Teufelszeug > Theorie
Schönheit beschreiben
Windstoß:
Kann man Schönheit beschreiben?
Ein Testleser schrieb mir neulich eine Bemerkung zur Beschreibung einer Frau, er möchte sie selber (als Leser) attraktiv finden, bevor sie der Prota als attraktiv bezeichnet.
Zurecht, denn so wie ich es geschrieben hatte, war es eine Behauptung des Autors und kein Bild, was beim Leser entsteht.
Nachdem ich dann eine Weile vor dem Problem gesessen hatte, stellte sich mir die Eingangsfrage: Kann ich denn Schönheit überhaupt in wenigen Worten – es handelt sich um eine Nebenfigur, wo eine seitenlange Betrachtung ihres Äußeren sicherlich fehl am Platz ist – beschreiben?
Ich kann natürlich die üblichen Beschreibungen wählen, wie volle Lippen, lange Wimpern, hohe Wangenknochen, schlanker Hals usw. aber wird die Figur dadurch wirklich attraktiv oder gar schön? Einzelne oder sogar alle diese Merkmale können doch in einem Gesicht vorhanden sein und es ist trotzdem nicht hübsch, weil das Gesamtbild eben ein nennen wir es normales Aussehen ergibt.
Als Leser merke ich natürlich, der Autor will mich jetzt mit diesen Begriffen darauf hinweisen, dass es ein hübsches Gesicht sein soll (weil ich das schon oft so gelesen habe), aber letztendlich finde ich das (als Autor) nicht besser, als eine Behauptung hinzustellen.
Also meine Frage: Kann ich Schönheit überhaupt mit wenigen Worten beschreiben? Oder gehts ohne die wertende Behauptung seitens des Autors nicht, um die Figur (in der Vorstellung des Lesers) in eine bestimmte Richtung zu schieben?
Salamander:
Hallo Windstoß,
meinte der Testleser, dass er sich vor der Behauptung des Prota oder des Autors eine eigene Meinung über die Attraktivität einer Person bilden will?
Ich meine, der Prota kann doch durchaus eine Frau schön finden, ohne dass andere die Meinung teilen müssen.
Wahrscheinlich meinte er das alte: Show don't tell.
Aber zur Frage: Möglich wäre eine indirekte Beschreibung durch die Reaktionen der anderen (drehten sich nach ihr um, Gespräche verstummten.
(Ich erinnere mich an einen Schulleiter, der den Gesprächsfaden verloren hat, als die süße Sekretärin vor ihm die Treppe hochging :devgrin:)
Oder in den Äußerungen anderer Figuren, die über die Schönheit reden.
Mehr fällt mir grad nicht ein.
LG
merin:
In einer Ich-Erzählung könnte man auch versuchen, die Kunst hinzubekommen, die Frau so zu beschreiben, dass anhand der Sprache deutlich wird, dass er sie schön findet - und nicht an der Beschreibung. Denn es geht ja nicht um objektive Schönheit (wenn es die denn gibt). Mich interessieren bei so einer Beschreibung gerade nicht die klassisch schönen Dinge, sondern das, was der Prota da so sieht. Dann sagt die Beschreibung mindestens so viel über ihn wie über sie aus.
Ansonsten finde ich show don't tell ja super, aber zu viel show off ist auch blöde. Insofern könntest du auch einfach hinschreiben, dass er sie schön findet und dann, was das mit ihm macht oder für ihn bedeutet.
Windstoß:
--- Zitat von: Salamander am 06 October 2020, 17:16:56 ---meinte der Testleser, dass er sich vor der Behauptung des Prota oder des Autors eine eigene Meinung über die Attraktivität einer Person bilden will?
Wahrscheinlich meinte er das alte: Show don't tell.
--- Ende Zitat ---
Ja, ich denke so hat er das gemeint.
--- Zitat ---Ich meine, der Prota kann doch durchaus eine Frau schön finden, ohne dass andere die Meinung teilen müssen.
--- Ende Zitat ---
Das ist ein gutes Argument. :biggrin:
Meine Frage geht dahin, ob ich als Autor überhaupt ein Bild vom Aussehen eines Menschen vermitteln kann (ohne seitenlange Beschreibung). Mir geht es so, dass ich zwar ein paar grobe Richtungen vermitteln kann, aber ob der Leser dann vor seinem inneren Auge ein z.B. schönes Gesicht hat oder nicht, kann ich durch die Beschreibung meiner Meinung gar nicht erreichen. Also nur durch die Wertung.
Windstoß:
--- Zitat von: merin am 06 October 2020, 22:10:21 ---In einer Ich-Erzählung könnte man auch versuchen, die Kunst hinzubekommen, die Frau so zu beschreiben, dass anhand der Sprache deutlich wird, dass er sie schön findet - und nicht an der Beschreibung. Denn es geht ja nicht um objektive Schönheit (wenn es die denn gibt). Mich interessieren bei so einer Beschreibung gerade nicht die klassisch schönen Dinge, sondern das, was der Prota da so sieht. Dann sagt die Beschreibung mindestens so viel über ihn wie über sie aus.
--- Ende Zitat ---
Bei einer wichtigen Figur für den Protagonisten oder bei einer wichtigen Begegnung ist das eine schöne Möglichkeit.
Aber kriegst du das auch bei jeder Nebenfigur hin, die dem Protagonisten begegnet? Es muss ja nicht unbedingt Schönheit sein, aber als kurze Charakterisierung für die Figur, ob sie nun schön oder hässlich, verweichlicht oder von Krankheit gezeichnet erscheint, bekomme ich das halt schnell hin mit einem Urteil des Protas (was ja nicht unbedingt richtig sein muss und andere auch nicht teilen müssen).
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