Dann mal offiziell Hi!
Ich hab schon lang kein Gedicht mehr auf Herz und Nieren überprüft und vielleicht hilfts ja deiner lyrischen Stimme, wenn ich alles mal zerdenke. Vielleicht nicht. Finden wir es raus!
TextKurz zur Symmetrie: Cooles Fundament. Sonne sinkt, Mond sinkt. Aufbau fühlt sich sehr intuitiv an, wobei das Ende dem Ganzen nicht gerecht wird. Dazu später mehr.
1. StropheSchwester ich hab dich schon atmen gesehen
bevor noch die Sonne zerschmolz
Einfach so versteh ich „schon atmen gesehen [~Anfang]“ mit „bevor die Sonne zerschmolz [~Ende]“ nicht; man sieht niemanden schon kurz vor dem Ende. Also muss man das Atmen wohl als Veränderung bzw. Vorzeichen des Beziehungsendes sehen. = Ich hab schon deine Zweifel gesehen, bevor alles kaputt ging. Aber dann wiederum, ist für mich Atmen = Leben. Und dann steht da: Ich hab schon gemerkt, dass du angefangen hast dein eigenes Leben zu leben, bevor es mit uns beiden nicht mehr funktioniert hat. Hört sich nicht nach einer gesunden Beziehung an, was nicht passt, weil man ja nicht um die schlechten Beziehungen trauert. Nicht, nicht, nicht. Weiter!
ein Windhauch nur
weiß aus deinem Mund
Schön.
und so viel Nähe, die ich hinter mir ließ.
Mit dem „und“ wird aus dem ganzen irgendwie eine Aufzählung. Ich lasse hinter mir: einen Windhauch, einen weißen Mund und viel Nähe.
und so viel Nähe, die ich hinter mir ließ.
Nun bist du verschollen hinter dem Horizont
und ich gehe ins Weite.
Ich tu mir schwer mit dem (Refrain?) (Refrain!) Refrain in der ersten Strophe. Es ist die Choreografie des Ganzen: Ich lasse etwas hinter mir, dann bist du verschollen, dann gehe ich ins Weite. Kann man etwas hinter sich lassen, dass verschollen ist? Ich weiß es nicht. Kann man ins Weite gehen, nachdem man schon alles hinter sich gelassen hat? Ich weiß es nicht. Mir scheint es zu viel. Wenn du verschollen bist, dann hast du mich zurückgelassen. Wenn ich ins Weite gehe, dann ich dich. Wenn ich dich hinter mir lasse, dann bin ich verschollen. Vielleicht ist es einfach das Wort verschollen.
Nein, hah! Ich habs, ich mag das doppelte „hinter“ nicht. Versteh es dann zwar immer noch nicht, aber damit ist es schöner. Ich sollte vielleicht mal pausieren und Lob aussprechen. Das mit dem Atmen ist etwas Besonderes, nur weiß ich noch nicht ganz wieso eigentlich. Vielleicht ist aber genau diese Ambivalenz der tragende Pfeiler. Vielleicht nicht. Das weiß ich nicht, das musst du rausfinden. Nicht, nicht, nicht, nicht, nicht. Weiter!
2. StropheBruder ich hab deine Tränen geschmeckt
als der Mond schon wieder versank.
Erneut. Schön. Erneut versteh ich das „als“ nicht wirklich, aber das ist ok. Hier störts mich nicht so wie oben.
Ein Schatten bist du
ein leeres Versprechen
ein Mund voll Sehnsuchtsblüte.
Dafür ist das zu 2/3 nicht so schön. Außerdem versteh ich es nicht. Vorher hast du dem Bruder die Tränen wegschnabuliert und dann ist er dir zu wenig? Für mich ist Weinen und Traurigkeit nichts was einen Schatten ausmacht und finde es auch ein bisschen gemein den traurigen Menschen gegenüber. Ein leeres Versprechen weint nicht, es isst deine Spaghetti auf und ruft nicht zurück (wörtlich zu nehmen) und ein Schatten hat keine Gefühle, also auch keine Tränen. Sorry Schatten! (aber es ist wahr) (nicht, nicht, nicht, nicht, nicht)
3. StropheTochter ich weiß nicht
was ich dir geben soll
Im Gegensatz zu Viskey find ich die Nur-Tochter-Strophe wichtig für den Text, weil sehr persönlich. Das lyrische Ich hat vielleicht nur eine Tochter und diese eine Beziehung gilt es abzulichten. So gibst du mehr Information preis, als wenn du mehr schreiben würdest.
aber ich geb es so gut ich's vermag.
Ich glaub es gibt eine bessere Kombination an „es“‘s.
Ich halt deine Hand, so lange du willst
so lange ich mitgehen kann.
Lieb.
Und ich weiß, der Wald wächst
und du mit ihm
Ich weiß zwar nicht wo der Wald jetzt hergekommen ist, aber trotzdem schönes Bild und definitiv besser als die erste Version. Ich hätt nichts gegen ein „und du mit ihm mit“. Rollt gut von der Zunge.
bis du eines Tages gehst,
bis die Welt dich aufnimmt und mich zurücklässt.
Dann gehst du lächelnd ins Weite.
Das Ende ist der Teil vom Gedicht, der mir wirklich nicht gefällt. 1stens: gehst und gehst. Pfui! Pardon. Aber es ist praktisch nur die letzte Zeile. Sie funktioniert einfach nicht. Es passt mit keinem Rhythmus, mit dem ich es lese. Und von der Struktur erinnert es an die Horizontfragen von oben. Die Tochter geht, wird aufgenommen, lässt dich zurück und geht erneut? Die letzte Zeile übermittelt einfach keine neue Information. Bin gespannt darauf, wie du meinen Input verwurstest und beende
AbschließendInhaltlich ist es randvoll. Es geht um Freunde, Liebe, Trennung, Erwachsen werden, Eltern sein. Und es ist sehr kurz. Da bleibt nicht viel Platz für etwaige Unklarheiten, deswegen schau ich auch so genau auf das gelegentliche Adverb. Nach dem Korrekturlesen sehe ich jetzt, dass ich wohl die Hälfte nicht gecheckt hab, kann aber definitiv sagen, dass Teile davon sehr schön sind.
Ich würde mich freuen, wenn mir entweder meine Blasphemie mit einer messerscharfen Antwort aus dem Leib operiert wird oder eine neue Version des Gedichtes das Licht der Welt erblickt.
Also Handlungsempfehlung: Das Gedicht braucht Inspiration für die 2te, sowie Textbau für die 3te Strophe.
Viel Glück damit!
PS: Röst-Ratschläge sind willkommen!
PPS: Röstung hat 29 authentische "nicht"'s. Literat durch und durch.