier ist es wieder dunkel, vorher schien es auch mal hell.

Zitat
Blitzschnell schossen ihre beiden Köpfe in Richtung des Tieres, verharrten lauernd.

Das ist unfreiwillig komisch. Die können mit Köpfen schießen?

Das Problem, dass du eine ganz unklare Szenenführung hast, bleibt leider bestehen. Du musst mal durchgehen, wen du wo hingestellt hast und was in welcher Reihenfolge passiert. Beispiel:

Zitat
In der Ferne wurden die langgezogenen Lichtkegel eines Autos sichtbar, aus der Bahnunterführung Grüna kommend. Das Fernlicht streifte das Feld zwischen den Kurven, verscheuchte mit seinem hellen Scheine das Reh und sauste mit überhöhter Geschwindigkeit an ihnen vorbei. Die Zikaden sirrten. Helena sah ihren Vater missbilligend an, sie wartete und schwieg. Wieder senkte sich Stille nieder und lauerte wie ein Tier. Beide lauschten, registrierten wie ein Radar jede Bewegung. Noch ehe der Fahrraddynamo zu hören war, bemerkten beide das Vibrieren eines Rennrades.
„Lasst den Radfahrer in Ruhe, Herr Papa!“, drohte sie ihm. Nicht einfach, wenn man mit seinem Körper halbsitzend die Breite der Skaterbahn einnahm.

Er ist hingefallen und liegt mitten auf dem Weg. Nun kommt ein Auto, es fährt schnell - und vorbei? Wie das? Über die Wiese? Und dann kommt ein Radler, der ja viel schmaler ist, und der kommt nicht vorbei?

Mein Problem ist auch, dass ich bis jetzt viel Text habe, aber wenig Handlung. Handlung bislang: "Ein Mann fällt hin, seine Tochter versucht vergeblich, ihm aufzuhelfen. Ein Reh läuft durchs Bild, ein Auto fährt vorbei." Warum wird mir das so ausführlich erzählt? Für mich ist jegliche Spannung verloren gegangen, was nach dem tollen Einstieg echt schade ist. Im Folgeabsatz wird dann klar, dass du uns das Unwichtige erzählt und das Wichtige weggelassen hast. Nur: warum?

Leider hast du mich nun verloren und bekommst mich auch nicht mehr eingefangen. Plötzlich sind die beiden nicht irgendwo, sondern vor ihrer eigenen Ferienwohnung und treffen Fremde, die dann ihre eigenen Gäste sind? Ich seh nicht durch. Vor allem verstehe ich nicht: Wenn kein Arzt gerufen werden soll, warum interveniert die Tochter dann nicht? Und wieso kann er eigentlich nicht aufstehen?

Und dann gibt es plötzlich eine Ich-Erzählung. Das ist ein enormer Bruch, eine Veränderung der Erzählperspektive. Und erst im letzten Satz erfahre ich, wer Ich ist, das ist viel zu spät. Ich ist leider auch nicht eingeführt.

Inhaltlich ist das meines Erachtens keine Geschichte, wie auch dein voriger Text schon nicht. Vielleicht solltest du mal in meinen Thread zur Erzähltheorie schauen ("Plotten, Lernen von den Amis": https://www.federteufel.de/forum/index.php/topic,2491.0.html ). Eine gute Geschichte braucht (bis auf Ausnahmen) einen Anfang, eine Mitte und einen Schluss. Und möglichst eine überraschende Wendung. Dein Text hat einen Anfang - dann passiert fast nichts (jemand ruft einen Krankenwagen) - aber es gibt keinen Schluss. Nichts wird erklärt, alles bleibt kryptisch. Zwischendurch war ich mir sicher, dass die beiden Hauptfiguren Vampire sind und den Radler gefressen haben, ich warte die ganze Zeit auf die Aufdeckung. Aber sie passiert nicht. Dadurch ist das für mich ein recht unbefriedigender Text. Ich weiß weder, warum der Papa gestolpert ist, noch, was mit dem Radler passiert ist, noch, wieso die Tochter nicht will, dass er mitkommt.
Dazu kommt, dass du Namen von Leuten drin hast, die keine Rolle spielen. Mach ich auch immer wieder, aber ich bekomme dann immer den Hinweis, Nebenfiguren namenlos zu lassen. Würde ich hier auch raten. Und: Vielleicht ist es gut, erstmal analytisch eine Zusammenfassung deiner Geschichte zu schreiben: Was ist die A-Story? Gibt es eine B-Story? Wo ist der Wendepunkt? Das alles ist mir in diesem Text zu unklar. Wenn du das klar hast, kannst du einen klaren Fokus setzen und das Unwichtige rausstreichen.

Zitat
- Ich habe Probleme, eine Verbingung zwischen Teil I und Teil II herzustellen. Passen beide zusammen?

- Kommen Euch `Herr Papa` und Helena komisch vor und wenn, warum? Gibt es eine Vermutung?

- sind die Figuren klar dargestellt, vorstellbar? Oder noch zu farblos?

- Die beiden Teile passen wegen des unvermittelten Perspektivwechsels nicht zusammen
- Sie sprechen altertümlich. Meine Vermutung ist, sie sind Vampire.
- Ich finde sie blass. Leider ist auch die Beziehung der beiden zueinander blass.

Es tut mir leid, aber für mich ist der Text völlig kryptisch. Auch stilistisch schwankt er für mich hin und her.

Liebe Grüße
merin
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

Cecilie H

  • Federgewicht
  • **
  • Beiträge: 35
  • Keine Gabe wirkt mächtiger als die Phantasie.
Re: Walk of Fläme
« Antwort #2 am: 28 November 2022, 21:56:02 »
Hallo merin,

Danke für´s Rösten. Ich finde es immer wieder verblüffend, wie viel ich übersehe, obwohl ich die Geschichte 100 x gelesen habe.
Deine Empfehlungen werde ich aufgreifen und nacharbeiten. Ich danke Dir von Herzen, wirklich.

Über 2 Sachen habe ich mich gefreut  :biggrin: :biggrin:: wenn Du Dich fragst, ob sie so sprechen, wie vor 200 Jahren! BINGO! Dann habe ich alles richtig gemacht. Und: Ja, es sind Vampire. Daher nachts, daher  das Reh (Tierblut), der Radfahrer (Die Skater Bahn liegt parallel zur Straße). Ja, viele Ortsnamen, das liegt nun am Heimvorteil, sorry. Die Leute hier könnten sich alles vorstellen (hoffe ich).

Eines gilt aber zu beachten: das ist erst der 1. Teil. Daher ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Der 2. Teil  kommt noch. Der handelt dann von Herrn Papa im Krankenhaus, dem Notarzt und der Krankheitsursache.

Bitte entschuldige, dass ich Dir so viel  Arbeit mache. Ich profitiere wirklich davon. Danke  :rotwerd:
LG Cecilie

merin

  • Oberfederteufel
  • Federteufel
  • *****
  • Beiträge: 8261
  • Wortsucher:in
    • www.jol-rosenberg.de
Re: Walk of Fläme
« Antwort #3 am: 29 November 2022, 11:21:46 »
Ich bin ja gespannt, was du draus machst!

Zitat
Ja, viele Ortsnamen, das liegt nun am Heimvorteil, sorry. Die Leute hier könnten sich alles vorstellen (hoffe ich).

Ich denke, da wäre es besser, wenn du die Orte nicht benennen, sondern so beschreiben würdest, dass Leute sie auch wiedererkennen. Denn das findet man meiner Erfahrung nach cool: "Ach, diese Straße da hinter Plöpplingen, wo so ne wacklige Brücke ist, die kenne ich doch." Ansonsten ging es mir nicht um Ortsnamen, sondern um Personennamen.
« Letzte Änderung: 29 November 2022, 11:35:24 von merin »
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

Cecilie H

  • Federgewicht
  • **
  • Beiträge: 35
  • Keine Gabe wirkt mächtiger als die Phantasie.
Re: Walk of Fläme
« Antwort #4 am: 29 November 2022, 13:33:20 »
Okay. Danke  :)

Juni

  • Federhalter
  • ***
  • Beiträge: 188
Re: Walk of Fläme
« Antwort #5 am: 01 December 2022, 19:29:27 »
Hallo Cecilie :)

Ich kommentiere in der Regel beim Lesen.
 

Er torkelte, fing sich, strauchelte abermals und fiel.
okay...

Zitat
Wäre da nicht obendrein die Tatsache, dass er sich kaum noch auf der Fläming Skate geradeaus halten konnte und wohl einen Radler zu viel intus hatte in dieser lauen Juninacht um 1.20 Uhr zwischen Neuheim und Grüna. Ohne Inliner, wohlgemerkt.   
Bis hier hin war alles in Ordnung. Ab ‚ zu viel intus hatte in‘ flog ich raus.

Zitat
Manche von ihnen sah ich bisweilen in der Dämmerung, schnell waren sie, flink, zahlreich.
Ich mag diesen Satz!
Zitat
Er wirkte dagegen wie ihre Materialisierung auf zwei Beinen. Pardon, auf allen vieren, nun war er hingefallen und kroch zum Wegesrand.
Und hier fand ich es ab Pardon witzig, hab den Satz zuvor allerdings nicht verstanden.

Zitat
Das flache Land im Fläming vermochte die Dunkelheit wesentlich besser zu speichern, wie ein endloser Teppich breitete sich die Schwärze aus.
Diesen Satz mag ich auch 😊 den darauf folgenden auch.

Zitat
Blitzschnell schossen ihre beiden Köpfe in Richtung des Tieres, verharrten lauernd.
Ich würde etwas langsameres als den Blitz nehmen, denn diese Bewegung stellte ich mir eben durchaus schmerzhaft vor und traute sie vor allem dem älteren Herren nicht zu. Dennoch ist die Situation witzig.
*Nach dem 1ten Lesen wird diese Stelle nun verständlicher und glaubwürdiger; dennoch rate ich vom blitzschnell ab – oder nur Helene ist blitzschnell, und der Papa hängt etwas hinterher.

Zitat
gesucht wurde nach dem vermissten Radfahrer, Dirk B., 43 J, Schichtarbeiter aus Neuheim.
Oh nein… was ist passiert???

Zitat
„Ihr seid in Neuheim“, sprach sie besänftigend und strich ihm über die Wange.
:verdaechtig:

Zitat
Helena erkannte die Gefahr einer ärztlichen Versorgung, konnte jedoch den Anruf nicht verhindern. `Sie gehört an den Pranger gestellt!` Laut versuchte sie abzuwiegeln: „Er ist voll“. Zu spät.
Wartend standen sie im Kreis um Herrn Papa rum. Lars blickte hoch zum Nachthimmel. Zwischen den beleuchteten Straßenlaternen schwirrten Fledermäuse.
„Hier zwischen Grüna und Neuheim hat man unlängst eine besondere Art von Fledermäusen entdeckt“, entgegnete er unsicher. Ursprünglich wollte Lars am letzten Urlaubstag seiner Anita einen Antrag machen.
Jetzt bin ich verwirrt.
„Er ist voll“. Zu spät. – wieso zu spät? Wofür? Um den Anruf beim Notarzt zu verhindern? Das denke ich irgendwie nicht…
Ich habe zwei Absätze lang auf eine Erklärung für das ‚Zu spät.‘ gewartet und gab es schließlich auf…

Zitat
Lars hatte ein flaues Gefühl und bot schnell seine Hilfe an.
Wobei wäre denn seine Hilfe erforderlich?

Zitat
Helena verneinte, schob die beiden Richtung Ferienwohnung und versicherte, sich weiter um Papa zu kümmern.
Mir fehlt jegliches Bild von der Umgebung …   

Zitat
Im heutigen Einsatz war Dr. Wolf Gerald mitgefahren, ich kannte den jungen Neurologen von unserer Station.
Wieso stecken wir plötzlich in der Ich Perspektive?
Moment …. MOoooOment! Wolf Gerald …?!

Zitat
Er war irritiert. Ist das ein Puls? Ein Date? Schon Mitternacht? Gehirn und Kugelschreiber streikten. Er holte tief Luft und wurde wieder professionell:
Hahaha  :biggrin:

Zitat
„Er ist nachtaktiv, wie ... ein Marder“, scherzte Helena,
hahahaha  :biggrin:

Zitat
„Kein Fenster! Kein Fenster!“ Er verspricht ihr alles, den abgedunkelten Raum aufgrund der penicillinallergischen Überempfindlichkeitsreaktion ihres Vaters auf Licht.
Wer ruft ‚Kein Fenster‘, und wer verspricht etwas? Beides gehört vielleicht nicht zusammen in einen Absatz.

Zitat
- Ich habe Probleme, eine Verbingung zwischen Teil I und Teil II herzustellen. Passen beide zusammen?
Oh, es sind zwei Teile? Ab wann begann Teil 2…?
Ab: ‚In heutigem Einsatz…‘ ?

Zitat
- Kommen Euch `Herr Papa` und Helena komisch vor und wenn, warum? Gibt es eine Vermutung?
Blutschlürfende Bleichgesichter???

Zitat
- sind die Figuren klar dargestellt, vorstellbar? Oder noch zu farblos?
Herr Papa bleibt blass, Helene auch … ich hätte gerne etwas persönliches zu ihr erfahren, das hätte ihr aus meiner Sicht etwas Farbe verpasst. Sammelt sie Briefmarken, besucht einen Buchclub o.ä.? Wo war sie, bevor sie ihren Vater suchen ging? 


Alles in allem fand ich die Geschichte amüsant und musste einige Male wirklich lachen! :D
Bin gespannt auf Teil 2.

Liebe Grüße

Cecilie H

  • Federgewicht
  • **
  • Beiträge: 35
  • Keine Gabe wirkt mächtiger als die Phantasie.
Re: Walk of Fläme
« Antwort #6 am: 03 December 2022, 18:39:09 »
Liebe Juni,

vielen Dank für Deine Inputs. Es ist so hilfreich zu lesen, wo die Defizite sind und "zu wenig Farbe". 
Ich sammele und werde dann die Geschichte überarbeiten.
Schön, dass Du einige mal lachen konntest. So soll es sein  :biggrin:

Teil II ist noch nicht ganz fertig, weil ich unschlüssig bin, wie ich beide Teile kombiniere. Ich arbeite dran!  :glotz:
Euch allen einen schönen zweiten Advent, liebe Grüße von Cecilie

P.S. Du hast die Naturwanderung / survival training bei Paul??? so toll, so authentisch beschrieben, mit Dir würde ich gerne mal so eine Naturwanderung machen :-)

Juni

  • Federhalter
  • ***
  • Beiträge: 188
Re: Walk of Fläme
« Antwort #7 am: 06 December 2022, 12:37:11 »
Es ist so hilfreich zu lesen, wo die Defizite sind und "zu wenig Farbe". 
:biggrin:

Zitat
Teil II ist noch nicht ganz fertig, weil ich unschlüssig bin, wie ich beide Teile kombiniere. Ich arbeite dran!  :glotz:
Hm... auf Anhieb würde ich sagen: Lass sie 'einfach' auf einander folgen   :gruebel:
(Getrennt durch einen oder zwei Absätze)

Zitat
P.S. Du hast die Naturwanderung / survival training bei Paul??? so toll, so authentisch beschrieben, mit Dir würde ich gerne mal so eine Naturwanderung machen :-)
Oh ja! Und dann rösten wir auch Texte!  :flirty:   :whee:
*Das war bei Lionels Geschichte

Liebe Grüße

Cecilie H

  • Federgewicht
  • **
  • Beiträge: 35
  • Keine Gabe wirkt mächtiger als die Phantasie.
Re: Walk of Fläme
« Antwort #8 am: 06 December 2022, 20:50:36 »
Danke  8)