Teufelszeug > Theorie
Mehrband-Fahrplan
June:
Hallo zusammen räusper, :rotwerd:
ich hätte nie gedacht, dass ich mal so eine Frage stellen muss … aber ich habe da für die Münchner Schreiberlinge eine Idee gehabt, die sich superschnell derart vergrößert hat, dass ich es für deren Antho vergessen kann.
Da ich gerade im Debüt stecke, welches unter ganz anderen Umständen entstand, wollte ich mal fragen, ob hier irgendwer sein Wissen mit mir teilen mag, wie man das mit mehreren Bänden handled.
Sprich, plottet man die Outlines von allen oder schreibt man die nach und nach oder macht man sich da Listen … Wie behält man bei so etwas den Überblick? ExcelTabellen sind nicht so mein Ding, Trello geht aber ich wüsste nicht, wie man so ein Projekt da effektiv in Listen quetscht.
Hat schon mal jemand eine Trilogie geschrieben und würde mir ein paar Tipps verraten, dass ich Stolperfallen wie “in Band 2 taucht was auf, was in Band 3 vergessen, aber in 1 angeteasert wurde” umgehen kann? Welche Ordnungssysteme nutzt ihr?
Schreibprogramme sind bei mir vorerst raus. Ich besitze alle -außer Patchwork- und ich benutze aktuell keins.
Es(also der Fahrplan) muss schnell, einfach und effektiv sein.
Ja, ich verlange womöglich zu viel :-[, aber ich hoffe, irgendjemand kann mir schon mal auf die Sprünge helfen.
Ganz liebe Grüße von June
Lionel Eschenbach:
Am Ende musst du dir selber helfen!
Ich arbeite im Coaching, allerdings nicht für Leute, die schreiben lernen wollen :)
Ich glaube weiter, du weißt alles, du musst nur dein verschüttetes Wissen an die Oberfläche holen.
Du hast sicherlich viel im Internet recherchiert, du besitzt vielleicht sogar Bücher über das Schreiben. Du kämpfst täglich mit deinen Szenen und dem eigenen Text usw.
Und wenn du ehrlich bist, weißt du schon, was so allgemein die Probleme sind, das hast du in deiner Email angedeutet.
Konkret darf ich dir nicht helfen, weil ich selber NOCH nie eine Triologie veröffentlicht habe. Vielleicht gibt es hier jemanden, der soweit bereit ist.
Ich kann nur sagen, dass es fast unmöglich ist, sagen wir drei Bände gleichzeitig zu konzipieren. Es mag Leute geben, die es hinbekommen. Aber gefühlt sind das die wenigen Plotter-Typen, die jede Szene bereits durchdenken, in Excel-Listen festhalten. Und wenn selbst der letzte Name schon eingetragen wurden, schreiben sie einfach einen Band nach den anderen. Glückwunsch, wer das kann. Ich kann es nicht.
Die meisten, die schreiben, sind eher Mischtypen. Bisschen Plotten, bisschen kreativ drauflosschreiben, um zu sehen, wohin die Reise führt. Ich kann für mich sagen, dass führt ja alleine schon in einem Buch zu riesigen Probleme. So erinnere ich mich daran, dass ich eine Szene geschrieben habe, sie floss einfach durch meine Finger auf den Bildschirm. NUR. Diese Szene hätte alles verändert. So habe ich sie wieder gelöscht, weil ich hätte wiederum andere Szenen umschreiben müssen.
Wenn du also schreibst, du eine tolle Idee hast, musst du nicht nur berücksichtigen welchen Auswirkung diese neuen Szene auf deinen ersten Band hat, sondern auch noch wie sie sich auf die anderen auswirkt.
Ich glaube, dass bekommen wohl nur die wenigsten hin.
Ich denke, der sichersten Weg ist, ob nun mit der Schneeflockenmethode oder anderen Theorien zur Strukturierung von Romanen, grobe Pfeiler abzustecken.
Also das Grobraster sollte stehen. Die groben Handlungsstränge stehen. Das Finale steht.
(Witzigerweise, denke ich in meinem Projekt immer vom Ende her, und frage mich dann immer, wie komme ich dahin.)
Die wichtigsten Figuren stehen. Die Konfliktlinien stehen. Vielleicht steht auch schon der groben Plotrahmen der einzelnen Bände.
Und wenn du die Pfähle in den Sand gerammt hast, dein Claim abgesteckt hast, dann hast du einen groben Halt, wie es in Band 2 und 3 weitergeht.
Und selbst dann kann es zu einem Fiasko werden.
Einige sagen, dass George R. Martin NIE mit seinem Roman "A Song of Ice and Fire" fertigwerden wird. Zwei Bände stehen noch aus, die sogar schon einen Namen haben. The Winds of Winter, A Dream of Spring
Einige sagen aber auch, er kann nie damit in zwei Bänden fertig werden, weil er so viele Handlungsstränge, so viele offenen Enden hat, dass er wohl noch fünf Bände schreiben könnte, um die Geschichte befriedigend zu beenden. Hier hat sich möglicherweise selbst ein Profi überhoben. Und mit Sicherheit hat er NICHT alle Bände detailliert geplant.
Mein Tipp. Plotte so viel wie du kannst, aber bewahre dir eine kreative Ader, auch neue Einfälle zuzulassen.
P.S. Hier Auszug aus Wiki zu GRRM. Und er ist ein Vollprofi, der seit 30 Jahren schreibt und zig Millionen damit verdient hat.
Aber....
Ursprünglich sollte die Saga drei Bände umfassen. Da die Geschichte während des Schreibprozesses anwuchs, stieg die Zahl der geplanten Nachfolgewerke sukzessive an. Mittlerweile plant Martin, die Handlung in sieben Bänden abzuschließen.
Nachdem die ersten drei Bände der Serie in kürzeren Abständen erschienen waren, benötigte Martin für den vierten Band, A Feast for Crows, ungefähr fünf Jahre. Trotz seiner Versicherung im Jahr 2005, der fünfte Band der Buchreihe sei schon fast fertiggestellt, erschien A Dance with Dragons erst am 12. Juli 2011. Martin erklärte die lange Verzögerung mit Komplikationen bei der Zusammenführung der zunehmend komplexen Handlungsstränge.
windigo:
Bei einer Trilogie kannst du dir, wie Lionel geschrieben hat, wirklich nur selber helfen.
Vielleicht ziehst du deine Lieblingstrilogie zur Hilfe heran. Abschauen ist ja nicht nachmachen.
Persönlich finde ich die besten Trilogien die, die aus einem Guss sind. Mein Favorit ist Tad Williams im Bereich Fantasy. Meist wurden aus seinen 3 Bänden 4. Aber es war stimmig und ehrlich. Zwanghaft auf 3 Bände hinzuarbeiten bringt nichts. Ich hatte mal die Gelegenheit für ein langes Gespräch bei einem Treffen und dort hat er dies auch so gesagt.
Empfehlen kann ich dir mit dem Anfang und Ende zu beginnen. Oft scheitern Trilogien am Ende. Zum einen weil der Autor sich verzettelt und zum anderen weil deine Leser zu hohe Erwartungen haben. Als Beispiel kann ich dir da Robert Jordan`s Rad der Zeit Zyklus nennen. Dieses Monster an Literatur hätte nie ein gutes Ende haben können, bin ich der Meinung.
Oder Patrick Rothfuss Der Name des Windes. Abschlußband 3 lässt schon Jahre auf sich warten. Da wette ich, dass der nicht gut wird, wenn er dann mal erscheint. Als Ziel empfiehlt es sich ein Band pro Jahr herauszubringen. Harry Potter ist auch so ein Beispiel. Trotz des Megaerfolges, waren die letzen Bände eher schwach geschrieben, im Vergleich zu den Anfängen. Da wurde falsch geplant.
Auch eine Empfehlung ist, mit so wenigen Hauptcharaktern wie möglich auszukommen. Jede Figur, die du anfbaust, braucht Raum und ein Ende.
Niemand schüttelt eine Trilogie aus dem Ärmel. Jede Info sollte irgendwo notiert sein, damit deine Welt glaubhaft bleibt. Du gehst mit den Menschen, die deine Trilogie lesen einen Teufelspakt ein. Du bekommst treue Leser, aber irgendeiner findet deine Fehler. Schau dir mal die Community um den Herrn der Ringe an. Man kann von Tolkien halten, was man will, aber diese Welt und Geschichte ist die Essenz einer jahrzentelangen Arbeit. Da gibt es kaum Fehler. Kritikpunkte ohne Ende, aber Fehler findet man nur schwer. Im englischen gibt es noch die History of Middle-Earth. 12 Bände mit Material, die zeigen, was wirklich an Arbeit im Herrn der Ringe steckte. Das hat Herr Tolkien alles mit einer Zettelordnung realisiert.
Tad Williams hat auch den Hinweis gegeben, dass man ersteinmal ein Buch fertig schreiben und veröffentlichen sollte. Das Hat auch bei Tolkien geklappt. Eine Trilogie ist eine Arbeit, wo du mehrere Jahre dransitzt und erst am Ende siehst du, ob alles funktioniert. Ein Buch schaffst du in ein oder zwei Jahren. Persönlich kann ich niemanden empfehlen mit einer Trilogie anzufangen. Trilogie schreiben ist wie Profisport. Ohne Training wird das nichts. Auch Harry Potter hat Vorlauf gebraucht und da stecken viele Jahre Vorbereitung drin.
Das soll dich nicht entmutigen. Ich will dir nur zeigen, was dich erwartet. Du schreibst ja nicht nur eine Trilogie, sondern auch viel Beiwerk. Meist ist das, was Beiwerk ist noch doppelt oder dreimal so viel, wie du letztendlich veröffentlichst.
Viskey:
Hey June!
Ich bin ein Mehrband-Schreiber, und ich weiß in etwa, was pro Band passieren wird. - Du sicherlich auch, sonst könntest du ja nicht sagen, dass es ein Mehrbänder werden wird. ;)
Ich selbst arbeite gern mit Excel, vor allem, um die verschiedenen Erzählstränge unter Kontrolle zu behalten, damit ich weiß, wann welcher Strang "an die Oberfläche" muss bzw. kann.
Ich hab einen Grobplan pro Buch. Keine Trilogie, sondern Pentalogie ... davon dafür zwei.
Ich nehm mal zur Abwechslung nicht die - in der Hölle bereits berühmt-berüchtigte - Pentalogie, die ich mit Mooncat zusammen schreibe, sondern meine eigene.
1. Band: Der Vampir wird erschaffen
2. Band: Der Vampirjäger wird erschaffen
3. Band: Die fast ausgerotteten Vampire vermehren sich wieder
4. Band: Das Personal für das grandiose Finale wird zusammengetrommelt
5. Band: Finale
Was dann jeweils genau in den Büchern passiert, ist Detailplanung, die auch noch nicht für alle Bücher steht. Ich weiß aber jeweils, was am Ende eines Bandes an Plotpunkten stehen muss, damit das nächste starten kann.
Und während ich dann einen nachfolgenden Band schreibe, kommen mir immer wieder auch Ideen für die Bände davor. Die notiere ich mir dann, damit ich sie in der Überarbeitung einarbeiten kann. Und ja, es gibt viele Überarbeitungsgänge, weil jeweils neue Ideen dazukommen oder alte ersetzen.
Es ist immens viel Arbeit, einen Mehrbänder zu schreiben, aber wenn die Geschichte so groß ist, dass sie in nur einem Buch nicht Platz hat, hat man keine große Wahl. Dann müssen es eben mehr sein.
Der wichtigste Tipp, den ich dir geben kann: Notizen, Notizen, Notizen. Zu allem. Besser eine Notiz zu viel als eine zu wenig.
June:
Hallo Ihr Lieben,
das sind tolle Antworten! Ganz lieben Dank :). Ich versuche mal, drauf einzugehen - also was ich empfinde.
@Lionel, du bist der Realist, ich sehe, der Teufel auf meiner Schulter bist du :D Denn vieles von dem was du schreibst, sind exakt meine Ängste. Zumal ich mich schwer tue, ein einziges Buch zu schreiben - okay, wie wir wissen geht es, sonst hätte ich im Herbst kein Debüt, aber es ist wirklich grenzwertig für mich.
@Windigo ja, das Abgucken ist ein guter Einwurf, leider sagt der Inhalt einer Trilogie aber wirklich wenig über die Arbeitsweise des Autoren aus, worauf ich eigentlich raus wollte. Ich denke auch, dass ich vom Typ her lieber parallel schreiben sollte, um den Überblick zu behalten und wenn sich in A was ändert, das sofort in B oder C einfügen zu können ... weil und jetzt komme ich zu
@Viskey
Zettelwirtschaft, ernsthaft? ;) Das würd mich fertig machen. Dann doch Trello. Irgendein Sammelsystem von Ideen + Charakteren finden ... dauert aber auch. Grobplan finde ich gut, vor allem das mit dem Ende. Da ist was dran, mein NaNoBuch von 2018 hat über 50K Wörter aber kein Ende :D weil ich da nicht geplottet hab und irgendwie ... äh ja. Lassen wir das.
Ich denke, der Knackpunkt kam von @Lionel
--- Zitat ---Wenn du also schreibst, du eine tolle Idee hast, musst du nicht nur berücksichtigen welchen Auswirkung diese neuen Szene auf deinen ersten Band hat, sondern auch noch wie sie sich auf die anderen auswirkt.
--- Ende Zitat ---
Und das würde ich gern irgendwie arbeitstechnich strukturiert angehen wollen.
--- Zitat ---Und während ich dann einen nachfolgenden Band schreibe, kommen mir immer wieder auch Ideen für die Bände davor. Die notiere ich mir dann, damit ich sie in der Überarbeitung einarbeiten kann. Und ja, es gibt viele Überarbeitungsgänge, weil jeweils neue Ideen dazukommen oder alte ersetzen.
--- Ende Zitat ---
Das hier verstehe ich nicht ganz @Viskey, Ideen für die Bände davor? Sind die dann nicht schon erschienen? Oder hab ich nen Knoten im Hirn :D Das kann bei der Thematik durchaus sein.
Gibt es da Templates bei Excel? Für die Erzählstränge oder darf ich einen Blick auf deine Tabelle - ohne Inhalt, nur der Aufbau, versteht sich - werfen? Nur um eine Idee zu kriegen, wie man so was aufbauen könnte. <3
Ich danke euch sehr für eure Insights.
LG, June :hallo:
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
Zur normalen Ansicht wechseln