Ich belebe diesen Thread einmal mit einem zweiten Buchtipp:
"Schreiben mit ChatGPT für Autorinnen und Autoren" von Sandra Uschtrin
Die Autorin wird nicht wenigen Schreibenden bekannt sein:
Sie ist u.a. Herausgeberin der beiden Fachzeitschriften "
Federwelt" und "
der selfpublisher".
In dem 164 Seiten
starken Taschenbuch (auch eBook) zeigt sie sich am Puls der Zeit horchend. Denn das Themengebiet Künstliche Intelligenz bewegt zurzeit die öffentliche Meinung sehr.
Dabei geht es Uschtrin jedoch bewusst nicht darum, in dem Themen-Canon mitzumischen, der sich um die Problematik von KI-erstellten Gesamttexten (Kurzgeschichten, Romanen - also die KI als Autor) gebildet hat. Die Gefahren werden eingangs kurz thematisiert. Primär, um das im vorliegenden Buch bearbeitete Anliegen von dieser allgemein geführten Diskussion abzugrenzen, denn der Untertitel des Buches lautet: Von der Ideenfindung bis zur Vermarktung.
Uschtrin hinterfragt am Beispiel von ChatGPT den Nutzen, den ein KI-System als Werkzeug, als Unterstützer, für Autorinnen und Autoren bei deren Kreativarbeit darstellen kann. Es steht nicht vorrangig der Punkt im Raum, wie wertvoll die Texte selbst in ihrer Qualität sind, die die KI verfasst, sondern wie wertvoll der Output des Systems für den Kreativprozess einer Autorin, eines Autors, sein kann.
Das Buch ist eine Art Werkstattbericht. Uschtrin erarbeitet sich schrittweise ein Fallbeispiel. Streng genommen sogar zwei, denn das vorliegende Sachbuch ist ebenfalls ein Projekt, dass sie u.a. mit Hilfe der KI erstellt hat. Aber primär konzipiert sie einen Liebesroman und das aus gutem Grund: Das Genre steht bei ihr selbst nicht oben auf der Affinitätsliste, was Hilfestellungen der KI u.U. noch deutlicher aufzeigt.
Die Autorin umreißt eine kurze Absichtserklärung, indem sie das Genre bestimmt, die Hauptprotagonisten und den Handlungsort festlegt. Dann lässt sie sich knappe Plotvorschläge von der KI machen, entscheidet sich für eine Marschrichtung und … ab hier wird das Spiel mit der KI interessant:
Uschtrin zeigt, wie sie die KI als Sparingspartner bei der Plotausarbeitung benutzt. Sie greift immer wieder bestimmend ein, gibt die Richtung der Geschichte vor, die Entwicklung der Charaktere. Es entspinnt sich ein Frage-Antwort-Spiel, bei dem die KI mit ihrem Output den Ball an Uschtrin spielt und die diesen mit Gewichtungen, Weichenstellungen und neuem eigenen Kreativinput zurückgibt, worauf wiederum die KI reagiert. Bis am Ende tatsächlich ein verfeinerter Arbeitsplot entsteht. Das Ergebnis lässt die Autorin sich dann von der KI in gängige Plotstrukturen und eine geschriebene Mindmap übersetzen.
Das Ganze geht gut nachvollziehbar und enorm flott vonstatten und zeigt deutlich, wo der Benefit der gemeinsamen (!) Arbeit mit der KI liegt.
Uschtrin zeigt zudem andere Beispiele des KI-Einsatzes, z.B. beim Experiment mit Erzählperspektiven, dem Um- und Übersetzen von Dialogen in charakterisierende Stile und sogar Mundarten.
Und sie zeigt Schwächen und Fallstricke auf, dokumentiert den emotionalen Malus des Systems ebenso, wie das Fantasieren der KI, dem kreativen Auffüllen einer Antwort mit Pseudowahrheiten.
Im letzten Teil muss die KI sich dann als Lieferant von Exposé, Klappen- und Werbetexten beweisen. Hier läuft das Buch in Ausblicke und Beispiele aus, verliert zwangsläufig das Konkrete des umfangreicheren ersten Teils. Was nicht weiter verwundert, dann Uschtrin hat den Liebesroman noch nicht verfasst und lässt die KI lediglich mit dem Plotentwurf arbeiten. Aber man bekommt eine Idee, einen Ausblick, wie die Ki auch hier den Kreativkopf antreiben kann.
„Schreiben mit ChatGPT …“ ist als Werkstattbericht so plastisch, dass es auch locker als Arbeitsbuch verwendet werden kann, denn all die Bespiele der Autorin sind in ChatGPT nachstellbar. Es kann als erster Leitfaden dienen. Trotz der Überschaubarkeit des Werkes, ist es erstaunlich komplett geraten, weil es sich auf wesentliche Punkte der Arbeit mit der KI beschränkt und nicht abschweift.
Den größten Nutzen dürften Autorinnen und Autoren haben, die sich noch gar nicht mit der KI und ihren Möglichkeiten beschäftigt haben. Da wird der einen oder dem anderen sicher ein Auge geöffnet.
Ich selbst las das Buch, nachdem ich mich bereits einen intensiven Tag lang mit ChatGPT beschäftigt und mir den Kern der hier gezeigten Möglichkeiten bereits erarbeitet hatte. Trotzdem war diese zweite Perspektive, Uschtrins eigene Herangehensweise, informativ und unterhaltsam. Ich kann dem Werk von daher für den Inhalt eine Empfehlung aussprechen.
Den aufgerufenen Preis von 16,99 Euro für die Printausgabe möchte ich am Ende nicht verschweigen, denn den empfinde ich schon als recht geschäftstüchtig. Ein Seitenpreis von rund 10 Cent: da muss sich ein/e Verleger/in schon einmal für rechtfertigen. Zumal der Kern des Werkes sich an einem intensiven Wochenende erarbeiten lässt. Da lockt das eBook zum Preis von 6,99 Euro den einen oder die andere wahrscheinlich eher.
Ob einem das Büchlein die Summe wer ist, muss man letztlich individuell entscheiden, denn mit dieser Art der Aufarbeitung des Themas KI, steht es zur Zeit allein da. Einen Gegenwert erhält man allemal.
Verlagsseite:
Schreiben mit ChatGPT für Autorinnen und Autoren - Sandra Uschtrin | Uschtrin Verlag