P.S.
Noch eine kleine Anmerkung. Wann würden wir mit uns Selbstgespräche führen, in der Art, wie du es präsentiert hast. Darüber solltest du nachdenken.
Der Leser nimmt ja die Anführungszeichen zur Kenntnis und muss es zwangsläufig für einen Dialog halten. Zwei Menschen reden miteinander.
Also, hier solltest du nochmals drüber nachdenken, welche Situation rechtfertigt es, mit sich selbst so zu reden. Da fiel mir eben nur die Krankheit an.
So würde ich es - wie gesagt - als Experiment durchgehen lassen. Im Laufe deiner Geschichte könnte es aber hilfreich sein, dass der Leser immer mal wieder mit dieser Eigenart von Umuku konfrontiert wird. Der Leser lernt also, dass Umuku so mit sich selber spricht, es also eine Eigenart von ihm ist, Selbstgespräche zu führen.
Wie gesagt, habe mir mal die Mühe gemacht, alles rauszunehmen. Aber das ist dann wirklich sehr experimentell, obwohl ich so etwas durch aus mag, auch wenn es anstrengend zu lesen wäre.
Eine halbe Ewigkeit
„Und?“
„Was und?“, sagte er, lauter als er es gewollt hatte.
„Na ja, ich mein, was wirst Du jetzt machen?“
„Nichts werd ich machen.“
„Und was würdest Du gerne machen?“
Umuku zog die Nase hoch und zuckte mit den Schultern.
„Es war doch immerhin Dein Zuhause. Also, irgendwie so ein bisschen. Dachte ich.“
„Dachte ich auch. Isses nicht mehr.“
„Die können Dich doch nicht einfach rauswerfen.“
„Hamse ja nicht. Ich hau selber ab.“ Und das hatte sich Umuku geschworen, er würde nicht bleiben.
„Wann denn?“
„Bin praktisch schon weg.“
Er holte eine Zigarette heraus, zündete sie an und paffte genüsslich.
„Das ist unfair“
„Keine hat je gesagt, dass das Leben fair ist.“
„Scheiß Spruch.“
„Aber wahr.“ Dumme Sprüche hatte Umuku immer schon gehört, daran war er gewöhnt.
„Ach, fick Dich für wahr.“
„Fick Dich selber.“
Umuku drehte sich weg und schniefte erneut. Unten auf der Straße quälte sich ein alter Mann mit seinem Fahrrad den Hügel hinauf.
„Hör auf, jetzt reden wir schon wie alte Männer“
„Was ist so schlimm daran, wie sie zu reden?“
„Die Gerechtigkeit ist so schlimm. Gerechtigkeit, die sie sich nehmen, und die nichts ist, als die Macht des Moments.“ Die hatte er nie erfahren, wenn er so darüber nachdachte.
„Schon wieder so ein Spruch. Du kannst Dich doch nicht schwarzärgern, oder wie man da sagt.“
„Bei mir eher weiß.“
„Ärger Dich von mir aus bunt.“
„Selbst das würde nichts helfen. Sie verlangen Farben, die es nicht gibt.“
„Kapier ich nicht.“
„Macht nichts. Es ist auch nicht wichtig.“ Umuku seufzte.
„Lüg nicht! Natürlich ist es wichtig. Ich weiß, dass es Dir wichtig ist.“
„Sie sind wichtig. Ich nicht.“
„Aber da findet sich doch sicher eine Lösung.“
„Nein. Und ich glaub, das will ich gar nicht.“
„Man kann einander entgegengehen. Du weißt genau, was ich meine.“
„Entgegengehen, ich bin ihnen so weit entgegengegangen, dass wir aneinander vorbeigelaufen sind. Natürlich war da eine Tür offen. Aber der Eintritt, der war einfach zu teuer.“
„Und wo willst Du jetzt hin? Du hast doch selbst gesagt, dass es nichts anderes für Dich gibt. Oder doch?“
„Keine Ahnung. Ich glaub nicht.“
Sie schauten auf den Weg hinab und folgten dem alten Radfahrer mit ihren Blicken, bis der endlich hinter den Bäumen verschwunden war. Er will sicher auch zur Kapelle hoch. Aber in dem Tempo würde das noch eine halbe Ewigkeit dauern.
„Wenn eine Ewigkeit ewig dauert“, sagte Umuku leise, „wie lange dauert dann eine halbe Ewigkeit?“
„So langsam versteh ich, warum sie Dich rausgeschmissen haben.“
„Sie haben mich nicht rausgeschmissen“, wiederholte Umuku.
„Also gut, dann versteh ich`s nicht.“
„Ich versteh`s ja selbst nicht. Ich versteh eh gar nichts mehr. Ich versteh nicht, warum Menschen nicht Menschen sein dürfen. Ich versteh nicht, warum manche alles bestimmen müssen. Ich versteh nicht, warum Du keinen Wein mitgebracht hast.“
„Weil … ich … keine … Kohle … mehr … hab.“
Über dem Maisfeld lieferten sich ein Rabe und ein Habicht einen Luftkampf. Immer wieder flog der Schwarze auf den Habicht zu. Der Rabe war gewandter in der Luft, konnte kurze Wendungen ziehen und enge Kurven schlagen. Sein scharfer Schnabel stieß nach den Flügeln des Raubvogels, der wieder und wieder ausweichen musste. Zunächst versuchte der Habicht unbeeindruckt seine Kreise zu ziehen, aber schließlich flog er einfach zur Straße runter. Der Rabe hatte das Revier für sich allein, setzte sich auf den obersten Ast des toten Kirschbaums und krächzte lautstark.
„Ich find`s schade. Vielleicht redest Du noch mal mit ihnen …“
„Nö. Mach ich nicht. Kannst Du ja machen.“ Da war er sehr sicher.
„Ich kenn sie ja nicht.“
„Natürlich kennst Du sie nicht. Wer kennt schon einen anderen?“
„Wir kennen uns.“
„Ja, das ist aber auch schon alles.“
„Bin ich Dir nicht genug?“
„Genug ist nie genug.“ Sollte er mit sich selbst eingeschnappt sein?
„Du mit Deinen scheiß Sprüchen.“
„Ist nicht von mir, ist von Konstantin Wecker.“
„Noch so ein Wortverdreher.“
„Ein Wortgewaltiger, würde ich eher sagen“, sagte Umuku und zog die Nase wieder hoch.
„Gib zu, Du heulst.“
„Wenn schon. Geht Dich gar nichts an.“
Der alte Mann lehnte sein Fahrrad an die Kirchenwand und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Mit wem redest Du denn da?“
„Mit niemand“, sagte Umuku, stand auf und ging weg.
Wie gesagt nur Umuku erwähnen. Hier müsste man insoweit feilen, als dass dem Leser immer klar ist, wer gerade redet, bis am Ende klar wird, er redet mit sich selbst.
Der Leser sollte schon an die Hand genommen werden, nicht zu verwirrt zu sein. Der Leser sollte sich nur fragen, wer ist die andere Person, bis dann am Ende die Auflösung kommt.