Teufelsrost > Höllenfenster
Die Bienenkönigin (Storyanfang)
Paul:
Lieber Golem
Ich war in den vergangenen Tagen mit ganz vielen anderen Dingen beschäftigt, so dass ich leider erst jetzt dazu komme, deine Geschichte zu rösten. Dabei bleibt mir auch heute leider nur die Zeit für einen ersten Teil meiner Röstung. Der Rest kommt dann später. Und: wie meist, habe ich die anderen Röstungen noch nicht gelesen, ich hoffe also, es doppelt sich nicht zu viel.
Mein Erstleseeindruck
Der Einstieg (Die Traumsequenz) fiel mir schwer. Es hatte etwas reales und irreales zugleich (grotesk blau), dazu die Zeitform (Präsens), dazu manche Formulierungen. Kurzum, es war für mich etwas holprig und ich tat mir schwer, dem Traum zu folgen.
Der erste Tag lief beim Lesen gleich viel besser - und das lag meines Erachtens nicht daran, dass es keine Traumsequenz mehr war, sondern an der Sprache, die hier viel lebendiger war. Es machte mir beim Lesen Spaß, deiner Protagonistin zu folgen und ihre Freude über ihre neugewonnene Eigenständigkeit zu teilen.
Der zweite Tag war für mich beim Lesen eine weitere Steigerung, weil ich hier noch viel stärker echte Gefühle spürte. Die Geschichte mit den Photos, in denen sie den Vater ihrer Kinder herausschneiden will. Dazu die Erinnerung an ihren eigenen Vater und der Eifersucht ihrer Mutter auf sein Auto. Hier wird es in wenigen Zeilen emotional sehr dicht. Das fand ich richtig gut.
Fazit vom Erstleseeindruck
Für mich steigert sich deine Geschichte zusehends. Dazu gefällt mir - im Vergleich zu deiner ersten Geschichte - gut, dass ich in dieser Geschichte deine Figur spüren kann, ich spüre, was sie fühlt, was sie denkt, wer sie ist. Beim Überarbeiten würde ich mir als Erstes den Einstieg ansehen, der es m.E. am Nötigsten hat.
Der Titel:
Der Titel (Die Bienenkönigin (Work in progress)) gefällt mir. Er macht neugierig und hat mich die Traumsequenz weiterlesen lassen, obwohl sie mir nicht gefiel. Ich fragte mich, wer die Bienenkönigin war (geht es um reale Bienen oder um eine Bienenkönigin im übertragenen Sinn?). Als dann die Geschichte deiner Protagonistin auftauchte fragte ich mich sofort, was macht sie zur Bienenkönigin? Du hast es nicht aufgelöst, was den Spannungsbogen für mich hielt. Aber ich wäre neugierig: welcher Persönlichkeitsanteil - oder welcher Teil der zukünftigen Geschichte haben dich zu dem Titel für die Geschichte / für die Frau (?) inspiriert?
Die Traumsequenz am Eingang
Ich schreibe meine Anmerkungen und Fragen einfach mal in deinen Text hinein:
Die Sonne brennt vom Himmel. (Ein klarer Einstieg, trotzdem beschreibt er nicht die Landschaft, er lässt so in mir Leere zurück) Er ist grotesk blau. (Was ist daran grotesk? Du behauptest etwas, aber beschreibst es nicht, so ist es für mich nicht nachvollziebar) Es scheint, das die Umgebung einfach nur flach ist. (Ja nun was denn, frage ich mich als Leser: scheint es so zu sein oder ist es so? Und warum weiß es der Autor / die Erzählerin nicht?) Und trocken. Und grau. Mühsam schleppe ich mich weiter. (Aha, da ist wer. Warum kam die Person nicht früher schon vor?) Wenn ich mich umdrehe, sehe ich keine Fußabdrücke. Es ist so leise, das die Stille brüllend laut ist. Noch ein Schritt. Schritt, doch mein Bein gehorcht mir nicht mehr. Um meine eigene Achse drehend, stürze ich zu Boden.
Dann ist es wirklich still. (Moment, was war dann mit der brüllenden Stille von gerade eben?) Ich starre nach oben, der Himmel besteht inzwischen nur noch aus Sonne. Grotesk gelb. Links sehe ich einen sich im Wind drehenden Wegweiser. Nirgendwo steht drauf. Ich habe das Gefühl innerlich zu kochen und langsam Beulen zu werfen. (Ich würde mich auf eines von beiden beschränken) Und dann ist da dieses Summen. Eine einzelne Biene landet mitten auf meiner Nase, fächelt mir vergeblich Luft mit ihren kleinen Flügeln zu. Dann landet noch eine Biene, direkt daneben. Und noch eine. Und noch mehr kommen herbei geschwirrt. Hunderte von Bienen bedecken im nu mein Gesicht und schlagen mit ihren winzigen Flügeln auf die Hitze ein. Myriaden von Bienen bedecken kurze Zeit später meinen gesamten Körper. Es wird tatsächlich kühler.
Millionen kleiner Füße vibrieren, haken sich sanft ein und dann schwebe ich.
Meine Idee: Beschreibe am Anfang die Traumlandschaft realer, so dass ich sie mir als Leser besser vorstellen kann. Lass dann die Person auftauchen, die sich in dieser Welt umsieht (der Himmel ist ohne Wolken, ein tiefes, dunkles Blau, das fast schon grotesk wirkt) und die sich voranschleppt und stolpert, bis sie zum Wegweiser kommt und dort der Biene begegnet.
Soweit mein erster Teil. Der Rest kommt später.
Paul
Paul:
Lieber Golem
Hier kommt der zweite Teil der Röstung:
Zu Tag 1:
Ein direkter Einstieg mit Alexa, der mich in die Geschichte mit hineinnimmt. Doch manche Unebenheiten holpern arg und drohen mich wieder hinauszuwerfen:
1) eine uneinheitliche Sprache
--- Zitat --- nuschel ich
--- Ende Zitat ---
kontra
--- Zitat ---betören mich
--- Ende Zitat ---
2) Zum Teil geht es für mich in der Geschichte zu viel hin und her, ohne dass sie ihr "Thema" findet. D.h. man könnte hier etwas kürzen und konzentrieren, oder den Hauptstrang, die neugewonnene Selbstständigkeit stärker ausbauen.
3) Manches ist zu viel des Guten (gleiches Stilmittel) (zumindest für mich):
--- Zitat ---Stattdessen hüpfe ich in das, was ich als Küche identifiziert habe, starte meinen Wasserkocher, schnappe mir meinen Filter, drapiere ihn auf meiner Tasse und schütte mein Kaffeepulver rein.
--- Ende Zitat ---
Bis hierher ging ich mit. Aber dann würde ich den Sack inhaltlich eher mit einem Gedankengang der Protagonisten zubinden, etwa so: Das alles gehörte mir. Mir ganz allein. Ich hatte es aus der alten Wohnung mitgenommen, ... oder ich hatte es mir gekauft, als ich die alte Wohnung hinter mir gelassen hatte ...
Du dagegen machst genauso weiter mit:
--- Zitat --- Ich packe mein Brötchen auf meinen Toaster.
--- Ende Zitat ---
Da flog ich raus.
4) Logikfehler oder "Superwomen"
Deine Protagonistin ist frisch umgezogen, aber sie hat schon die Küche provisorisch eingeräumt, ein W-Lan eingerichtet (ein Dank an die Telekom - die nomalerweise mindestens drei Wochen Wartefrist einräumt, bevor der Anschluss freigeschaltet ist), ein Bett aufgebaut ... Auch dass sie gleich ein ganzes Haus besitzt und neu in Bezug nimmt, kam mir seltsam vor.
Mir war das eine Spur zu viel, so dass es mir unglaubwürdig vorkam.
Schön fand ich die Idee, wieder ins Bett zu hüpfen und den Tag zweimal anfangen zu lassen. Nicht verstanden habe ich, warum der Nervenzusammenbruch in Anführungszeichen stand. War er real, dann würde ich die Anführungszeichen weglassen, war es etwas anderes, würde ich versuchen, dieses andere zu beschreiben.
Zu Tag 2
Hier springst du einfach einen Tag weiter und hast auch einen anderen Stil.
Den Einstieg finde ich dabei schwierig.
--- Zitat ---Mit vollem Mund betrachte ich die Wand, sie ist voller Löcher und übersäht mit hellen, runden und eckigen Flächen. Wie eine Art leeres Archiv.
--- Ende Zitat ---
Welche Uhrzeit ist es? In welchem Raum ist sie? Was macht sie dort? D.h. deine Einleitung stellt mehr Fragen, als dass sie diese löst.
Warum nicht direkter einsteigen:
Eigentlich sollte ich aufräumen. Oder genauergesagt einräumen. Schließlich gibt es hier genug zu tun. Statt dessen schnappe ich mir einen Schuhkarton ...
Der Rest gefiel mir gut wegen der emotionalen Dichte. Auch dass sie angesichts ihrer Verlusterfahrung beschließt, ihren Vater zu besuchen, zu dem ihr Kontakt abgeflacht ist, überzeugt mich auf der emotionalen Ebene. Auch gibt die Begegnung zwischen ihr und ihrem Vater einen spannenden Hintergrund für Tag 3 (oder einem anderen Tag, an dem sie ihn besucht)
Fazit:
Ich finde die Geschichte hat Potential. Die Heldin ist in einem Umbruch. Sie sucht sich selbst und ihr neues Leben. Durch deine Art auch ihre Emotionen zu beschreiben machst du mcih neugierig, sie auf ihrer Suche zu begleiten und zu sehen, wo sie am Ende landet.
Paul
Paradieseule:
Hallo Golem
--- Zitat von: Golem am 27 February 2021, 16:48:29 ---Ich möchte mich gleich für die vielen Erbsen entschuldigen, Grammatik ist nicht meine Stärke und der Text ist noch in der kreativen Phase, da versuche ich konkret den inneren Lektor abzuschalten.
--- Ende Zitat ---
Du musst dich nicht dafür entschuldigen. Wer lernfähig/willig ist macht, die gleichen Fehler nur einmal. Und du bist lernwillig. :klug:
Mich wurmen nur die Beiträge, wo sich der Autor nicht bemüht. Jedes ordentliche Textprogramm hat eine Rechtschreibprüfung und da kann mal ruhig den eigenen Text einmal durchschicken, bevor man ihn publiziert.
Was mich betrifft kann ich nur sagen ... ich lerne konsequent dazu. Ich habe z.B. lange den Fehler gemacht, dass ich z.B. geschrieben habe: Ich lies das Unkraut im Beet stehen. (ich lese nicht, sondern lasse. Daher ließ)
Manchesmal helfen auch Eselbrücken: Miene oder Mine. (die Mine explodiert: daher kurz). Und dann gibt es Wörter, die sehr oft falsch geschrieben werden. z.B. widerspiegeln. Gefühlsmässig habe ich immer wiederspiegeln geschrieben. (wieder im Sinne von Wiederholung.) Ich dachte, das sei richtig. Bis mich jemand darauf aufmerksam gemacht hat: Es heißt widerspiegeln. (Im Sinne von gegen)
LG paradieseule
Golem:
--- Zitat von: merin am 27 February 2021, 12:59:35 ---
Die Stärke des Textes sind für mich die intensiven Bilder. Der Text hat etwas Surreales, Traumwandlerisches und das nimmt mich durchaus ein. Die Schwierigkeit für mich steckt allerdings darin, dass ich kein Thema erkennen kann. Du schreibst vorher, die Frau ist geschieden - ich hätte aus dem Text weder lesen können, dass die Prota weiblich ist, noch dass es um eine Scheidung geht. Ich hätte gar nicht sagen können, worum es geht und dass ihr Selbständigkeit wichtig ist. Wenn ich es weiß, habe ich eine Ahnung "es ist meine Zeit und die verträume ich, wie ich will." ist für mich da der zentrale Satz (den ich auch sehr stark finde), aber insgesamt ist mir das Ganze zu unklar. Damit ein längerer Text für mich funktioniert, müsste das schon rein: Eine Idee davon, worum es geht, wo das Ganze hingehen soll. Wahrscheinlich brauchst du Mitte und Ende, um den Anfang polieren zu können, um den zentralen Konflikt hier bereits anzudeuten, wenn nicht gar klar in den Raum zu stellen.
--- Ende Zitat ---
Tatsächlich ist es mir ein großes Anliegen in Bildern zu sprechen, eine knappe Sprache zu verwenden und daran scheitere ich. Ich habe meinen Stil erst ansatzweise gefunden, mich sehr darauf bedacht diese durchaus nicht mehr junge Frau, kein Kind mehr, beschwingt und lebendig darzustellen, Stolz auf ihr jetzt freies Leben. Sie soll später noch sehen das es nicht immer nur bergauf geht. Da ist der Text noch nicht und das ist immer mein Dilemma, viele gute Ideen, ja und dann? Immer nur knapp und Ilder reicht auch nicht. Aber wie die Kurve kriegen?
--- Zitat ---Meine nächste Schwierigkeit ist eine stilistische: Der Text wirkt stellenweise fast lyrisch, wie in "Millionen kleiner Füße vibrieren, haken sich sanft ein und dann schwebe ich." und dann kommen wieder so flapsige Stellen wie in ""Lexa," nuschel ich, "halt die Klappe!""
Dieses "nuschel ich" müsste korrekt "nuschle ich" heißen, aber selbst dann ist es flapsig, zynisch - und das passt nicht zu der fast schon schwülstigen Sprache (gibt es dafür keine neutralere Bezeichnung? Fällt mir grad nicht ein) an vielen anderen Stellen des Textes. Dadurch holpert er für mich immer wieder arg. Es wirkt, als hättest du deinen Stil noch nicht gefunden, deine Sprache, als würdest du zwischen verschiedenen Sprachebenen hin und her wechseln. Das kann man machen, aber hier wirkt es zufällig.
--- Ende Zitat ---
Das ist der Punkt, dieses fast lyrische mit ihrer flapsigen Art zu verbinden. Lyrisch, wenn sie nachdenklich und melancholisch ist, introvertiert. Flapsig wenn sie voller Tatendrang und beschwingt ist. Noch wirkt es unpassend und nur der Schönheit der Sprache willens.
--- Zitat ---Ich hoffe, du kannst mit dieser Rückmeldung etwas anfangen.
--- Ende Zitat ---
Das kann ich, ich danke dafür.
Bitte verzeiht das meine Antworten etwas dauern, ihr bekommt alle eine Antwort, definitiv.
merin:
Wie die Kurve kriegen? Tja, keine Ahnung. Ich glaube, es ist viel Ausprobieren. Aber vielleicht auch bewusster lesen und schauen, wie es andere machen. Karsten Kruschel ist beispielsweise einer, der lyrische Sprache und Flapsiges recht gekonnt verbindet. Zumindest meiner bescheidenen Meinung nach.
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