Liebe LaHallia,
Die fremde Frau war übrigens mein Versuch einer Depersonalisation. Ist wohl nicht gelungen.
Darauf bin ich nicht gekommen, weil ich annahm, Artemisia habe damals bei den Göttern um das Leben ihres Gatten im Tausch für das Leben ihres Kindes gebeten und es nicht einfach nehmen können. Du schreibst ja:
Sie hatte ihnen vor Jahren das Leben eines Königs genommen.
Ich wusste nicht, dass die Götter keine andere Wahl hatten, als auf das Tauschangebot einzugehen.
Die Idee mit der Depersonalisation finde ich interessant. Sie ist nicht ganz leicht umzusetzen, wenn Du bei den Lesenden zu Beginn den gleichen desorientierenden Effekt erzielen willst wie für Artemisia und ihn dennoch bald auflösen willst, damit alle verstehen, was da passiert ist. Einfacher ist es natürlich, wenn Du es von vorneherein klar machst, aber interessanter ist es, wenn Du erst ganz in Artemisias Perspektive bleibst und die Lesenden die Erfahrung teilen können. Vielleicht so:
„Was ist geschehen?“ Die Stimme einer Fremden hallte durch den Raum. Die Frau erhob sich von ihrem Stuhl und trat mit unsicheren Schritten zu den Männern. Die Götter hassten sie und Artemisia erschrak, als sie merkte, dass sie es selbst war.Stil ist bei mir immer als letztes dran.
Das ist auch gut so. Bei mir läuft es ähnlich ab, nur wenn ich mal nicht weiterkomme und manche Abschnitte inhaltlich vollendet sind, fange ich an, daran herum zu feilen. Ist für mich oft ein bisschen wie Gleichungen kürzen, bis die schlankeste Form erreicht ist. Oder für andere vielleicht Stricken. Kann ich mich lange mit beschäftigen
.
„Das wirst du.“ Artemisia wandte ihren Blick zur Türe, als es klopfte.
Falls Du es so meinst, dass es erst klopfte und Artemisia dann den Blick zur Tür wandte, würde ich das Klopfen zuerst erwähnen, zumal „als“ meist Gleichzeitigkeit ausdrückt und dann fehlleiten könnte.
Pisindelis trat in den Raum, die Augen gesenkt. Er knetete seine Hände und wich ihren Blicken aus.
Ausweichen lässt an eine Bewegung denken. Dafür müsste Pisindelis aber den Blick gehoben haben, um einem Blick ausweichen zu können. Ich würde eher sagen, er vermeidet, ihnen in die Augen zu sehen oder mit ihren Blicken konfrontiert zu werden.
Pisindelis hob seinen Blick. Kurz betrachtete er Artemisia, bevor er sich an Maussollos wandte.
Wenn Du das Verb wenden mit der Präposition an gebrauchst, bedeutet es, eine Frage oder Bitte an jemanden zu richten. Du meinst aber, dass er sich hinwendet, also „bevor er sich Maussollos zuwandte“.
Pisindelis hob seinen Blick. Kurz betrachtete er Artemisia, bevor er sich an Maussollos wandte.
Artemisias Herz schlug wild.
Diesen Blick in den Augen des alten Mannes, sie kannte ihn.
„Maussollos“, der alte Mann trat neben ihn, legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie.
Hier wendet sich Pisindelis seinem Freund zu, doch sogleich wird er unterbrochen durch Artemisias innere Prozesse, bevor es dann weitergeht. Vielleicht wäre es besser so:
Pisindelis hob seinen Blick. Artemisias Herz schlug wild.
Diesen Blick in den Augen des alten Mannes, sie kannte ihn.
Kurz betrachtete er Artemisia, bevor er sich Maussollos zuwandte.„Geh“, sagte Maussollos zu Pisindelis und als sie alleine waren, trafen sich ihre Blicke.
In diesem Satz ist von Maussollos und Pisindelis die Rede. Wenn im selben Satz dann von „sie“ gesprochen wird, wirkt es erst, als wären es Maussollos und Pisindelis, von denen die Rede ist, bis den Lesenden einfällt, dass es wohl so gemeint ist, dass Pisindelis den Raum verlassen hat. Also vielleicht eher so:
„Geh“, sagte Maussollos zu Pisindelis und als Maussollos und Artemisia alleine waren, trafen sich ihre Blicke.„Was gibt es, alter Freund?“, fragte Maussollos. Er fuhr fort sein Schwert zu putzen, doch in seiner Stimme klang Sorge.
Er fuhr fort mit dem Putzen, doch wird das Putzen hier gegenüber den Lesenden erstmals erwähnt. Vielleicht wird es im Text vor dem präsentierten Text erwähnt.
Das kleine, graublaue Gesicht des Mädchens verschmolz mit dem pausbäckigen von Lukian
.
Wer ist das Mädchen und woher kommt es plötzlich? Artemisia kann ja nicht gemeint sein, denn sie ist da schon 19 Jahre alt, wenn ich Dich richtig verstanden habe. Bis zu dieser Stelle wird im Text kein Mädchen erwähnt.
Natascha