Hallo Marie
Anbei ein paar Eindrücke und Rückmeldungen zu deinem Text, die Antwort auf deine Frage kommt am Ende:
Man begrüßte uns freundlich
Wer ist "Man"? Der Kellner am Eingang? Die Empfangsdame des Restaurants? Details machen eine Szene lebendiger
... und wies uns einen kleinen Tisch zu. Die Einrichtung war einfach. Plastiktischdecken, in Papierservietten eingewickeltes Besteck.
Die Beschreibung läuft bei mir. Bis hierher folge ich dir als Leser ins Restaurant.
Den süffigen Tafelwein tranken wir aus kleinen Humpen, die an Senfgläser erinnerten.
Da flog ich raus. Vielleicht, weil du mir mit dem süffigen Tafelwein ein Klischee mit auf den Weg gibst, aber ich glaube, der eigentliche Grund liegt darin, dass du mich als Leser aus der Reihenfolge hinauswirfst.
Zuerst sehe ich mich mit dir noch im Restaurant um, ich sehe die einfache Einrichtung, die Plastiktischdecken und dann weiß ich auf einmal, dass der Tafelwein süffig ist, ohne dass ich ihn eingeschenkt bekommen habe und aus dem Glas getrunken habe. Irgendwie läuft das bei mir nicht. Weil die Reihenfolge nicht stimmt.
Vorschlag. Es gab Wein in kleinen Humpen, die an Senfgläser erinnerten. Der Wein war nichts besonderes. Normaler Tafelwein, aber er trank sich süffig.
So könnte ich mit dir weiter mitgehen.
Stimmengewirr drang in meine Ohren und ließ uns näher zusammenrücken. „C´est très bon …“, „…attendre …“. Leute klapperten mit Besteck, während sie aßen. Ein Kellner wuselte herum, Geschirr schlug beim Abräumen gegeneinander. Lachen brandete auf.
Hier hast du mich endgültig verloren. Das Ganze ist mir ab hier viel zu sehr eine Beobachtung von außen. Doch was ist mit dem Protagonisten / der Protagonistin und ihren Freunden, ihrer Familie? Reden sie nichts? Sitzen sie nur schweigend da und beobachten sie die ganze Zeit nur das Treiben um sich herum?
Alternative: Während ich mich mit meinen Freunden unterhielt, horchte ich mit einem halben Ohr auf das Stimmengewirr ...
Irgendwie bräuchte ich hier mehr von deiner Hauptperson. Vielleicht auch etwas, was sie sagt / er sagt und die Menschen, die mit am Tisch sitzen.
Als der geschmorte Coq au Vin kam, hatten wir längst Unmengen des frischen lauwarmen Baguettes mit Rillettes gegessen. Zum Schluss blieb doch noch ein klitzekleines bisschen Platz, für Crème Brûlée. Sie wurde heiß serviert und wir klopften mit unserem Löffel auf die Karamellkruste, bis sie knackend nachgab und den Geruch von echter Vanille freigab.
Alle essen, aber keiner sagt etwas. Das Schema setzt sich fort. Ich weiß als Leser nicht, was ich mit der Szene anfangen soll. Ist es ein Kochbericht? Dann hätte ich gern das Rezept für den Coq au Vin. Geht es um die Freunde? Warum weiß ich dann nicht, wer dieses "wir" ist und was sie sagen?
Fazit:Ich denke, dass das Stück aus dem größeren Zusammenhang gerissen ist. Trotzdem bleibt der Textabschnitt m.E. in sich relativ flach erzählt. Das Essen spielt eine große Rolle, das Restaurant ebenfalls, die Personen, die darin vorkommen, glänzen dagegen durch Abwesenheit. Das macht es für mich schwierig, in den Text hineinzukommen. Mir fehlen darin die Personen.
Von daher muss ich dir leider auf deine Frage, ob mich die Szene anspricht, die Antwort geben: Sie spricht mich am Anfang noch etwas an, doch falle ich danach recht schnell aus ihr heraus. Am Ende bin ich dann weder mittendrin noch dabei, sondern leider ausgestiegen.
Ich hoffe, meine Rückmeldungen helfen dir.
Paul