Hallo Golem.
Deinen ersten eingestellten Text habe ich noch nicht gelesen, deshalb ist das mein erster Eindruck. Die Erbsen lasse ich mal beiseite, denn du wirst ja noch einiges am Text ändern, da du nur im Ansatz zufrieden bist.
1. Dass da eine erwachsene Frau etwas Neues beginnt - und dafür etwas Altes abgeschlossen haben muss, wird deutlich. Hat zwei Kinder, will vom dem Mann nichts mehr sehen, lebt ganz frisch allein (wahrscheinlich sind die Kinder dann selbständig, oder beim Vater, aber dafür fällt ihr das Wegsortieren der Fotos meiner Meinung nach zu leicht). Sie hatte kurz vorher einen Nervenzusammenbruch mit Krankenhausaufenthalt (schön das Detail mit den Butter- und Marmelade-Portiönchen).
2. Ihr Bedürfnis nach Eigenständigkeit wird auch deutlich: durch die gehäufte Verwendung von 'mein', einmal korrigiert sie sich sogar zu 'meiner Landluft' erkenne ich darin eine Art Therapie, eine Bestätigung, dass sie es glauben darf. Sehr anrührend fand ich die Staubflocken:
Und wenn schon, das sind meine Staubpartikel, sie gehören nur mir.
In Verbindung mit der 'Versuchung', das Fenster zum Lüften zu öffnen, sehe ich da jemanden, der sich gegen das erlernte Pflichtpensum wehrt. Sie darf sogar die Staubpartikel mögen, wenn sie das will.
Sie traut sich auch neue Dinge zu, auf die sie stolz ist, wie den Zusammenbau des neuen Bettes. Könnte heißen, vorher wurde ihr viel ausgeredet, Fähigkeiten abgesprochen, wenig Gelegenheit zum Stolz gelassen. Das wäre ein guter Grund, Exmann und Familie zu verlassen, wenn frau nur kleingeredet wird.
Da kommt mein erster Wunsch: Wenn das der so gedachte Hintergrund ist, hätte ich gerne einen Hinweis, was ihr den Anstoß und vor allem den Mut zum Aufbruch gegeben hat. Die Behandlung im Krankenhaus? Dann dürfte sie da positiver dran denken.
3. Mich persönlich irritiert bei einer Frau mittleren Alters die Verwendung von Alexa, erst recht, wenn sonst noch kaum etwas eingeräumt und fertig ist. Ich kenne niemanden außer jungen Leuten, der es wirklich nutzt. Und sagt man 'sie', weil das Teil eine weibliche Stimme hat? Ich habe zuerst an eine Person im Zimmer gedacht. Jaja, old-fashioned.
4. Tag 2 fällt nach meinem Geschmack ziemlich ab. Du skizzierst die wesentlichen Beziehungen zu Mann, Vater, Mutter, lässt aber kein Gefühl, keinen Gedanken an die Kinder übrig. Mindestens die Mutter, gerade wenn es eine negative Beziehung war, kommt zu kurz vor, denn dann gibt es innere Auseinandersetzungen en masse. Der Vater kommt nur in Verbindung mit dem Auto vor (echt 'golden'?, da liegt der Gedanke an Obsession nicht fern), wenn die Mutter darauf eifersüchtig war, warum hat sie ihn dann damit fotografiert und nie anders? Und warum hat er sie böse fotografiert? Als bereiteten sie gegenseitig eine Anklageschrift mit Beweisen vor.
Vorschlag: Lass sie unter vielen Fotos ihre Lieblings- oder Hassbilder anschauen, vielleicht eines so zerreißen, dass die gemochte Hälfte übrig bleibt, die andere zerfetzen. Und ich fände es gut, wenn es eines gäbe, dass sie selbst zeigt, wie sie (wieder) sein will. Das könnte sie sich als Ansporn ud Ermutigung hinhängen.
Danach verlor sich unsere Beziehung in small-talk. Der Entschluss ihn zu besuchen, war einfach da.
Beides kommt etwas unvermittelt. Ich interpretiere, der Vater nahm ihr übel, dass sie die Mutter nicht vermisst oder seine Trauer nicht teilt. Sonst hätten doch beide eher Grund gehabt, einander näher zu rücken. Und ihr Entschluss entsteht doch im Jetzt, oder? War dann ihr Mann doch ein trennender Faktor, der eben jetzt weggefallen ist? Und hat der Vater kein Interesse an seinen Enkeln gezeigt? Zei mir doch, wie sie plötzlich liebevoll oder sehnsüchtig an ihren Vater denkt, an das, was sie verpasst hat, und dann lass sie sich entschließen, sie greift zum Telefon...
5. Der Anfangstraum:
Ich finde es schwierig, den Leser zuerst in einen Traum zu entführen, und ihn dann, wenn er sich gerade orientiert hat, wieder heraus zu katapultieren. Mir haben das schon Leser übelgenommen (ich fand es da auch reizvoll).
Und der Titel Bienenkönigin legt nahe, dass sie sich als Bienenkönigin träumt. Falls ja, gebe ich zu bedenken, dass die Königin eines Bienenvolkes überhaupt keine Individualität hat, sondern nur zur ununterbrochenen Reproduktion da ist. Eine andere Auffassung müsstest du für mich erst herausarbeiten, dazu ist der Traum zu kurz. Also im Fazit würde ich den Traum, wenn er so bleibt, weiter nach hinten stellen, wo man die Protagonistin schon kennt und ihre Träume auf ihr Leben beziehen kann.
Ich denke, das reicht, um dir zu zeigen, wie ich den Text aufgefasst habe und was ich mir dazu wünschen würde. Wenn gewünscht, gucke ich auch noch mal aufs Detail. Oder bei der nächsten Version?
Gruß,
eska