21 November 2024, 13:50:07

Autor Thema: Eine Handvoll braune Erde_3  (Gelesen 8771 mal)

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tlt

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Eine Handvoll braune Erde_3
« am: 17 August 2022, 10:35:52 »
Hallo,

so, nachdem ich gestern drei Stunden damit verbracht habe, meine überarbeitete Version mit Euren Anmerkungen zu den ersten zwei Kapiteln zu finden (und erfolglos aufgeben habe :grumpy:) kommt jetzt das drittel Kapitel.

Achtung: Ist ein wenig lang, aber ich krieg es nicht unterteilt und zum Rösten trennen will ich es auch nicht.

Fragen kommen am Schluss.

3. Höllenhimmel

Nicks Laune fiel mit jeder Rakete, die in den Himmel stieg und mit jedem Böller, der durch die Nacht dröhnte. Das neue Jahr kroch auf ihn zu und Elli entfernte sich immer weiter von ihm. Nick kämpfte mit der Entscheidung, einfach zu gehen, sich nur zu betrinken und zu bleiben oder sich zu betrinken und es bei einem anderen Mädchen zu versuchen. Die waren ausnahmsweise einmal in der Überzahl. So recht erwärmen konnte er sich für keine der Möglichkeiten. Er entschied sich für Plan Alkohol, gab den aber dann doch schnell wieder auf. Zwei Bier, mehr ging nicht, dann stieg er um auf Cola und aß dafür umso mehr Chips und Minisalamis, die in rauen Mengen in der Küche lagen. Zwischendrin schlich er von Zimmer zu Zimmer, unruhig wie eine Stubenfliege, und stellte fest, dass André der letzte war, mit dem er in diesem Jahr ein Wort gewechselt hatte.

Gegen Mitternacht schwoll der Kampflärm der Pyrosoldaten zu einem infernalischen Krachen an. Die Lichter im Haus waren ausgeschaltet und die meisten Gäste standen draußen und stießen mit Bier und Sekt auf das neue Jahr an. Über eine halbe Stunde lang hatten die Raketen den Himmel tätowiert. Schließlich trieb die Kälte auch die letzten Feuerwerksfans wieder ins Haus.

„Alles Gute!“, rief Elli zu Nick herüber, prostete ihm erst aus der Ferne zu und kam dann doch auf schnellen Schritten in seine Ecke, drückte einen kurzen, nassen Kuss auf seine Backe und knuffte ihn in die Schulter. Sie flüsterte fast: „Ein unheimlich schönes Neues!“ Bevor er etwas erwidern konnte, war sie auch schon wieder weg. „Dir auch ein schönes Unheimliches“, stammelte er ihr hinterher.

Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um zu gehen. Das Blöde war nur: Irgendwie wollte er nun doch nicht. Irgendwas hielt ihn fest, und so suchte er für sich selbst nach einer Ausrede, um zu bleiben. Er wollte schauen, ob das mit Alex und Leon wirklich was Ernstes war. Er wollte noch ein Bier trinken oder wenigstens was essen. Er wollte beim Aufräumen helfen. Alles keine wirklichen Gründe. Das hier vielleicht: Er wollte schon immer mal mit der ersten Straßenbahn am Morgen fahren. Ja, das war gut. Die fuhr um 5 Uhr 18, passte also perfekt, um dann ins Bett zu fallen.

Gegen ein Uhr drehte Alexandra die Musik leiser, um halb zwei war das Bier alle und die meisten gingen. Fuhren mit dem Rad durch Nacht oder ließen sich von ihren Eltern abholen, die gerade auf dem Nachhauseweg waren von irgendeiner Senioren-Party. Um zwei gab’s auch keine Cola mehr. Nick zweifelte, ob sich sein Plan mit der ersten Straßenbahn umsetzen ließ. Um halb drei waren außer ihm nur noch fünf Leute da. Die beiden Liebespaare Alexandra und Leon und Elli und André. Und dann noch Christian, der größte Kiffer der Scene. Chris war ein paar Jahre älter, irgendwann mal von der Schule geflogen und hing seit dem überall dort herum, wo es dunkel und warm war. Wenn man was brauchte, so hieß es, dann fragt man Chris. Ich könnte viel brauchen, dachte Nick. Aber nichts von dem kann der mir besorgen. Für die meisten war Chris einer von den Verrückten in der Stadt. Aber, in dieser Stadt waren die Verrückten schon immer glücklicher als die Normalen. Auf jeden Fall sah Chris aus wie einer, der gerade aus dem Kuckucksnest entsprungen war. Die schwarzen Haare hingen ihm glatt und strähnig ins Gesicht, hinten hatte er sie zu einem Zopf geflochten. Seine letzte Rasur war Monate her, auch wenn das keinen wirklichen Bart hinterlassen hatte und in seinem Gesicht passierte dauernd etwas. Er zuckte mit den Wangenmuskeln und quetschte die Lippen von links nach rechts, er zwinkerte permanent oder leckte sich mit der Zunge über den Mund. Sie saßen zu sechst auf dem Fußboden in der Küche, vertilgten die letzten Chips und warteten, was das neue Jahr wohl bringen würde. 

„Ich hab ne Idee“, quietschte Alexandra, nicht mehr ganz nüchtern und, weil Leon da wohl einen gewissen Entdeckerdrang an den Tag gelegt hatte, auch nicht mehr komplett angezogen. Leon hatte dafür im Gegenzug reichlich von Alex‘ Lippenstift abbekommen. „Ich hab einen tollen Schokoladenkuchen gerettet. Den spendier ich, wenn ihr alle ein wenig beim Aufräumen helft.“
Die Begeisterung war nicht riesig.
„Ich hab ne bessere Idee“, verlautete Chris mit seiner tiefen, dröhnenden Stimme. „Ich mach für euch den Fremdenführer ins neue Jahr. Ich zeig euch was, was ihr noch nie gesehen habt. Ich zeig euch einen Blick in die Zukunft und Vergangenheit zugleich.“
André presst die Luft mit einem Plopp aus seinen Lungen. „Was hast du dann Feines dabei, das wir uns reinpfeifen sollen?“
Chris lachte laut und schlug ihm auf den Schenkel. „No Drugs, no Sex, no Rock’n Roll. Das ist nur was für echte Kerle und Heldinnen. Ein Abenteuer für den Beginn eines fantastischen Jahres. Ihr müsst nur eure Jacken anziehen und mitkommen.“
„Wie? Raus?“ Leon hatte anscheinend keine Lust auf die kalte Nachtluft.
„Bingo, wir machen einen Ausflug auf den Friedhof.“
Warum sie dann aufstanden sind und sich Jacken und Stiefel anzogen, wusste Nick nicht. Auf einmal hielten es alle für eine gute Idee, um drei Uhr morgens am Neujahrstag mit einem Verrückten über den Friedhof zu ziehen. Allerdings: Warum nicht? Es gab auf jeden Fall eine Menge schlechterer Vorschläge, was man um diese Zeit anstellen könnte.
„Sag mal, machst du das professionell?“, erstaunte sich Elli. Sie waren zusammen aus dem Haus über die Straße gelaufen, Chris hatte einen Schlüssel aus der Tasche geholt und das Tor zum Friedhof aufgeschlossen, sie zu einer der größeren Privatgruften geführt, auch diese aufgeschlossen. Nun zog er aus einer Plastiktüte, die er wohl hier selbst platziert hatte, für jeden ein Grablicht.
„Jawohl“, lachte Chris mit seinem Bass, zündete die Kerzen an und verteile sie.
„Also, dann runter mit euch“, befahl er und schob mit einer Leichtigkeit, als wäre es ein Sperrholzbrett, einen Grabstein in der Wand zur Seite. Eine große Öffnung tat sich auf und es schien Nick, als entströme ihr Dunkelheit. So, wie eine Lampe das Licht um sich verbreitete, so verbreitete dieser Eingang Finsternis. Die sechs kleinen Kerzen, welche die Grabkammer bisher erhellten, duckten sich und wurden zu kaum wahrnehmbaren Funken, bereit, sich jederzeit der Dunkelheit zu unterwerfen.

„Du glaubst aber nicht im Ernst, dass ich da runtergehe.“ Alexandra, die die Friedhofstour bisher voll abgefahren fand, machte zwei Schritte rückwärts an den Ausgang der Gruft und Leon kam, nachdem er einen kurzen interessierten Blick in die Tiefe geworfen hat, hinterher. Ist doch was Ernstes mit den beiden, dachte Nick. Den kann ich in der nächsten Zeit also vergessen.
André hatte sich ebenfalls Richtung Ausgang orientiert, aber er zögerte, denn Elli leuchtet mit ihrer Kerze in dieses absonderliche Portal, das sich hier plötzlich aufgetan hatte. Auf einmal wuchs die kleine Flamme auf ihrer Kerze wieder und verbreitet mehr Licht, als man ihr zugetraut hätte. Der Gang war erstaunlich groß und führte wie eine langgezogene Treppe sanft abwärts. Sie schien aus dem Fels gehauen, aber sauber gearbeitet, ganz glatt an den Wänden, trocken und leicht zu begehen.
„Also, ich geh da auch nicht runter“, sage André leise und Nick merkte, wie seine Stimme vor Angst zitterte.
Sehr schön, dachte Nick, der taffe André hat Schiss. Dann zeigen wir ihm mal, wo’s langgeht.
„Hast Recht, das ist nichts für Feiglinge. Du räumst solange die Küche auf und wir schauen uns das hier mal an.“ Er grinste André zu und ging ein paar Schritte in den Gang hinein. Elli kam ohne zu zögern hinterher. André schaute zu den anderen, streckte die Hand dann nach Elli aus und es war nicht sicher, ob er sie da rausziehen wollte oder ihre Hand nehmen, damit er sich sicherer fühlte. Alex und Leon standen immer noch wie angewurzelt außerhalb der Gruft.

„Du kennst den Weg, Chris, also los!“ Nick wollte Bewegung in die Sache bringen. Und er war neugierig. Auf den Mut der anderen und auf seinen eigenen. André nicht. Er riss Elli am Arm nach oben, wollte raus aus dem Gang, raus aus der Gruft und weg von diesem Friedhof. Aber Elli sperrte sich dagegen, um ihr Abenteuer betrogen zu werden. Und oben stand Chris in seinem speckigen schwarzen Ledermantel, verstellte ihm den Weg und stieß ihn schließlich mit einem Fußtritt gegen das Knie zu Boden. André fiel, riss erst Elli und dann auch noch Nick mit.

Einen kurzen Moment lang war da gar nichts. Kein Licht, kein Laut, keine Bewegung. Alle drei Kerzen waren ausgegangen und es war stockdunkel. Nick sog die kalte Luft durch die Zähne ein und versuchte, so den Schmerz zu verarbeiten. Im Fallen hatte sich das flüssige Wachs der Kerze über seine Hand ergossen. Ein paar lange Haare hatten den Weg in seinen Mund gefunden, und der faszinierende Duft von Ellis Parfüm war so nahe bei ihm wie nie vorher. Für einen kurzen Moment vergaß er, warum sie hier auf dem Boden lagen, durcheinander gewürfelt wie Kasperlesfiguren in einer Spielzeugkiste. Seinetwegen hätten sie sogar noch eine Weile so liegenbleiben können. Ellis Kopf lag auf seiner Schulter, ihre Hand spürte er auf seiner Stirn. An das Gewicht von André, der auf seinem Knie lag, würde er sich gewöhnen können.
„Alles in Ordnung?“
„Nichts ist in Ordnung!“ André wälzte sich von seinem Knie herunter und fluchte ununterbrochen. „Verdammt nochmal, Laus, was hast du uns da für eine Scheiße eingebrockt?“
Nick sagte nichts, entschied sich, das Meer der Wohlgerüche zu verlassen und stand vorsichtig auf.

„Hallo!“ Elli rief in die Dunkelheit. Keine Antwort. Dann riefen alle drei: „Chris, du Arsch! Wo bist du?“ „Alex!“ „Leon!“
Nichts. Nicht einmal ein Echo, wie man es eigentlich in so einem Gang erwarten würde.
„Ich ruf die Bullen an“, André holte sein iPhone aus der Tasche und fluchte gleich wieder. „Kein Netz! Los, probiert ihr mal.“
„Nichts“, sagte Elli.
„Auch nichts“, sagte Nick. „Hat niemand ein Feuerzeug?“
André unterbrach seinen Fluchmonolog. „Doch, wenn ich’s nicht verloren hab.“
Endlich, ein Funke flammte auf, aber André zitterte so stark, dass er die Flamme nicht anbekam. Und als er es noch einmal versuchte, bewegte sich plötzlich der Boden unter ihnen. Nick kam sich vor wie auf seinem Skateboard, Elli stieß einen spitzen Schrei aus, und André ließ das Feuerzeug fallen.

„Ein Erdbeben?“, Elli formulierte die Frage vorsichtig. Zu erschreckend wäre der Gedanke, bei einem Erdbeben in dieser verdammten Höhle zu sein. Sie würden lebendig begraben werden. Wenigstens sind wir schon auf dem Friedhof, dachte Nick.
Der Boden bewegte sich weiter auf und ab, hin und her. Aber nicht nur der Boden, rings um sie herum schien alles in Bewegung zu sein und das leichte Grollen, das sie zunächst umgeben hatte, war angewachsen zu einer infernalischen Lärmkulisse. Es knirschte und donnerte, es knallte und schrillte. Als würden riesige Bäume am Stück ausgerissen, als würden Felsen gegeneinander geschleudert und Berge über das Land gezogen. Dann ebbte der Lärm so schnell ab wie er gekommen war. Nur etwas heulte wie eine Sirene. Nicht von fern, ganz nah bei ihnen. André lag auf dem Boden und Nick stieß ihn mit dem Fuß an – die Sirene verstummte.
„Das Feuerzeug“, stammelte er. „Es ist weg.“
Alle drei krochen über den Boden, tasteten in der Dunkelheit, panisch wie Ertrinkende, die im Meer nach einem Stück Holz suchten. Als die Hände längst gefühllos waren, dreckig und aufgerissen von der blinden Suche auf dem Erdboden, stellten sie fest, dass nicht nur das Feuerzeug weg war, sondern auch keiner mehr seine Kerze hatte. Sie setzten sich auf den Boden, Rücken an Rücken, ein Dreigestirn aus Angst, Verzweiflung und Ratlosigkeit, den Kopf auf den Knien und das Herz auch irgendwo in dieser Region.
 „Vielleicht kommt der Mond ja noch, dann sehen wir ein wenig was“, Elli hatte auf jeden Fall ihren Mut noch nicht verloren.
„Der Mond. Wie sollen wir hier den Mond zu sehen bekommen? Wir sind in einer Gruft.“ Andrés zog die Nase hoch und Nick vermutete, dass er geheult hatte. Bloß nicht daran denken, sonst fang ich auch an. Resignation macht kein Licht, philosophierte Nick für sich selbst.
„So, wie wir die Sterne sehen können“, erwiderte Elli trotzig und reckte den Kopf weit in den Nacken. „Ich seh jedenfalls welche.“
André blickte nicht nach oben. „Wir sind hier in der Hölle, die hat keinen Himmel. Was immer das ist, Sterne sind es nicht.“

1.   Bitte nicht mehr über den Titel und die braune Erde nachdenken.
2.   Für die, die den ersten, zweiten oder beide Teile kennen: Ist das für schlüssig im Übergang oder zu heftiger Bruch von der „realen Welt“.
3.   Könnt ihr Euch in die Friedhofsgruft hineinversetzen?
4.   Und in die Gefühlswelt vor allem der drei verbliebenen?
5.   Lesefluss insgesamt? Erbsen gerne. Und alles andere.

Danke schon mal.
Ich bin zu alt für das alles.

eska

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #1 am: 17 August 2022, 17:38:14 »
Hallo tlt;

hier nur ein paar Eindrücke zu Teil 3:

1. Es ist spannend. Ich bin nahe an Nick dran und erinnere mich wieder an Teil 1 - 2 habe ich nicht gelesen.
Ich kann auch gut mit den Figuren aus der normalen Welt in die Gruft mitgehen, das passt zu einer verrückten, etwas alkoholisierten und nach etwas anderem als dem Alltag lechzenden Silvester-Neujahrsnacht von Jugendlichen.

Warum Chris die drei plötzlich nach unten tritt, erschließt sich mir nicht. Muss es aber hier auch noch nicht.

Die Rivalität um Elli, vielleicht bisher nur in Nicks Kopf, ist klar; immerhin ist Elli aber auch nicht Andrés kommentarlose Followerin, es gibt also Chancen.

2. In dem oberirdischen Teil der Gruft hatte ich keine Probleme, allerdings ist mir die Lichtsituation nicht ganz klar (ohne genaues Nachlesen) - kam das Licht alleine von den sechs kleinen Kerzen? Mir schien es da oben nicht sehr dunkel oder flackernd oder so. Wenn doch, sollte Nick das irgendwie bemerken.
Unten ist es stockfinster, sie kriechen auf einem erdigen Boden rum, Wände oder Steinernes habe ich nicht wahrgenommen. Wo sie da gelandet sind, kann ich nicht beurteilen, die Sterne/Nichtsterne haben mich verunsichert, das Beben auch. Aber Verunsicherung ist ja sehr passend, also ok.

3. Da wir die ganze Zeit aus Nicks Perspektive erleben, hat mich dieser Satz rausgerissen:
Alexandra, die die Friedhofstour bisher voll abgefahren fand,

Bei dem hier bin ich nicht ganz sicher, ob das Nicks Wahrnehmung zu Ellis Tonfall sein kann:
„Ein Erdbeben?“, Elli formulierte die Frage vorsichtig. Zu erschreckend wäre der Gedanke, bei einem Erdbeben in dieser verdammten Höhle zu sein. Sie würden lebendig begraben werden. Wenigstens sind wir schon auf dem Friedhof, dachte Nick.

Ich habe nicht geprüft, ob sonst irgendwo die personale Perspektive wegrutscht.

4. Nicks Schmerz kommt unerwartet und dann erst die Erklärung.
Nick sog die kalte Luft durch die Zähne ein und versuchte, so den Schmerz zu verarbeiten. Im Fallen hatte sich das flüssige Wachs der Kerze über seine Hand ergossen.
Gib uns erst das Gefühl: Seine Hand brannte.

5. Sie setzten sich auf den Boden, Rücken an Rücken, ein Dreigestirn aus Angst, Verzweiflung und Ratlosigkeit, den Kopf auf den Knien und das Herz auch irgendwo in dieser Region.
Hier habe ich zwei Probleme: Erstens höre ich hier zuviel Autor von oben, der mich aus der Nähe zu den Charakteren wegholt.
Zweitens habe ich diese Angst und Verzweiflung vorher nicht gespürt. André hatte Angst, Nick und Elli aber bisher nicht, oder? Und bis zur Verzweiflung ist es ein ziemlich weiter Weg, so viel Zeit hatten sie noch nicht. Und bingo, Elli hat gleich im nächsten Satz wieder Mut.

So weit mein erster Eindruck. Hoffe, er nützt.

Gruß,
eska

tlt

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #2 am: 21 August 2022, 16:57:04 »
Hallo eska,
vielen Dank fürs Lesen und die Anmerkungen.

Warum Chris die drei plötzlich nach unten tritt, erschließt sich mir nicht. Muss es aber hier auch noch nicht.
Hm, er will nicht, dass André aus der Gruft rauskommt. Da er aber hiermit (Achtung Spoiler) seine Rolle beendet hat, wollte ich das nicht noch weiter ausbauen.

, allerdings ist mir die Lichtsituation nicht ganz klar (ohne genaues Nachlesen) - kam das Licht alleine von den sechs kleinen Kerzen? Mir schien es da oben nicht sehr dunkel oder flackernd oder so.
Ja, guter Gedanke. Die Gruft wird noch ein wenig gruftiger werden.

,
Nicks Perspektive ..
Ja, das hast Du Recht. Da bin ich auf einmal bei den anderen. Werde ich auf Nick umhummeln.

,
Nicks Schmerz kommt unerwartet und dann erst die Erklärung.
Wird gemacht  :biggrin:

,
Und bis zur Verzweiflung ist es ein ziemlich weiter Weg, so viel Zeit hatten sie noch nicht. Und bingo, Elli hat gleich im nächsten Satz wieder Mut.
Ok, das ging wohl wirklich zu schnell. Werde da versuchen, noch etwas Verzweiflung wachsen zu lassen.

,. Hoffe, er nützt.
Aber klar doch.
Vielen Dank
tlt
Ich bin zu alt für das alles.

diffusSchall

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #3 am: 23 August 2022, 14:06:21 »
Hallo tlt,

erstmal der übliche Disclaimer.
Ich hab eskas Kommentar nicht gelesen, also wird sich da was doppeln.
Kein Anspruch auf Vollständigkeit, was die Erbsen angeht. Da ist mir bestimmt was durchgerauscht.
Und: Mein Blues ist nicht deiner. Nimm dir, was du gebrauchen kannst. Alles andere kann zurück in die Glut.

Zu deinen Fragen:

1) Check
2) Der Anschluss war für mich flüssig, schlüssig, ungebrochen.
3) Nein. Ich habe kein wirkliches Bild von der Gruft. Da hätte ich tatsächlich gerne mehr Eindrücke von dir, damit der Ort individuell wird.
4) Andrés Gefühlswelt kommt bei mir ganz gut an. Ich finde ihn recht stimmig. Sein Zögern auf dem Friedhof ist nachvollziehbar. Mit Nick hab ich sowieso kein Problem. Das funktioniert. Ellie ist das, was sie vorher schon war: etwas blass. Ich kann sie keinem Charaktertypen zu ordnen. Dazu habe ich zu wenig an die Hand bekommen.
5) Lesefluss ist gut. Ich hab keine großen Hakler gehabt. Die ein oder andere Formulierung, die ich anders gemacht hätte, die aber auch nicht stört. Gröberes kommt jetzt eh auf den Teller.

Der Anfang:
Die Laune fällt, die Raketen steigen. Das neue Jahr kommt und Ellie entfernt sich. Das hat mir schon mal sehr gefallen.

... einfach zu gehen, sich nur zu betrinken und zu bleiben oder sich zu betrinken und es bei einem anderen Mädchen zu versuchen.

Ich würde schreiben: ...zu bleiben und sich nur zu betrinken.
Die erste Option ist gehen oder bleiben, deshalb sollte das bleiben vor. Danach dreht es sich um die Bleiben-Optionen und das steht dann so auch beieinander. Wirkt m.M. nach wesentlich stimmiger dann.

Zitat
Er entschied sich für Plan Alkohol, gab den aber dann doch schnell wieder auf. Zwei Bier, mehr ging nicht, dann stieg er um auf Cola und aß dafür umso mehr Chips ...

Da springt die Szene: Erst Alkohol, dann vor auf die schnelle Aufgabe. Wieder zurück zu den zwei Bier und wieder die Aufgabe. Macht keinen Sinn bei mir.
Erzähl erst die Option Alkohol zu Ende: Er entschied sich für Plan Alkohol. Doch schon nach zwei Bier gab er auf und stieg wieder ...

Zitat
Über eine halbe Stunde lang hatten die Raketen den Himmel tätowiert. Schließlich trieb die Kälte auch die letzten Feuerwerksfans wieder ins Haus.

Bleib aktiv, werde nicht passiv: Über eine halbe Stunde lang tätowierten die Raketen den Himmel.
Das Bild vom tätowierten Himmel finde ich klasse.

Zitat
... und kam dann doch auf schnellen Schritten in seine Ecke, ...

Auf schnellen Beinen, aber mit schnellen Schritten.
Ich würde den Satz trennen und hinter Ecke nen Punkt machen. Riecht nach kleinem Bandwurm.

Zitat
Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um zu gehen. Das Blöde war nur: Irgendwie wollte er nun doch nicht.

Kann ja nicht blöde sein, wenn er das jetzt eher so will. Dann ist es so ja jetzt richtig. Es ist vielleicht seltsam, weil er sich umentscheidet.

Zitat
Warum sie dann aufstanden sind und sich ...

Das sind ist zu viel.

Zitat
Alexandra, die die Friedhofstour bisher voll abgefahren fand, ...

Falsche Zeitform: bisher gefunden hatte.

Zitat
... dieses absonderliche Portal, das sich hier plötzlich aufgetan hatte.

Plötzlich? Nö. Chris hat ganz schön dafür geackert, dass es aufgeht.

Zitat
...  und führte wie eine langgezogene Treppe sanft abwärts.

Hats Stufen? Dann: führte als langgezogene Treppe sanft abwärts.

Zitat
Sie schien aus dem Fels gehauen, aber sauber gearbeitet, ...

Auch hier: sei bestimmt, schärfe das Bild. Sie ist aus dem Fels gehauen. Wenn da jemand Zweifel dran hat, dann sollte das begründet sein.

Das Ende finde ich etwas seltsam. Die plötzlich angewendete Gewalt seitens Chris verstehe ich nicht. Warum tritt er die nach unten? Dass Leon und Alex nen Rückzieher machen, nimmt er kommentarlos hin, aber Andre tritt er eine Treppe herunter? Warum?

Und der größte Bock:
Wieso sitzen die drei am Ende im Dunkeln? Die haben doch alle Handys?!
Das habe ich mich sofort gefragt, als die nach einem Streichholz suchen. Würde mir im Leben nicht einfallen, wenn ich eine Taschenlampe in der Hosentasche habe.

Bis auf diese beiden Logikbrocken hast du mich aber mitgenommen.
Weniger durch Gruselstimmung, sondern weil da Handlung ist, weil was passiert.

Ich hoffe, dass bringt dich weiter.

Beste Grüße - Frank
« Letzte Änderung: 23 August 2022, 14:10:49 von diffusSchall »
"All I know is, if you want it all my dear... go out and get it." - Coheed and Cambria

merin

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #4 am: 25 August 2022, 16:14:52 »
Hi tlt,

also erstmal: Ich liebe den Text. Du hast für mich die Stimmung gut eingefangen und sprachlich ist das alles sehr schön. Eigene Bilder, neue Vergleiche ... da gehe ich gern mit. Den ersten größeren Stolperer macht mir wieder eine Zeitform, ein schönes Beispiel für das, was ich in meinem Workshop grad erklären wollte:

Zitat
„Du glaubst aber nicht im Ernst, dass ich da runtergehe.“ Alexandra, die die Friedhofstour bisher voll abgefahren fand, machte zwei Schritte rückwärts an den Ausgang der Gruft und Leon kam, nachdem er einen kurzen interessierten Blick in die Tiefe geworfen hat, hinterher. Ist doch was Ernstes mit den beiden, dachte Nick. Den kann ich in der nächsten Zeit also vergessen.

Da hast du die Erzählzeit und Dinge, die davor liefen. Korrekt wäre:

„Du glaubst aber nicht im Ernst, dass ich da runtergehe.“ Alexandra, die die Friedhofstour bisher voll abgefahren gefunden hatte, machte zwei Schritte rückwärts an den Ausgang der Gruft und Leon kam, nachdem er einen kurzen interessierten Blick in die Tiefe geworfen hatte, hinterher. Ist doch was Ernstes mit den beiden, dachte Nick. Den kann ich in der nächsten Zeit also vergessen.

Zitat
Auf einmal wuchs die kleine Flamme auf ihrer Kerze wieder und verbreitet mehr Licht, als man ihr zugetraut hätte.

Das Komma muss weg.

Das mit den Stellen im Präsens hast du aber gut hinbekommen!

Zitat
„Ich ruf die Bullen an.“ André holte sein iPhone aus der Tasche und fluchte gleich wieder. „Kein Netz! Los, probiert ihr mal.“

Da habe ich nur die Zeichensetzung korrigiert.

Irgendwie lässt der Text hier für mich nach. Die Stimmung kippt ja, als Chris dem anderen Typen einen Kniestoß gibt. Da bin ich schon irritiert, dass Nick so gar nicht darauf reagiert. Aber gut, er ist mit Elli beschäftigt. Dann bin ich irritiert, weil ich nicht schnalle, wer oben ist und wer unten. Und das hier kaufe ich dann leider nicht:

Zitat
„Ein Erdbeben?“, Elli formulierte die Frage vorsichtig. Zu erschreckend wäre der Gedanke, bei einem Erdbeben in dieser verdammten Höhle zu sein. Sie würden lebendig begraben werden. Wenigstens sind wir schon auf dem Friedhof, dachte Nick.
Der Boden bewegte sich weiter auf und ab, hin und her. Aber nicht nur der Boden, rings um sie herum schien alles in Bewegung zu sein und das leichte Grollen, das sie zunächst umgeben hatte, war angewachsen zu einer infernalischen Lärmkulisse.

Vorsichtig formulieren kann sie nur, wenn es ruhig ist und sie Zeit hat. Auch nur dann kann Nick in Ruhe nachdenken. Wenn die hier wirklich noch auf schwankendem Boden sind, dann würde ich das alles nach hinten verschieben. Hier dann erstmal nur: Lärm und ... ja was? Angst? Wut? Erstaunen? Und wabbelt es oder wankt es oder wie?

Zitat
Nur etwas heulte wie eine Sirene. Nicht von fern, ganz nah bei ihnen. André lag auf dem Boden und Nick stieß ihn mit dem Fuß an – die Sirene verstummte.

Hmm. Ich verstehe es beim dritten Mal Lesen, aber erst halte ich es für ein elektronisches Geräusch und verstehe nicht, wieso es von André ausgeht. Und ich verstehe nicht recht, wieso Nick plötzlich so fies zu André ist. Nur um sich hervorzutun? Du verlierst hier die Nähe zu Nick und das finde ich ganz schade. Ich würde genauer überlegen, was Nick wahrnimmt und was nicht und bei ihm bleiben. Und vielleicht kann er André auch sanft anfassen.

Zitat
Alle drei krochen über den Boden, tasteten in der Dunkelheit, panisch wie Ertrinkende, die im Meer nach einem Stück Holz suchten. Als die Hände längst gefühllos waren, dreckig und aufgerissen von der blinden Suche auf dem Erdboden, stellten sie fest, dass nicht nur das Feuerzeug weg war, sondern auch keiner mehr seine Kerze hatte.

Dann kannst du uns auch das hier besser zeigen: wie sie tasten, wie die Hände gegeneinanderstoßen, wie er vielleicht gegen eine Hand stößt, die er für Ellis hält und zwischen Hoffnung und Angst ringt.

Zitat
Sie setzten sich auf den Boden, Rücken an Rücken, ein Dreigestirn aus Angst, Verzweiflung und Ratlosigkeit, den Kopf auf den Knien und das Herz auch irgendwo in dieser Region.

Das klingt, als hätten sie alle drei einen Kopf und ein Herz. Also zusammen eins.

Und: Ich wüsste nun gern, ob das Ganze eine Verbindung zu draußen hat. Okay, nicht nur ich:

Zitat
„Der Mond. Wie sollen wir hier den Mond zu sehen bekommen? Wir sind in einer Gruft.“ Andrés zog die Nase hoch und Nick vermutete, dass er geheult hatte. Bloß nicht daran denken, sonst fang ich auch an. Resignation macht kein Licht, philosophierte Nick für sich selbst.

Hier rückst du wieder an Nick ran, das ist gut. Aber es haut nicht ganz hin: Weinen ist ja nicht das selbe wie Resignation, oder? Und: Ich weiß zu wenig, was sie da jetzt sehen und ob Nick das Gleiche sieht wie Elli.

Zitat
„So, wie wir die Sterne sehen können“, erwiderte Elli trotzig und reckte den Kopf weit in den Nacken. „Ich seh jedenfalls welche.“
André blickte nicht nach oben. „Wir sind hier in der Hölle, die hat keinen Himmel. Was immer das ist, Sterne sind es nicht.“

Da gehst du in eine allwissende Perspektive. Ich würde auch hier wieder bei Nick bleiben. Wie merkt er, wer wohin schaut? Wohin schaut er?

Damit habe ich alle deine Fragen beantwortet, bis auf eine: Den Übergang ins Fiktive. Für mich kommt der sehr unvermittelt und auch unvorbereitet. Das ist wie ein Bruch im Text, von dem ich nicht sicher bin, ob ich ihn mag. Gleichzeitig bleibt in der Schwebe, ob das real ist oder nicht und das ist irgendwie cool, macht mich aber unsicher, wo das hingeht. Auf jeden Fall will ich das Ende wissen.

Meine Schwierigkeit hier ist eher die unklare Perspektive und der unklare Fokus. Nachdem die da alle miteinander liegen, gibt es zu wenig Beziehung zwischen den Dreien. Da braucht es nicht viel, denke ich, aber irgendeine Annäherung zwischen Nick und Elli oder wenigstens die Fantasie dieser sollte da sein, denke ich. Das ist ja dein roter Faden.

So far ...
merin
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #5 am: 28 August 2022, 20:12:02 »
Hallo Frank,
vielen Dank für Deinen Senf. Und ja, das bringt mich weiter.
Zum Beispiel das hier:
Ich habe kein wirkliches Bild von der Gruft. Da hätte ich tatsächlich gerne mehr Eindrücke von dir, damit der Ort individuell wird.
Oder das hier:
Ellie ist das, was sie vorher schon war: etwas blass. Ich kann sie keinem Charaktertypen zu ordnen. Dazu habe ich zu wenig an die Hand bekommen.
Er entschied sich für Plan Alkohol. Doch schon nach zwei Bier gab er auf und stieg wieder ...
Jep
Bleib aktiv, werde nicht passiv: Über eine halbe Stunde lang tätowierten die Raketen den Himmel.
Dann schimpft merin wieder mit mir. Wegen der Zeiten. Glaub ich.
Auf schnellen Beinen, aber mit schnellen Schritten.
Oh ja.
... dieses absonderliche Portal, das sich hier plötzlich aufgetan hatte.
Plötzlich? Nö. Chris hat ganz schön dafür geackert, dass es aufgeht.
Ja, das plötzlich kann weg. Ist eh eher ein „überraschend“.
Hats Stufen? Dann: führte als langgezogene Treppe sanft abwärts. … Sie ist aus dem Fels gehauen. Wenn da jemand Zweifel dran hat, dann sollte das begründet sein.
Ja. Ja.
Die plötzlich angewendete Gewalt seitens Chris verstehe ich nicht. Warum tritt er die nach unten? Dass Leon und Alex nen Rückzieher machen, nimmt er kommentarlos hin, aber Andre tritt er eine Treppe herunter? Warum?
Hm, da bist Du nicht der Einzige, der da Probleme hat. Dabei ist das für mich vollkommen klar. Er muss dafür sorgen, dass das ein paar Leute runtergehen. Und wenn André Ellie rauszieht, dann wird wohl auch Nick folgen. Aber ich kann (mir zumindest nicht vorstellen) nicht die Perspektive wechseln. Da werde ich wohl noch etwas dran arbeiten müssen.
Die Und der größte Bock: Wieso sitzen die drei am Ende im Dunkeln? Die haben doch alle Handys?!
Das habe ich mich sofort gefragt, als die nach einem Streichholz suchen. Würde mir im Leben nicht einfallen, wenn ich eine Taschenlampe in der Hosentasche habe.
Oh, ja. Scheißendreck. Und das mir, als Logik-Apostel. Das kommt davon, wenn man (also ich) zwar ein Handy hat, mit dem gerade mal so telefonieren kann, aber nicht mal weiß, ob es eine Lampe mit drin hat. Also, die Handys müssen draußen bleiben.
Vielen Dank nochmal, das war „erhellend“
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Ich bin zu alt für das alles.

merin

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #6 am: 28 August 2022, 20:21:37 »
Ich? Schimpfen? Niemals!
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

tlt

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #7 am: 28 August 2022, 20:28:12 »
Hallo merin,

Ich liebe den Text.
:daaanke:

Und ja, die Zeiten. Aber das ist doch schon besser geworden, oder?

Da bin ich schon irritiert, dass Nick so gar nicht darauf reagiert. Aber gut, er ist mit Elli beschäftigt. Dann bin ich irritiert, weil ich nicht schnalle, wer oben ist und wer unten.
Ehrlich? Ok, das muss ich mir mal mit Abstand nochmal anschauen. Und der Tritt kommt wohl auch irgendwie zu unmotiviert rüber. Hab noch keine Ahnung, was ich mache.
„Ein Erdbeben?“, Elli formulierte die Frage vorsichtig. … Der Boden bewegte sich weiter auf und ab, hin und her.
Ja, Du hast Recht. Die Reaktionen sind hier zu früh, vor allem Nicks Sarkasmus. Das nimmt auch ein wenig was weg von der Panik, die die drei wohl haben müssten.
Und vielleicht kann er André auch sanft anfassen.
Ja, das genügt. Irgendwie gefällt mir die Sirene eh nicht mehr so gut.

Dann kannst du uns auch das hier besser zeigen: wie sie tasten, wie die Hände gegeneinanderstoßen, wie er vielleicht gegen eine Hand stößt, die er für Ellis hält und zwischen Hoffnung und Angst ringt.
Ja, hier habe ich ein wenig gekürzt, hatte Angst, dass es zu lang wird. Aber inzwischen denke ich, dass das ein wichtiger Teil in dem Kapitel ist.

Das klingt, als hätten sie alle drei einen Kopf und ein Herz. Also zusammen eins.
Ja, so ähnlich würde ich das in dem Moment auch sehen.
Und: Ich wüsste nun gern, ob das Ganze eine Verbindung zu draußen hat. Okay, nicht nur ich:
Und das soll mit Absicht nicht verraten werden. Wobei es dann ja schon relativ schnell aufgeklärt wird.
Da gehst du in eine allwissende Perspektive. Ich würde auch hier wieder bei Nick bleiben. Wie merkt er, wer wohin schaut? Wohin schaut er?
Ok, den Perspektivwechsel hatte ich oben schon. Der passt nicht – da werde ich auf Nick zielen.
Meine Schwierigkeit hier ist eher die unklare Perspektive und der unklare Fokus. Nachdem die da alle miteinander liegen, gibt es zu wenig Beziehung zwischen den Dreien.
Ja, das sehe ich inzwischen auch so. Da werd ich nochmal ran.

Vielen Dank
tlt
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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #8 am: 28 August 2022, 20:29:58 »
Ich? Schimpfen? Niemals!
  :devgrin:

Aber stimmt doch, dann würde die Zeitform nicht stimmen. Oder?
Ich bin zu alt für das alles.

merin

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #9 am: 28 August 2022, 20:35:41 »
Das stimmt. Und es stimmt sogar auch, dass Frank unrecht hat: Er behauptet:

Zitat
Bleib aktiv, werde nicht passiv: Über eine halbe Stunde lang tätowierten die Raketen den Himmel.
Das Bild vom tätowierten Himmel finde ich klasse.

 :klug: Natürlich ist die Sache, wenn sie im PQP steht, wie bei dir, genauso aktiv. Die Veränderung der Zeitform macht nicht aus aktiv passiv oder umgeht und es muss an dieser Stelle korrekterweise ins PQP.

Wo ich Frank aber zustimme: Das Bild ist genial! (Wobei das ja Geschmackssache ist und, ich würde mal behaupten, Grammatik weniger Geschmackssache ist, auch wenn manche Regeln nicht eindeutig anwendbar sind. Das ist aber hier nicht der Fall, die Regeln sind ganz eindeutig, sowohl was Zeitformen, als auch was aktiv und passiv angeht.)
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diffusSchall

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #10 am: 29 August 2022, 08:07:35 »
Die Veränderung der Zeitform macht nicht aus aktiv passiv

Natürlich nicht. Man sollte nachdenken, bevor man was von sich gibt.    :unschuld:
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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #11 am: 29 August 2022, 09:44:32 »
merin, danke für diesen Gedankenstrom deinerseits, das war sehr schön zu lesen. Deine Wortwahl ist echt genial  :devgrin:

Paul

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #12 am: 29 August 2022, 11:09:13 »
Hi tlt

Ich bin etwas spät dran, aber vielleicht hast du ja noch Interesse auf eine weitere Meinung zu deinem Text. Wie immer habe ich die Röstungen der anderen im Vorfeld nicht gelesen.

Erstleseeindruck:

Mir gefällt deine Sprache und deine Art, Szenen anzulegen. Beides hat einen ganz eigenen "flow" und nimmt mich als Leser mit, so dass ich in deine Geschichte eintauche und mich von ihr überall hin entführen lasse.

Was mir gut gefällt: die Geschichte bekommt jetzt im dritten Teil Tempo. Endlich geschieht etwas. Dabei ist mir als Leser noch unklar, wohin sich die Geschichte am Ende hin entwickelt. Wird es eine Fantasy-Geschichte, in der die Jugendlichen in eine unbekannte dunkle Unterwelt eintauchen, eine Horrorgeschichte, bei der sie dort im Grab tödlichen Gefahren ausgesetzt sind oder sind sie "nur" Opfer eines dummen jugendlichen Streichs geworden. Diese Offenheit gefällt mir. (Trotzdem bin ich natürlich neugierig: in welche Richtung soll die Geschichte weitergehen?)

Insgesamt fiel mir beim Lesen auf, dass ich in der zweiten Hälfte doch immer wieder aus der Geschichte herausfiel. Zum einen lag es daran, dass mir die Gedanken und Reaktionen der Protagonisten nicht ganz überzeugend vorkamen. Nick verhielt sich meines Erachtens, als er in das Grab hinabfällt, nicht immer "logisch" im Sinne meines Bildes von ihm (vgl. weiter unten). Auch ist mir die Person von "Chris", dem Antagonisten, zu flach dargestellt. Ich bekomme von ihm einen detaillierten Außeneindruck, aber mir fehlt ein Einblick in seine Motivation. Ist er einfach so abgedreht, dass er so etwas macht? Hat er eine Freude daran, andere zu quälen? Oder folgt er einem heimlichen Plan? Alles ist möglich - und es muss ja auch nicht alles plattgewalzt werden, aber du bietest mir in der jetzigen Fassung eine Spur zu wenig an. So überzeugt er mich als "Bösewicht" nicht, sondern bleibt mir in seinem Verhalten willkürlich.

Insgesamt las ich den Text gern und ging alle Kurven mit ihm mit, auch in die Dunkelheit des Grabes am Ende. Auch wenn für mich die Szene im Grab nicht stimmig dargestellt ist (vgl. weiter unten):

Nun ein paar Einzelbemerkungen:

Du hast schöne Vergleiche:

Zitat
unruhig wie eine Stubenfliege
Zitat
Über eine halbe Stunde lang hatten die Raketen den Himmel tätowiert

Den folgenden Vergleich versteht nur, wer den Film oder das Buch gelesen hat. Von daher finde ich ihn grenzwertig:

Zitat
Auf jeden Fall sah Chris aus wie einer, der gerade aus dem Kuckucksnest entsprungen war

Den nächsten finde ich toll, aber er "doppelt" sich für mich:

Zitat
Die sechs kleinen Kerzen, welche die Grabkammer bisher erhellten, duckten sich und wurden zu kaum wahrnehmbaren Funken, bereit, sich jederzeit der Dunkelheit zu unterwerfen.

Vorschlag: Die sechs kleinen Kerzen, welche die Grabkammer bisher erhellten, duckten sich unter der Dunkelheit, so dass sie immer kleiner wurden, bis von ihrem Licht kaum noch etwas zu sehen war.

Du leitest die Grabszene toll ein:

Zitat
Sie flüsterte fast: „Ein unheimlich schönes Neues!“ Bevor er etwas erwidern konnte, war sie auch schon wieder weg. „Dir auch ein schönes Unheimliches“, stammelte er ihr hinterher.

Zitat
„Ich hab ne bessere Idee“, verlautete Chris mit seiner tiefen, dröhnenden Stimme. „Ich mach für euch den Fremdenführer ins neue Jahr. Ich zeig euch was, was ihr noch nie gesehen habt. Ich zeig euch einen Blick in die Zukunft und Vergangenheit zugleich.“

Doch wenn die Szene am Grab losgeht, bist du mir eine Spur zu schnell:

Zitat
Nun zog er aus einer Plastiktüte, die er wohl hier selbst platziert hatte, für jeden ein Grablicht.

Das kommt mir eine Spur zu unvermittelt. Als hätte er alles schon vorher von langer Hand geplant, was mich aber nicht so richtig überzeugt (Warum hat er so viele Lichter vorrätig?).

Zitat
schob mit einer Leichtigkeit, als wäre es ein Sperrholzbrett, einen Grabstein in der Wand zur Seite.

Auch das geht mir eine Spur zu einfach, als wäre Chris ein Vampir oder, oder, oder ...
 
Zitat
Und oben stand Chris in seinem speckigen schwarzen Ledermantel, verstellte ihm den Weg und stieß ihn schließlich mit einem Fußtritt gegen das Knie zu Boden.


Diese Brutalität passt nicht in die Geschichte. D.h. hier müsste Nick - nach dem ersten Schock - sich viel mehr über Chris wundern und sich über ihn aufregen. Ebenso André. Dazu müsste Elli Mitleid mit André haben, der geschlagen wurde.

Zitat
Ein paar lange Haare hatten den Weg in seinen Mund gefunden, und der faszinierende Duft von Ellis Parfüm war so nahe bei ihm wie nie vorher. Für einen kurzen Moment vergaß er, warum sie hier auf dem Boden lagen, durcheinander gewürfelt wie Kasperlesfiguren in einer Spielzeugkiste.


Bei allen hormongeplagten Jugendlichen: so richtig nehme ich Nick diese Reaktion nicht ab. Auch der Vergleich mit den Kasperlesfiguren passt m.E. nicht so ganz.

Zitat
Seinetwegen hätten sie sogar noch eine Weile so liegenbleiben können. Ellis Kopf lag auf seiner Schulter, ihre Hand spürte er auf seiner Stirn. An das Gewicht von André, der auf seinem Knie lag, würde er sich gewöhnen können.

Hier kippt die Szene für mich endgültig ins Absurde. Das passt nicht zu dem Grab und dem Tritt von Chris.

Zitat
„Nichts ist in Ordnung!“ André wälzte sich von seinem Knie herunter und fluchte ununterbrochen. „Verdammt nochmal, Laus, was hast du uns da für eine Scheiße eingebrockt?“

Warum reibt sich André nicht erst mal die Stelle, an der er den Tritt erhalten hat und regt sich über Chris auf?

Zitat
Nick sagte nichts, entschied sich, das Meer der Wohlgerüche zu verlassen und stand vorsichtig auf.

Für mein Gefühl geht es Nick hier viel zu gut. Wo ist seine Angst?

Auch die folgende Szene kommt mir eine Spur zu schnell:

Zitat
„Hallo!“ Elli rief in die Dunkelheit. Keine Antwort. Dann riefen alle drei: „Chris, du Arsch! Wo bist du?“ „Alex!“ „Leon!“
Nichts. Nicht einmal ein Echo, wie man es eigentlich in so einem Gang erwarten würde.

Wo ist ihre Angst? Ihre Wut auf Chris?

Zitat
Und als er es noch einmal versuchte, bewegte sich plötzlich der Boden unter ihnen. Nick kam sich vor wie auf seinem Skateboard, Elli stieß einen spitzen Schrei aus, und André ließ das Feuerzeug fallen.

Hier kommt ein nächstes "Horrorelement" in die Geschichte hinein. Es passt nicht und überrascht alle. Von daher müssten die Figuren mit viel mehr Panik reagieren. Schließlich sind sie unter der Erde eingeschlossen und können dort jederzeit verschüttet werden.

Zitat
„Ein Erdbeben?“, Elli formulierte die Frage vorsichtig. Zu erschreckend wäre der Gedanke, bei einem Erdbeben in dieser verdammten Höhle zu sein. Sie würden lebendig begraben werden. Wenigstens sind wir schon auf dem Friedhof, dachte Nick.

Das ist mir viel zu "vorsichtig". Hier wäre bei drei Jugendlichen echte Panik angesagt. Nick ist fast schon analytisch kühl, als wäre er gar nicht mit dabei, sondern sähe dem Ganzen nur von außen zu.

Zitat
Der Boden bewegte sich weiter auf und ab, hin und her. Aber nicht nur der Boden, rings um sie herum schien alles in Bewegung zu sein und das leichte Grollen, das sie zunächst umgeben hatte, war angewachsen zu einer infernalischen Lärmkulisse. Es knirschte und donnerte, es knallte und schrillte. Als würden riesige Bäume am Stück ausgerissen, als würden Felsen gegeneinander geschleudert und Berge über das Land gezogen. Dann ebbte der Lärm so schnell ab wie er gekommen war. Nur etwas heulte wie eine Sirene. Nicht von fern, ganz nah bei ihnen.

Du nimmst dir ganz viel Zeit, um zu schildern, was mit der Umwelt geschieht. Ein echter Horror. Doch wo sind dabei deine Protagonisten? Was geschieht mit ihnen?

Zitat
André lag auf dem Boden und Nick stieß ihn mit dem Fuß an – die Sirene verstummte.

Wie kommt André auf den Boden? Warum ist Nick so cool? - und das Gebrüll eines Jungen mit einer Sirene zu vergleichen, passt als Vergleich m.E. nicht ganz.

Zitat
„Das Feuerzeug“, stammelte er. „Es ist weg.“

Gerade ist die halbe Welt untergegangen und André sucht sein Feuerzeug? Mich überzeugt das nicht.

Zitat
Alle drei krochen über den Boden, tasteten in der Dunkelheit, panisch wie Ertrinkende, die im Meer nach einem Stück Holz suchten.

Auch das geht für mich viel zu schnell. Du beschreibst die Handlungen, aber nicht die Gefühle von Nick, der die Geschichte erlebt.

Zitat
Als die Hände längst gefühllos waren, dreckig und aufgerissen von der blinden Suche auf dem Erdboden, stellten sie fest, dass nicht nur das Feuerzeug weg war, sondern auch keiner mehr seine Kerze hatte.

Dass die Kerzen aus und weg waren, musst du m.E. vorher schon schildern. Vgl. oben: Wo sind deine Protagonisten? Hier kommt die Reihenfolge abhanden.

Zitat
Sie setzten sich auf den Boden, Rücken an Rücken, ein Dreigestirn aus Angst, Verzweiflung und Ratlosigkeit, den Kopf auf den Knien und das Herz auch irgendwo in dieser Region.

Das passt, doch was danach kommt, hat für mich wieder - angesichts der Situation der Protas - viel zu wenig Panik:

Zitat
„Vielleicht kommt der Mond ja noch, dann sehen wir ein wenig was“, Elli hatte auf jeden Fall ihren Mut noch nicht verloren.
„Der Mond. Wie sollen wir hier den Mond zu sehen bekommen? Wir sind in einer Gruft.“ Andrés zog die Nase hoch und Nick vermutete, dass er geheult hatte. Bloß nicht daran denken, sonst fang ich auch an. Resignation macht kein Licht, philosophierte Nick für sich selbst.

Fazit:
Bei der Grabszene stimmt für mich vieles noch nicht. Du bist m.E. nicht bei den Protas und ihren Gefühlen. Sie reagieren angsichts der von dir geschilderten Situation viel zu kühl und zu schnell.

Zu deinen Fragen:

1.   Bitte nicht mehr über den Titel und die braune Erde nachdenken.
      Ist o.k.
2.   Für die, die den ersten, zweiten oder beide Teile kennen: Ist das für schlüssig im Übergang oder zu heftiger Bruch von der „realen Welt“.
      Bei deiner Sprache und einer Einführung in die Person Nicks folge ich dir überall hin.
3.   Könnt ihr Euch in die Friedhofsgruft hineinversetzen?
      Im Prinzip ja, doch verhalten sich die Protas dort nicht angemessen.
4.   Und in die Gefühlswelt vor allem der drei verbliebenen?
      Die Gefühlswelt passt im ersten Teil - im Grab funktioniert es m.E. nicht.
5.   Lesefluss insgesamt? Erbsen gerne. Und alles andere.
      Die Geschichte läuft sprachlich sehr gut. Nur bist du im Grab nicht bei deinen Protas.

Dir alles Gute

 ::) Paul

Danke schon mal.
« Letzte Änderung: 29 August 2022, 11:11:05 von Paul »
"Es ist besser, einige der Fragen zu kennen, als alle Antworten." (James Thurber)

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #13 am: 31 August 2022, 19:57:59 »
Hallo Paul,
spät schreibst Du, aber Du schreibst. Um mich mal bei einem Kollegen zu bedienen. Und die Geschichte ist so alt, die hat keine Eile. Also, da mach Dir mal keine Gedanken.

Dabei ist mir als Leser noch unklar, wohin sich die Geschichte am Ende hin entwickelt.
Das ist, zugegeben, so gewollt. Die meisten meiner Geschichten machen früher oder später einen ziemlichen Bogen. Ich kann nicht anders. Das ist aber, auch das muss ich zugeben, für viele Leser ein Problem.

Auch ist mir die Person von "Chris", dem Antagonisten, zu flach dargestellt. Ich bekomme von ihm einen detaillierten Außeneindruck, aber mir fehlt ein Einblick in seine Motivation. …, sondern bleibt mir in seinem Verhalten willkürlich.
Mit Nick kann ich nicht folgen. Der hat, zumindest meiner Meinung nach, eine ganz klare unklare Linie. Der ist nunmal ein unsicherer, leicht verliebter Teenager und kein geborener Held. Mit Chris hab ich auch so meine Problem. Aber der hat (Achtung: Spoiler) mit dieser Szene seine Schuldigkeit getan. Den will ich gar nicht größer machen. Und seine „Motivation“ können sich die Leser (ein wenig später) selbst ausdenken.

Den nächsten finde ich toll, aber er "doppelt" sich für mich:
Die sechs kleinen Kerzen, welche die Grabkammer bisher erhellten, duckten sich und wurden zu kaum wahrnehmbaren Funken, bereit, sich jederzeit der Dunkelheit zu unterwerfen.
Vorschlag: Die sechs kleinen Kerzen, welche die Grabkammer bisher erhellten, duckten sich unter der Dunkelheit, so dass sie immer kleiner wurden, bis von ihrem Licht kaum noch etwas zu sehen war.
Da bleibe ich bei meinem, der drückt auch ein wenig was anderes aus.

Das kommt mir eine Spur zu unvermittelt. Als hätte er alles schon vorher von langer Hand geplant, was mich aber nicht so richtig überzeugt (Warum hat er so viele Lichter vorrätig?).
Weil er „Zukunft und Vergangenheit“ zeigen kann. Ich denke, dann hat man auch sechs Grablichter bereit, wenn man sie braucht.

„… schob mit einer Leichtigkeit, als wäre es ein Sperrholzbrett, einen Grabstein in der Wand zur Seite.“
  Auch das geht mir eine Spur zu einfach, als wäre Chris ein Vampir oder, oder, oder ...
Genau. Oder …
  Diese Brutalität passt nicht in die Geschichte. D.h. hier müsste Nick - nach dem ersten Schock - sich viel mehr über Chris wundern und sich über ihn aufregen. Ebenso André. Dazu müsste Elli Mitleid mit André haben, der geschlagen wurde.
Ja, das stört wohl allgemein. Werde ich mir Gedanken drüber machen.

„Ein paar lange Haare hatten den Weg in seinen Mund gefunden, und der faszinierende Duft von Ellis Parfüm war so nahe bei ihm wie nie vorher. Für einen kurzen Moment vergaß er, warum sie hier auf dem Boden lagen, durcheinander gewürfelt wie Kasperlesfiguren in einer Spielzeugkiste.“
  Bei allen hormongeplagten Jugendlichen: so richtig nehme ich Nick diese Reaktion nicht ab. Auch der Vergleich mit den Kasperlesfiguren passt m.E. nicht so ganz.
Echt nicht? Ich glaube, dass so ein kurzer Moment da schon passieren darf.

„Seinetwegen hätten sie sogar noch eine Weile so liegenbleiben können. Ellis Kopf lag auf seiner Schulter, ihre Hand spürte er auf seiner Stirn. An das Gewicht von André, der auf seinem Knie lag, würde er sich gewöhnen können.“
  Hier kippt die Szene für mich endgültig ins Absurde. Das passt nicht zu dem Grab und dem Tritt von Chris.
Die Liebe ist ein Hemd aus Feuer. Nein, im Ernst. Ich will damit auch zeigen, dass er das, was hier passiert ist, noch gar nicht ganz erfasst hat. Weil so was gar nicht passieren kann. Und deshalb nimmt er alles, was daran für ihn positiv ist, einfach mal mit.

  Für mein Gefühl geht es Nick hier viel zu gut. Wo ist seine Angst?
Siehe oben. Die Angst kommt noch.

  Hier kommt ein nächstes "Horrorelement" in die Geschichte hinein. Es passt nicht und überrascht alle. Von daher müssten die Figuren mit viel mehr Panik reagieren. Schließlich sind sie unter der Erde eingeschlossen und können dort jederzeit verschüttet werden. … Ein echter Horror. Doch wo sind dabei deine Protagonisten? Was geschieht mit ihnen?
 
Ja, das werde ich wohl noch etwas intensiver erleben lassen müssen.

„Das Feuerzeug“, stammelte er. „Es ist weg.“
  Gerade ist die halbe Welt untergegangen und André sucht sein Feuerzeug? Mich überzeugt das nicht.
Mich schon. Erstens als Übersprunghandlung. Zweitens weil es dunkel ist. Sie sind im visuellen Nichts. Da will man sehen, was da los ist. Wenigstens das.

„Als die Hände längst gefühllos waren, dreckig und aufgerissen von der blinden Suche auf dem Erdboden, stellten sie fest, dass nicht nur das Feuerzeug weg war, sondern auch keiner mehr seine Kerze hatte.“
  Dass die Kerzen aus und weg waren, musst du m.E. vorher schon schildern. Vgl. oben: Wo sind deine Protagonisten? Hier kommt die Reihenfolge abhanden.
Äh, nein. Aus ja, weg nicht. Aber ich schau mir das nochmal an.

Vielen Dank auch Dir, das bringt mich auf jeden Fall ein Stück weiter.
tlt
Ich bin zu alt für das alles.

Paul

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Re: Eine Handvoll braune Erde_3
« Antwort #14 am: 01 September 2022, 12:16:36 »
Hi Tlt

Ich sehe, so ganz bist du von meinen Anmerkungen nicht begeistert. Das ist ok so. Nimm dir, was du brauchen kannst. Trotzdem gebe ich dir noch einmal zwei Anmerkungen mit:

Wenn sich Chris als Antagonist in dieser Szene so wenig nachvollziebar und auch so gewalttätig benimmt, braucht es m.E. dafür entweder eine "Erklärung" in der Geschichte oder aber ein umgekehrtes Staunen und sich Wundern der Protagonisten, damit die Geschichte in sich stimmig ist.

Und: sieh dir die Szene im Grab noch einmal genauer an. Du bist m.E. weit ab von den Gefühlen, die Jugendliche normalerweise in dieser Situation im Dunkeln haben. So cool sind die in dem Alter nicht. Auch nicht bei allen Überflutungen durch irgendwelche Liebeshormone.

Paul  ;)

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