Teufelsrost > Höllenfenster

Kurzröstung nonbinäre Sprache 2

<< < (2/3) > >>

eska:
Liebe Merin;

du äußerst Zweifel, ob wir hier das geeignete Auditorium für deine Überlegungen zum Ausdruck von Nonbinärem sind. Das weiß ich natürlich auch nicht, aber: 1. gib uns doch bitte etwas Zeit, auch wenn es ein empfindliches Terrain ist. 2. sind wir immerhin an Sprache und ihrer Wirkung interessiert und 3. gewohnt, die Wirkung auf uns zu beschreiben.
(Was noch weiterhelfen könnte, ist genaues Formulieren deiner Fragen, um zu breite Antworten zu vermeiden.)

Ich selbst stolpere in beiden Versionen über die unbekannten Wörter. Je ähnlicher sie etwas Bekanntem sind, desto eher überlese ich sie wie einen Tippfehler. Wenn sie an eine mir bekannte Fremdsprache erinnern, tragen sie auch die Konnotationen derer Wörter mit sich. Insoweit bringt they/them und el wahrscheinlich nicht die Nicht-Festlegung, die dir vorschwebt, sondern eine Idee von Plural und Maskulinum, wie Viskey schon darlegte. Ein ganz neues Wort, das möglichst wenig mit Deutsch, Englisch, Spanisch... gemein hat, wäre wohl am besten. Und dann eine Systematik, ob es abgewandelt wird, z.B. in der Mehrzahl oder wenn jemand von sich selbst spricht, ob es als Personalpronomen, Possessivpronomen, Relativpronomen gleichzeitig stehen soll oder verschiedene Formen hat... Beispiel: Gesetzt den Fall, er/sie/es/Plural-sie hieße immer gleich xyt. Hieße es dann: Xyt zieht xyts Hemd aus? Aber: Xyt zieht sich aus? Und Xyts gehen ins Kino? (Schwierig werden könnten Dialoge, bei denen es dann keine Unterscheidung der Sprecher mehr durch Promomen gäbe, vergleichbar einer Diskussion nur unter Frauen, wo man nicht mehr durchsteigt, welche sie jetzt gerade spricht).
Was muss denn alles von der Idee des Binären befreit werden? Wenn es die Person heißt, wäre das Pronomen dafür eben sie, ohne dass es sich deshalb um eine weibliche Person handeln muss, siehe Viskeys Beispiel mit das Mädchen-es-sein Haar. In deinem ersten Absatz lese ich die Person nicht als geschlechtlich festgelegt. Seltsamerweise wirkt Suki im zweiten Absatz auf mich in beiden Versionen eindeutig weiblich, auch wenn ich versuche, das nicht zu interpretieren. Vielleicht liegt es an der Ähnlichkeit zum japanischen Mädchen-Namen Yuki. Dies als Hinweis, dass du dir die Wirkung deiner Namen auch angucken musst.

Und ja, ich glaube, es ist leser/innenfreundlich, wenn du die neuen Formen irgendwie erklärst. Z.B. stolpert jemand über deren Verwendung ('Was hast du gerade gesagt?') und wird dann aufgeklärt ('ist in xyts soundso-Phase', 'hat sich noch nicht für ein Geschlecht entschieden'... oder was für eine Idee mitgeteilt werden soll). Damit es aber für binär-geprägte Leser nicht nur bei seltsamer Sprache bleibt, ist es meines Erachtens wichtig, auch das betreffende Konzept von Mehr-als-zwei-Geschlechtern/Gleichzeitig-mehrere-Geschlechter/Phasenweise-verschiedene-Geschlechter oder ähnlichem anzusprechen. Das kannst du in einer zukünftigen oder alternativen Wirklichkeit ja ganz selbstverständlich darstellen.

Gute Nacht.
eska

Paul:
Liebe Merin

Auch mir fällt es schwer, mich auf die neuen Pronomen und ihren Gebrauch einzulassen. Dazu habe ich ein weiteres Problem:


--- Zitat ---Sie fasste eine Person ins Auge, din einen Seidenoverall trug, wie sie selbst, und hinter einem Schild stand, auf dem “Familienleben jetzt!” stand.
--- Ende Zitat ---

Warum steht hier "Person"? Wäre es ein Mann, würde hier "Mann" stehen, wäre es eine Frau, entsprechend "Frau". D.h. du bräuchtest m. E. nicht nur neue Pronomen, sondern auch eine Bezeichung für das neue Geschlecht, das bis jetzt noch nicht durch ein anderes Wort besetzt ist. Ansonsten hast du ein Mischmasch - das mich als Leser aus der Geschichte herauswirft.
 Ich könnte mir gut vorstellen, dass du ein solches System entwickeln könntest - ich würde es aber am Anfang nur sehr gut dosiert einsetzen, z.B. bei direkter Rede zu der Person,...  aber nicht im "Erzähltext". Ansonsten wäre es mir als Leser vermutlich zu anstrengend. Oder du lässt dich mit deiner Geschichte eben bewusst als Vorreiterin darauf ein, nur ein kleines Publikum anzusprechen.

Sprachlich am meisten überzeugt hat mich in dieser Richtung (Erweiterung der Sprache hin zu einem neuen Bewusstsein der Geschlechter) die drei Bücher von Ann Leckie (Die Mission, Die Maschinen, Das Imperium). Ich vermute einmal, dass du sie kennst. Sie benutzt dort durchgehend die weibliche Form. Als Pronomen - wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe - das "sier" (das ich am Anfang schlicht überlesen habe, was es aber für mich auch gut "lesbar" machte, es war unaufdringlich und doch da). Nur über die Beschreibung der Kleidung war z.T. zu erruieren, ob es sich bei den Personen um einen Mann oder eine Frau handelte.

Von daher würde ich dir - wenn du auch die Erzählstimme mit einbauen willst - eher zu einem solchen System raten, in dem es nur ein Geschlecht für alle gibt (und das nicht männlich ist).

Paul  ;)

June:
Nur ein kurzer Einwurf, das hier
--- Zitat ---Lea lächelte ihrel Kollegel an
--- Ende Zitat ---
klingt, als würde man Asiaten verarschen, die angeblich kein r am Ende des Wortes sprechen können.
Ich vermute mal, das wird sich nicht durchsetzen.

Muss leider wieder ans Manuskript fürs Debüt, nicht etwa für den Mehrteiler :)
LG von June

eska:
Guten Morgen.  :)

Dieses ist ein spannendes Thema, beschäftigt mich schon wieder. An Pauls Vorschlag eines allgemeingültigen Pronomens besticht für mich persönlich die Aussage, dass ohne entsprechende verbale Unterscheidung eben wirklich kein Unterschied gemacht werden kann, der auf dem Geschlecht basiert. Damit ist dann jede Variante gleich anerkannt. So habe ich auch Windigo verstanden.

Tschüss,
eska

merin:
Vielen Dank für eure Rückmeldungen und Gedanken. Was mir nun klar ist, ist, dass ich euch wenigstens einige grundlegende Infos zum Weltenbau geben muss. Und auch zur Erzählperspektive. Die Perspektive ist die gesamten ersten Kapitel aus der Sicht von Lea, die ist in Eos aufgewachsen und für sie sind die verwendeten Pronomina normal. Die Lesenden werden also in Leas Welt hineingeworfen und können sich allmählich zusammenpuzzeln, wie das alles ist. Ich denke, dass das funktioniert, ohne dass alles explizit erklärt wird. Das ist ja bei Sci-Fi- und Fantasy-Welten eh üblich.
In meine Etomi-Erde gibt es grundlegend drei Geschlechtspronomen: er, sie und noch eins für alles andere. Alles andere kann, so wie jetzt auch, genderfluid bedeuten oder ein drittes Geschlecht oder keins. Daneben gibt es Personen, die biologisch kein Geschlecht haben (wie Nori), aber er oder sie als Pronom benutzen. Ich muss mal überleben, ob ich das noch wechsel und Nori dann das neue Pronom bekommt, aber ich glaube, er bleibt "der Klon". Lea weiß, wen sie wie anreden muss, weil ihr virtueller Assistent ihr die Info bereitstellt. Das wird im Buch dann auch sichtbar sein.
Im zweiten Teil kommt sie nach Aranus, dort wird es dann so sein, dass das Pronom einfach bei der Vorstellung mit benannt wird. So wie es jetzt in queeren Kreisen auch üblich ist.
Die ausprobierten Systeme habe ich alle nicht neu erfunden, sie stammen von der Seite, die ich hier schon an anderer Stelle verlinkt habe und über die sich Lionel im anderen Thread schon lustig gemacht hatte (ich glaube, das war dann auch Anlass für meine frustrierte Reaktion hier): https://nibi.space/geschlechtsneutrale_artikelw%C3%B6rter_und_adjektiv-endungen
Gegen ein Pronom für alle (einige von euch werden sich erinnern, diese Variante hatte ich bei meinem vorigen Projekt lange probiert und dann verworfen) spricht für mich genau das Problem, dass mensch dann oft Szenen hat, wo sich mehrere Personen begegnen, die alle dasselbe Pronom haben. Es ist dann schwieriger, die Personen zu unterscheiden und mensch muss dauernd Namen nennen. Außerdem passt es nicht zum Weltenbau.

@eska: Du bringst die Schwierigkeiten schon sehr auf den Punkt. Fast alle vorhandenen Systeme haben irgendwelche Assoziationen zu anderen Sprachen bzw. sind, wie they/them aus diesen entlehnt. Außerdem braucht es eben Personalpronomen, Possessivpronomen, Relativpronomen und Artikel und dazu noch die verschiedenen Deklinationen, da wird es dann schnell komplex. So oder so sind die Mehrzahlpronomen nicht betroffen, wir, ihr und sie sind immer wie, ihr und sie. Das ist ja schon jetzt so. Nur in der dritten Person Singular gibt es dann eben er, sie, es und ?.


--- Zitat ---Sprachlich am meisten überzeugt hat mich in dieser Richtung (Erweiterung der Sprache hin zu einem neuen Bewusstsein der Geschlechter) die drei Bücher von Ann Leckie (Die Mission, Die Maschinen, Das Imperium). Ich vermute einmal, dass du sie kennst. Sie benutzt dort durchgehend die weibliche Form. Als Pronomen - wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe - das "sier" (das ich am Anfang schlicht überlesen habe, was es aber für mich auch gut "lesbar" machte, es war unaufdringlich und doch da). Nur über die Beschreibung der Kleidung war z.T. zu erruieren, ob es sich bei den Personen um einen Mann oder eine Frau handelte.
--- Ende Zitat ---

Die kenne ich tatsächlich nicht. Da werde ich doch gleich mal schauen. "Sier" habe ich auch erwogen, es wird auf der nibi-Seite auch in verschiedenen Varianten vorgestellt.


--- Zitat ---klingt, als würde man Asiaten verarschen, die angeblich kein r am Ende des Wortes sprechen können.
--- Ende Zitat ---

Das geht natürlich gar nicht. Ich hatte die Assoziation nicht, aber sie ist wohl leider doch naheliegend genug, dass mehrere Leute sie haben werden.

Liebe Grüße
merin

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln
Mobile View