Teufelsrost > Höllenfenster
Das Land der Ahnungslosen
tlt:
Hallo The_Reptilian,
vorweg: Also, ich bin: pedantisch, logikvernarrt, sarkastisch, ironisch, manchmal überkritisch, direkt und hartnäckig bis zur Lästigkeit. Was ich (hoffentlich) nie bin, ist herablassend. Das ist auch bei der "Wortwahl", dass der Weltenbau "drumherum gesponnen ist" so. Im Ernst, der Weltenbau ist das, was ich am interessantesten an der ganzen Geschichte finde. Nur findet er in der Geschichte selbst gar nicht statt. Für Deine Geschichte ist es ganz egal, was drumrum ist, war, sein wird - sie findet in der "Blase Berlin" statt.
Die Sprache. Ein Beispiel in einem Satz:
--- Zitat ---Weil die Politiker die Probleme der Heimatstadt des Protagonisten nicht lösen, beschließt er, sie selbst zu lösen.
--- Ende Zitat ---
Abgesehen davon, dass es das nicht trifft, was später kommt, ist hier eine falsche Kongruenz und eine unschöne Wortwiederholung.
Noch einer:
--- Zitat ---Die Sonne scheint auf den Scrap-Berliner Alexanderplatz an einem Sonntag des Jahres 2080, es herrscht einer außergewöhnliche Rattenplage.
--- Ende Zitat ---
Ich bleibe bei meiner Meinung, dass das Finale "Ab sofort ungiftige Köder" und "Reptilien können wieder Ratten fressen" einfach zu kurz gesprungen ist.
Die integrationsunwilligen Ausländer und die Clans fallen da natürlich ins Phrasenschwein. Und aus dem Logikraster. Diese Gruppierungen zieht es nicht in Gegenden, die seit Jahrzehnten auf dem absteigenden Ast sind. Die gehen in die wohlhabenden Länder.
Viskey:
Hey, Reptilian!
Ich denke, viel Verwirrung entsteht schon mal dadurch, dass du hier etwas als Exposé präsentierst, das kein Exposé ist. In einem Exposé wird nichts verschwiegen, da gibt es keine "Wird XY es schaffen?"-Passagen, sondern da wird klipp und klar gesagt: "XY sitzt in der Scheiße, und so und so und so kommt er da wieder heraus."
Ich als Leser eines Exposés kann die Qualität der vorgestellten Geschichte nicht beurteilen, wenn mir Teile davon vorenthalten werden und ich auf meine eigenen Spekulationen angewiesen bin.
Ich bin jetzt bei einer Schnellsuche im Forum auf keinen Thread gestoßen, wo das Thema behandelt wird, obwohl ich mir sicher bin, dass wir das schon irgendwo haben. Wenn nicht, wird es höchste Zeit, dass wir das mal nachholen.
--- Zitat von: The_Reptilian am 12 August 2021, 14:13:18 ---Ich habe meine Geschichte so angelegt, dass sich möglichst viele Menschen dafür interessieren.
--- Ende Zitat ---
Die Zielgruppe hat erst mal nichts damit zu tun, wieviele Menschen sich dafür interessieren sollen/können, sondern mit den Anforderungen an den Text. Das richtet sich mehr auf die Altersgruppen der Leser, die du erreichen möchtest. Geschichten für Kinder haben andere Anforderungen als Geschichten für Jugendliche und Erwachsene. Das fängt beim Thema an, weil sich Menschen in verschiedenen Entwicklungsstadien für verschiedene Dinge interessieren, geht aber natürlich weit über die Themenwahl hinaus. Sprachliches Niveau, Ausgestaltung von Szenen (mehr oder weniger blutig), Komplexität der Figuren ...
--- Zitat ---Weil der Weltenbau als "dissonant", oder gar abwertend als "gesponnen" und "überflüssig" bezeichnet wurde, hier ein treffender Weltenbau. Er ist wichtig, damit die Verantwortlichen des Verlags, die diese Bewerbung zu lesen bekommen, die Dynamiken von Berlin besser verstehen:
--- Ende Zitat ---
Der "gesponnene" Weltenbau ist doch nicht abwertend. Wir alle spinnen Fäden verschiedenster Art und verbinden die zu einer Geschichte. Das ist garantiert nicht abwertend gemeint.
Und ich finde diesen Weltenbau durchaus interessant. Wie ich schon geschrieben habe: Ich finde, da steckt viel Potential drin, daraus kann man irrsinnig viel machen.
Das Problem ist: Du machst nichts damit. Es ist wirklich einfach unerheblich, wie die Welt drumherum aussieht, weil deine Geschichte nichts davon widerspiegelt und aufgreift. Jedenfalls nicht, wenn ich nach den Beschreibungen gehe, die du hier gegeben hast.
--- Zitat ---“Während im Jahr 2080 andere Länder und Staatenbünde große technische Fortschritte machen, haben deutsche Firmen längst den Anschluss verloren. Die deutsche Identität hat sich durch noch größere Masseneinwanderung integrierungsunwilliger Ausländer stark verformt.
--- Ende Zitat ---
Da muss ich dich fragen, wieso in deiner Welt Leute nach Deutschland kommen, wenn das so ein verlottertes Loch geworden ist? Was verspricht sich jemand davon, nach Deutschland auszuwandern, wenn ihn dort Rückständigkeit, die daraus folgende, sehr wahrscheinliche Armut, Perspektivlosigkeit und Unfrieden erwarten?
--- Zitat ---Müllberge und Essensreste türmen sich in den Straßen, sie sind die ideale Brutstätte für Ratten, welche wiederum andere “Schädlinge“ anziehen, genmanipulierte Reptilien zum Beispiel, welche nach dem großen Sinokrieg aus dem Jahr 2035 nicht mehr gebraucht wurden.“
--- Ende Zitat ---
Und da ist zB ein Punkt, bei dem ich nicht mitkomme, und wieso deine ganze Geschichte für mich ein Rätsel bleibt. Die Sinokriege werden mir nicht erklärt. Das kann alles und nichts sein. Bei "sino" denke ich sofort an China, aber darüber hinaus? Wer hat diese Kriege wann und aus welchem Grund genau angefangen? Wer hat gewonnen? Steht noch einer bevor? Wieso braucht der genmanipulierte Reptilien? Wären Affen nicht besser gewesen? Oder Schweine? Tiere jedenfalls, die schon eine gutes Maß an Intelligenz mitbringen? Wir nennen den Teil des Gehirns, der die grundlegendsten Lebensfunktionen steuert - und sonst nicht viel - nicht umsonst Reptiliengehirn. Weil das zu nicht viel mehr taugt, als einfach zu überleben.
--- Zitat ---Was klingt nach Jugendroman? Die Ein-Satz-Beschreibung, oder der Klappentext?
--- Ende Zitat ---
Die ganze Grundidee, die genmanipulierten Reptilien und dass das ganze um Ratten herum aufgebaut ist, ist für mich Jugendroman. Das ist für mich als erwachsenen Menschen einfach kein ernstzunehmendes Thema. Und mir fehlt - wenigstens aufgrund deiner Erklärungen - absolut die Tiefe, die ich von einem Buch für Erwachsene erwarte.
Auf die Genreptilien geh ich jetzt mal nicht näher ein, weil ich ehrlich gesagt auch keine Ahnung habe, wie man das ernsthaft präsentieren könnte.
Aber bei den Ratten fehlt mir zB absolut die Darstellung der Auswirkungen der Rattenplage. Das Hauptproblem, das Georg antreibt, ist ja das Gift, mit dem die Ratten getötet werden sollen. Dass die alles zernagen, vollscheißen, Vorräte wegfressen, Kranke annagen ... das ist für ihn irgendwie ... naja ... er scheint das nicht einmal wahrzunehmen. Angeblich ist die Rattenplage ein echtes Problem. Aber der Konflikt ist das Gift. Das stimmt doch mit keiner Lebensrealität überein, sorry. Wenn mir schon wieder die Ratten mein Brot und mein Müsli weggefressen haben und aus meinen Wollsocken ein Nest gebaut haben, dann ist mir ziemlich scheißpiepegal, wie die Mistviecher vernichtet werden, Hauptsache, ich krieg sie erst mal aus meiner scheiß Wohnung raus. Und gerade Georg, ein ehemaliges Straßenkind, sollte da ganz andere Prioritäten haben. Jeder Fitzel Essen ist wichtig, jedes Stück Stoff, dass du am Leib tragen kannst. Wieviel Schlafsäcke hat er verloren, weil sie ihm von den Ratten unterm schlafenden Arsch weggefressen worden sind? Wieviele Essensvorräte, wieviel seiner spärlichen Habe?
Dein Nachtrag zu "wie sieht Berlin aus" ist dein eigentlicher Weltenbau. DAS ist es, was in deiner Geschichte von Bedeutung ist, nicht Elons Flüge zum Jupiter. Das ist nett, hat aber genau nichts mit deiner Geschichte zu tun, wirklich, einfach nichts.
Die Welt deiner Geschichte besteht hieraus:
- Berlin ist ein Drecksloch geworden.
- Es gibt Gangs und damit Territorien, die miteinander rivalisieren - oder zumindest nicht miteinander kooperieren.
- Jeder schert sich nur um seinen eigenen Kram, nichts wird erledigt ... daher das Drecksloch.
Daraus ergeben sich für mich aber ganz andere Probleme, als ausgerechnet eine Rattenplage. Jeder kümmert sich um seinen eigenen Kram, aber wie Menschen nun mal sind, will jeder auch noch etwas mehr Kram. Die da drüben haben die schöneren Häuser, die haben die besseren Straßen, dort gibt's ... und außerdem und überhaupt. Krieg unter den einzelnen Banden ...
Die Ratten sind dann vielleicht noch eine Draufgabe, aber sie sind nicht das drängendste Problerm dieser Welt. Und auch das deutet für mich auf Jugendroman. Georg scheint das ganze Ausmaß der Scheiße, in der er steckt, gar nicht zu erfassen, und so schießt er sich auf einen Nebenschauplatz ein, wie es auch Jugendliche tun. Sie haben noch nicht genug Weit-, Durch- und Überblick, um komplexe Sachverhalte zu verstehen. (Ja, hier generalisiere ich und tu sicher vielen Jugendlichen unrecht.)
Nicht sicher, ob du damit jetzt etwas anfangen kannst.
LG
Viskey
merin:
Ich greife mal noch ein anderes Thema auf, das inhaltlich ist und nicht literarisch. Vielleicht ist es dir bewusst, Repto, und du willst es so, aber es gibt ja auch eine geringe Chance, dass es dir unbewusst ist. So oder so ist es so, dass ich diese Inhalte in diesem Forum schwierig finde, weil sie den Foren-Regeln widersprechen. Deine Geschichtenidee enthält nämlich zwei Inhalte, die in rechten Verschwörungsideologien verbreitet sind: Das Überranntwerden von "fremden Menschen", die Deutschland "in den Abgrund ziehen" und der Topos der Reptilienmenschen, die alles unterwandern. Gerade die Reptilienmenschen erfreuen sich ja in Verschwörungstheoretikerkreisen derzeit großer Beliebtheit. Das andere ist ein uraltes Motiv, das unter anderem im Dritten Reich Hochkonjunktur hatte.
Ich würde dich daher bitten, beides und ähnlich gelagerte Ideen hier nicht weiter auszubreiten. Wenn es ein Versehen ist, dann wäre es wohl eh gut, sich einen anderen Plot auszudenken. Wenn nicht, sind die Federteufel nicht der Ort, um das wohlwollend zu diskutieren.
The_Reptilian:
Ich arbeite gerade eine längere Antwort auf all die Kommentare aus und ich habe den Eindruck, je länger ich nicht antworte, desto eher wird mein Text missverstanden.
1. Der Nationalsozialismus wird darin nicht verherrlicht. Wie denn auch? Ganz im Gegenteil. Mein Protagonist baut Brücken zwischen den verfeindeten Lagern, es wird ein antifaschistisches Werk.
Das Zeugs mit dem Einwandern kann ich aber auch weg lassen, wenns zu sehr missverstanden wird und alles zu “rechtslastig“ macht, ist ja auch ein heißes Thema, hab das auch sehr oft gesagt. Will da niemanden zu nahe treten.
2. Der Text ist noch nicht fertig, er wird überarbeitet. Das mit dem überrennen von Deutschland kommt vielleicht nicht mehr vor.
3. Die Reptiloidin . . Genausogut könnte man “V - The Visitors“, oder die 90er-Kinderserie “Die Dinos“ verbieten, weil auch “Echsenmenschen“ drin vorkommen.
Eins versichere ich euch, Esmeralda hat überhaupt nix mit den rechten Verschwörungen zu tun, ich kenne niemanden aus dieser Szene. Auch mit David Icke hat Esmeralda nix zu tun. Sie symbolisiert die Natur, was sie bei David nicht tut. Da sind sie Außerirdische.
Gegen meinen grünen Drachen wurde auch nichts gesagt, also lasst mir die Reptiloidin bitte.
Viskey:
Hey,
ich für meinen Teil möchte dir sagen: Solange du bewusst mit dem Thema umgehst, es hinterfragst, in Kontext stellst, und das ganze nicht zu einer Verherrlichung des Nationalsozialismus kommt, ist das Thema ... immer noch heiß, kann aber angefasst werden. Aber es ist auch sehr, sehr schwierig.
Und wenn ich mal ganz schonungslos ehrlich sein darf: Ich glaube nicht, dass du das schon kannst. Du bist handwerklich einfach noch nicht so weit. Du schreibst grammatikalisch schiefe Sätze, hast keine stilistische Linie. Doch bei dem Thema kommt es auf jedes Wort an. Alles, wirklich alles, wird dir da zehnmal auf Schwächen abgeklopft werden. Weil es ein wirklich heißes Eisen ist, wie du auch selbst schon festgestellt hast. Es gibt zu viele Leute da draußen, die das ernst meinen.
Manche Themen sind einfacher zu schreiben als andere. Böser Vergleich, aber wenn ich den Artzroman Nr. 38543 schreibe, darf das Handwerk auch mal etwas schlampig sein. Am Ergebnis wird das nichts ändern. Aber wenn ich einen Roman schreibe, in dem rechtes Gedankengut eine Rolle spielt, dann muss das Handwerk sitzen. Dann muss ich bei jedem Satz, wo es vorkommt, ganz genau wissen, was ich tue. Was die Worte, die ich benütze, wirklich bedeuten, damit ich nicht nur irgendwelche Phrasen und Narrative wiederhole. Denn das wäre einfach nur Verbreitung rechten Gedankenguts. Und damit wärst du in diesem Forum wirklich falsch.
Ich denke, deine Absichten sind schon die richtigen. Aber es tut mir leid, klammere das aus dieser Geschichte aus. Warte mit dem Thema, wenn es dir wirklich am Herzen liegt, noch ein paar Jahre, bis du schreibtechnisch weißt, was du tust. Du bist noch in der Ausprobierphase. Die ist wichtig und unerlässlich. Aber du solltest nicht gleich alles auf einmal ausprobieren.
LG
Viskey
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