Dann versuche ich mal, konkreter zu werden. Theoretisieren ist ja einfach ...
Die erste Schwierigkeit, der ich da bgegegne, ist schon mal die Tatsache, dass ich, je älter ich werde, umso weniger Bücher wirklich gut finde. Früher hab ich alles gelesen, inklusive Heftchenromane, kein Buch wurde je abgebrochen. Bis ich auf Roald Dahl traf. Schullektüre, Kurzgeschichtensammlung, und ich fand es einfach nur schlecht und den angeblich so unterhaltsamen Roald einfach nur stinkend langweilig. Mein Eindruck war damals so mies, dass ich bis heute keinen Dahl mehr angerührt habe, und auch nicht sehe, dass das noch passieren wird. Ist vermutlich unfair, aber er wird halt auf ewig der erste Autor bleiben, den ich abgebrochen habe.
Das ist, denke ich, bei mir auch mit ein Grund, was ich von einem Buch oder einer Geschichte halte: Die Meinung anderer. Nichts hasse ich mehr als auf dem Cover 10 Lobeshymnen - und kein Wort darüber, um was es im Buch geht. Nur weil Celebrity XY das Buch toll fand, heißt das für mich ja gar nichts. Und leider finde ich tatsächlich vieles, was hoch gelobt wird, eher so Mittelmaß - also in Kenntnis dieser Dinge, nicht a priori abgelehnt.
Massenhaftes Lob für etwas regt meine trotzige Seite an und nimmt mich dann gegen die hochgelobte Sache ein. Game of Thrones ist zB so was. Die halbe Welt im Begeisterungstaumel, und ich bin über Folge 3 nicht drüber gekommen, weil ... ugh. Ich werde das an dieser Stelle nicht vertiefen.
Aber zurück zu Geschichten. Ich mag es, wenn die Geschichte schlauer ist als ich. Deswegen lese und schaue ich zB gern Krimis. Weil ich in dieser Hinsicht echt unfähig bin. Ich könnte keinen anständigen Krimi schreiben, wenn mein Leben davon abhinge.
In einem benachbarten Fahrwasser wie "schlau" liegt bei mir auch die Sprache. Ich mag korrekte Sprache, ich mag es, wenn jemand die Möglichkeiten nutzt, die unsere Sprache bietet. Sprache kann so viel abseits der reinen Wörter. Grammatik enthält so viele Informationen. Ich mag die "nach 5 Sätzen zurück ins Präteritum wechseln"-Fraktion nicht. Wenn meine Erzählzeit das Imperfekt ist, und du etwas erzählst, was vor dieser Zeitebene liegt, dann ist die einzig richtige Zeitform das Plusquamperfekt. Ende-Gelände. Wem das zu umständlich ist, sollte andere Möglichkeiten finden, das zu erzählen. (Als eigenständige Szenen herausgestellte Rückblenden im Imperfekt finde ich zB absolut ok. Aber im Textfluss: Lieber umständlich und korrekt, als gefällig, dafür aber falsch.)
Ich wünschte mir auch mehr Konjunktive, und zwar nicht würde/hätte-Konjunktive, sondern "die schönen". Zum einen ist auch das ein Bedürfnis nach Korrektheit, zum anderen finde ich einfach wirklich, dass sie schön klingen. Und vielleicht liegt's auch an meinem Dialekt, wo der Konjunktiv noch relativ gut am Leben ist.
Und ja, ich sitze vor dem Fernseher und korrigiere laut jeden, der nach "ob" mit einem Indikativ daherkommt.
Ich mag aber auch, wenn nicht nur 08/15-Wörter verwendet werden, sondern auch mal ein paar ausgefallene dazukommen. Natürlich nicht dauernd, das wäre anstrengend, aber immer wieder mal eingestreut, das ist schön. Immer wieder schön sind auch neue Wendungen statt abgedroschener Phrasen.
Beim Thema Logik bin ich bei tlt: Logik MUSS. Es darf gerne blöde, hirnrissite Figuren geben (naja ... "gerne"), aber es muss aus dem restlichen Kontext heraus klar werden, dass das eben hirnrissig ist, und keinesfalls als normal oder akzeptabel betrachtet wird oder werden sollte. Es muss auf eine hirnrissige Tat eine logische Konsequenz erfolgen. Wenn jemand vom Eiffelturm springt, erwarte ich, dass er nicht heile unten landet - Magie und Zeugs mal ausgenommen, aber auch davon erwarte ich ein durchgehendes Regelwerk, wie sie funktionert, was damit möglich ist und was nicht.
Aber vielleicht erwarte ich da zu viel von der Fiktion. Ich meine ... wenn man sich so umsieht in der Welt, sind wir ja umgeben von Leuten, die gewisse Ähnlichkeiten mit Quallen
*) aufweisen, und doch kommen sie unbeschadet durchs Leben, obwohl sie eigentlich schon hundert Mal gegen eine Wand fahren hätten müssen.
Bei Figuren sind für mich weniger die Figuren selbst interessant. Wenn sie mir sympathisch sind - oder wären, wenn es echte Menschen wären - ist mir das lieber, als wenn sie lästige Krätzen sind. Aber wirklich interessant finde ich, wie die Figuren miteinander interagieren. Die Beziehungen, die Wechselwirkungen, das ist für mich sehr viel interessanter als jede Figur für sich genommen je sein könnte. Was wäre Sherlock ohne Watson?
Welche Auswirkungen hat es, wenn A mit B redet? Was, wenn A stattdessen C ins Vertrauen zieht? Wie gehen B und C mit den Informationen um? Welche Seiten des Protagonisten A "bedienen" B und C? Was hat A von diesen Freundschaften? Welche Wendung könnte die Geschichte nehmen, wenn A auf C hört, statt auf B? Da liegen Aberwelten an Möglichkeiten und What-Ifs drinnen. Was wiederum der Spannung dient. Für welche Möglichkeit hat sich der/die Autor/in entschieden?
*) Netzfundstück: "Quallen leben seit Millionen von Jahren ohne Gehirn. Das gibt Hoffnung für manche Menschen."