Teufelsrost > Höllenfenster
Pechmarie
Salamander:
Hallo miteinander,
ich möchte gerne wissen, wie dieser Anfang einer Geschichte wirkt. Würde man weiterlesen oder ist das uninteressant?
Gibt es Dinge die unlogisch oder stilistisch unsauber sind?
Rechtschreibfehler habe ich noch nicht kontrolliert.
Schon mal Dank im Voraus! :)
Salamander
Pechmarie
Bei dieser Art von Familientreffen, zu dem mich Mark mitgenommen hatte, gelangt man immer irgendwann an den Punkt, da Fotoalben angesehen werden.
Ich nahm es als Gunstbeweis von Omabella, dass sie mir, der Verlobten ihres Lieblingsenkels, die Familienfotos zeigte. Vielleicht wollte sie mich damit an die Familie binden. Vielleicht mochte sie mich einfach oder spürte mein Interesse an Familiengeschichten.
So saßen wir zusammen auf der Couch, die Köpfe zusammengesteckt, einen blonden und einen weißhaarigen, über dem dicken Familienalbum.
Besonders interessierte es mich, die Personen auf den Fotos mit den Anwesenden im Zimmer zu identifizieren. Es faszinierte mich, Verbindungen zwischen den Fotos und den Anwesenden im Raum zu finden, oder es wenigstens zu versuchen.
Ein Schwarz-Weiß-Foto stach mir ins Auge, zwei altmodisch gekleidete, etwa achtjährige Mädchen, möglicherweise Zwillinge,mit den damals üblichen Trägerschürzen, das eine leicht im Vordergrund. Sein Gesicht beeindruckte mich, ernst und wissend, frühreif und selbstbewusst wirkend, mit einem intensiven Blick.
Das zweite Mädchen stand daneben und doch etwas im Hintergrund, so dass sein Gesicht halb verborgen vom Schatten der anderen war.
„Wer sind diese?“.
„Maya und Marie, meine jüngeren Schwestern.“ Omabellas Miene verdüsterte sich bei diesen Worten.
Suchend schaute ich mich im Raum um, ob sie möglicherweise anwesend waren und ob ich sie erkennen würde. Diese große Frau an der Kuchentheke, das konnte die eine der beiden sein, trotz bestimmt 50 Jahren Altersunterschieds zum Foto, die hohen Wangenknochen, die markante Nase, die hohe Stirn und ebenso der selbstbewusste, sehr ernste Gesichtsausdruck wie auf dem Bild. Konnte ein Mensch von der Kindheit bis ins Alter den gleichen Gesichtsausdruck wahren?
„Stimmt“, bestätigte Omabella meine Vermutung der Identität der Frau und begann zu erzählen:
„Eine schreckliche Geschichte damals. Jahrelang waren sie wie siamesische Zwillinge, die beiden, unzertrennlich; und doch verschieden wie Tag und Nacht. Maya war immer die Führende, Strahlende, Maßgebende, beliebt bei allen. Maya entschied, was gespielt wurde, wer mitspielen durfte und wer nicht. Marie folgte ihr, war das Anhängsel. Dazu kam noch eine körperliche Behinderung Maries infolge einer Kinderlähmung. Sie hinkte. ‚Pechmarie’ verhöhnten andere Kinder sie oft.“
„Oja das muss furchtbar für die kleine Marie gewesen sein“, antwortete ich voller Mitgefühl.
„Nein, ich meinte ein anderes Schreckensereignis “, entgegnete Omabella.
„Eines Tages passierte eine Tragödie.
merin:
Liebe Salamander,
ich bin gut in den Text hineingekommen. Die Erzählstimme finde ich angenehm und das Bild der beiden, wie sie da über dem Album sitzen, hat mich berührt. Ich würde auch weiterlesen. Tatsächlich finde ich aber einiges stilistisch unsauber, besonders nach dem Anfang.
--- Zitat ---Besonders interessierte es mich, die Personen auf den Fotos mit den Anwesenden im Zimmer zu identifizieren. Es faszinierte mich, Verbindungen zwischen den Fotos und den Anwesenden im Raum zu finden, oder es wenigstens zu versuchen.
--- Ende Zitat ---
Hier schreibst du zwei mal das Gleiche, einmal etwas unbeholfen ausgedrückt ("mit jemandem zu identifizieren" finde ich komisch), einmal etwas besser. Meines Erachtens kannst du das durch Kürzen klarer machen:
--- Zitat ---Es faszinierte mich, Verbindungen zwischen den Fotos und den Anwesenden im Raum zu suchen.
--- Ende Zitat ---
Den folgenden Absatz würde ich streichen. Dann kommt also:
--- Zitat ---Ein Schwarz-Weiß-Foto stach mir ins Auge, zwei altmodisch gekleidete, etwa achtjährige Mädchen, möglicherweise Zwillinge,mit den damals üblichen Trägerschürzen, das eine leicht im Vordergrund. Sein Gesicht beeindruckte mich, ernst und wissend, frühreif und selbstbewusst wirkend, mit einem intensiven Blick.
--- Ende Zitat ---
Ich stolpere über "sein". Grammatikalisch ist das korrekt, aber ich würde doch "ihr" wählen, weil zumindest ich nach einem Mann gesucht habe, der ja nicht da ist. Die Beschreibung des Fotos spricht mich an, ich habe sofort das Gefühl, dass hier nun die Geschichte weitergeht, es ein Geheimnis um diese Mädels gibt. Darauf folgt ein Absatz, den würde ich auch streichen.
Und dann die Frage:
--- Zitat --- „Wer sind diese?“.
--- Ende Zitat ---
Zwei Satzzeichen geht nicht. Und die Frage wirkt hölzern. "Wer ist das?" wäre viel natürlicher.
--- Zitat --- „Maya und Marie, meine jüngeren Schwestern.“ Omabellas Miene verdüsterte sich bei diesen Worten.
--- Ende Zitat ---
Ich würde das umdrehen "Meine beiden jüngeren Schwestern, Maya und Marie." Und dann würde ich sie seufzen lassen oder sowas. "Ihre Miene verdüsterte sich" ist mir irgendwie zu ... theatralisch. Das ist letztlich Geschmack. Wenn du es drinlassen willst, streich das "bei diesen Worten". Es ist doch klar.
--- Zitat ---Suchend schaute ich mich im Raum um, ob sie möglicherweise anwesend waren und ob ich sie erkennen würde. Diese große Frau an der Kuchentheke, das konnte die eine der beiden sein, trotz bestimmt 50 Jahren Altersunterschieds zum Foto: die hohen Wangenknochen, die markante Nase, die hohe Stirn und ebenso der selbstbewusste, sehr ernste Gesichtsausdruck. Wie auf dem Bild. Konnte ein Mensch von der Kindheit bis ins Alter den gleichen Gesichtsausdruck wahren?
„Stimmt“, bestätigte Omabella meine Vermutung. der Identität der Frau und begann zu erzählen:
--- Ende Zitat ---
Ich würde das straffen. Für meinen Geschmack enthält der Absatz unnötige Redundanzen. Ich hab mal drin rumgestrichen und zwei Satzzeichen geändert. Und ich würde einfach hinter diesem Eingangssatz weiterschreiben, ohne Erklärung:
--- Zitat ---„Stimmt“, bestätigte Omabella meine Vermutung und tippe auf die vordere Figur auf dem Foto. „Eine schreckliche Geschichte damals. Jahrelang waren sie wie siamesische Zwillinge, die beiden, unzertrennlich; und doch verschieden wie Tag und Nacht. Maya war immer die Führende, Strahlende, Maßgebende, beliebt bei allen. Maya entschied, was gespielt wurde, wer mitspielen durfte und wer nicht. Marie folgte ihr, war das Anhängsel. Dazu kam noch eine körperliche Behinderung Maries infolge einer Kinderlähmung. Sie hinkte. ‚Pechmarie’ verhöhnten andere Kinder sie oft.“
„Oja das muss furchtbar für die kleine Marie gewesen sein“, antwortete ich voller Mitgefühl.
„Nein, ich meinte ein anderes Schreckensereignis “, entgegnete Omabella.
„Eines Tages passierte eine Tragödie.
--- Ende Zitat ---
Für meinen Geschmack erklärst du zu viel, was schon implizit enthalten ist. Wenn jemand sagt, dass etwas furchtbar für jemanden war, dann ist das mitfühlend. Die Erklärung, dass es das ist, brauche ich nicht. Ansonsten gibt es ja ab dem Punkt, wo du das Foto ins Zentrum rückst, ein Foreshadowing. Das spitzt du dann zu. Für mich ist der letzte Satz zu viel des Guten. Lass mich als Leserin entscheiden ob das, was mir gleich berichtet ist, tragisch ist oder nicht. Und gib Omabella ein bissel emotionale Reaktion oder Handlung. Deshalb habe ich sie auf das Foto tippen lassen. Du könntest als retardierendes Element sogar kurz ihren Finger beschrieben, sie als Person sichtbarer machen. Der Finger wandert an der einen Stelle zu dem einen, dann zu dem anderen Mädchen. Das würde ich mögen.
Ich bin gespannt, was nun mit den beiden passiert ist!
Liebe Grüße
merin
LaHallia:
Hi Salamander,
für mich funktioniert das als Anfang einer Geschichte nicht. Es ist doch jedermanns Albtraum bei fremden Leuten Fotos anschauen zu müssen. Das dauert immer viele Stunden und man muss sich ständig dazu zwingen, dass einem irgendwelche Kommentare dazu einfallen.
Das Interesse der Prota an Fotos kann ich nicht nachvollziehen. Ich kenne sie ja auch nicht. Und auch die Leute auf den Fotos nicht. Wenn du der Sache mehr Zeit gelassen hättest und irgendwie so ein: "Oh mein Gott, jetzt kommen die Fotoalben. Irgendwie bin ich ja geschmeichelt, dass Omabella mich so mag, aber andererseits werden wir nie nach Hause kommen" drinnen und das würde sich langsam auflösen in Interesse, dann würde ich mir schon leichter tun.
Die Anspielung auf Marie und die Tragödie kommt mir zu schnell und ist zu plump. Zwillinge. Lieben sich. Sind total unterschiedlich. Dann stirbt der eine Zwilling und der andere kommt nie drüber hinweg. Das ist ein Klischee für mich. (Ich habe übrigens selbst eine eineiige Zwillingsschwester^^).
Den Namen Maya halte ich, besonders auch durch die Schreibweise, als eher unwahrscheinlich für ca 1960.
Sprachlich ist der erste Absatz sehr schwierig konstruiert. Ich bin über die ersten Sätze ziemlich drüber gestolpert. Später wird es sprachlich aber flüssig zu lesen.
Durch das Klischee und den gehetzten Einstieg, würde es mich wohl nicht zum Weiterlesen motivieren.
Liebe Grüße,
LaHallia
Salamander:
Vielen Dank für die schnelle Rückmeldung, super.
Zwei ganz unterschiedliche Meinungen, aber ... überrascht mich nicht. Ist es nicht häufig so?
@merin: Danke für diese hilfreiche Detailarbeit.
An einigen Stellen hatte ich auch schon gearbeitet, deshalb z.B. auch diese Doppelung mit "fasziniert, Verbindungen zu suchen".
Auch bei "sein" und "ihr" Gesicht hatte ich schon geschwankt.
Ganz wichtig die Redundanzen, Du hast völlig Recht: mehr Raum dem Leser lassen. (Man weiß es und trotzdem muss es einem immer wieder gesagt werden!) ;)
Werde alle Anregungen überdenken und nach Bedarf einarbeiten.
Erleichterung, dass Dich der Fortgang interessiert.
@LaHallia:
Tja, schade, bei Dir weckt der Anfang kein Interesse.
Da ist was dran, an "jedermanns Albtraum, Fotos angucken" :biggrin:
Auch das "zu schnell = plump" lässt mich nachdenken.
Geschmackssache oder nicht?
Wie auch immer, sehr nützlich, die Rückmeldungen!
Schönes Wochenende wünscht Salamander!
Viskey:
Morgen, Salamander!
Ich drück mich dann mal noch ein bisschen vor meiner Überarbeitung und röste hier ein bisschen. :biggrin:
--- Zitat von: Salamander am 28 February 2020, 13:05:12 ---ich möchte gerne wissen, wie dieser Anfang einer Geschichte wirkt. Würde man weiterlesen oder ist das uninteressant?
Gibt es Dinge die unlogisch oder stilistisch unsauber sind?
--- Ende Zitat ---
Die ersten Absätze finde ich sehr schön. Es kommt ziemlich gut durch, dass die Ich-Erzählerin Anschluss an die Familie ihres Freundes finden will. Sie will, dass das funktioniert. Sie ist ehrlich an diesen Menschen interessiert. Es ist eine schöne, ruhige Stimmung. Das gefällt mir.
Stilistisch ist der Schwenk von hier zur Tragödie einfach viel zu schnell. "Eines Tages passierte eine Tragödie" ist jetzt auch kein Satz, den ich irgendjemanden sagen höre. Den finde ich stilistisch schon ziemlich daneben.
Ich würde jetzt mal sagen, ich würde noch so weit lesen, um herauszufinden, was diese Tragödie denn war. Bei dem Tempo, dass ich hier sehe, kommt das ja im nächsten oder übernächsten Absatz. :watchout:
Eine Familientragödie bindet man ja nicht jedem sofort auf die Nase, auch wenn man denjenigen sympathisch findet.
Ich fände es sehr viel stimmiger, auch in Hinblick auf den Einstieg, wenn die Oma da blinzeln würde, versuchen, schnell zu überblättern ... und höchstens ein "Das sind meine jüngsten Schwestern, Maya und Maria" fallen lässt. So, wie ich die Erzählerin nach diesen paar Zeilen einschätze, versteht sie den Wink mit dem Zaunpfahl und fragt nicht weiter nach, jedenfalls nicht bei der Oma. Ich kann mir vorstellen, dass sie dann später Mark fragt. Der kann dann entweder selber nichgts wissen, oder nur sehr grob, oder ... da sind deine MÖglichkeiten dann offen, je nachdem, wie nah Mark sich der Erzählerin fühlt, wie sehr ehr daran glaubt, dass sie demnächst Teil dieser Familie sein wird oder nicht ...
Abgesehen von dem viel zu schnellen Abrutschen gegen Ende dieses Ausschnitts fand ich es sehr schön zu lesen. Ich mag's, wenn's nicht immer mit Mord und Todschlag und voller Action anfängt.
LG Viskey
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