Teufelsrost > Höllenfenster
LM Steinhuder Meer
tlt:
Mir geht es bei dem Text wie auf dem Trampolin. Ich springe auf und ab und habe nicht wirklich Kontrolle über das Geschehen. Dazu kommt eine Sprache, die so gar nicht zu dem passt, was beschrieben wird (ein banales, seichtes Jugenderlebnis). Ich nehm dazu mal nur ein Beispiel gleich zu Anfang.
--- Zitat ---Als die Sonne ihren Verlauf am Himmel etwas abgesenkt hatte, beschlossen Mona und ich zurück zu unserer, für dieses Wochenende gewordene Heimatstatt zu kehren. Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen. Langsam radelten wir zurück.
--- Ende Zitat ---
Nach der ersten Handlungserzählung (zurück zur „Heimatstatt“) kommt der Satz: „Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen.“ Aha! Bei was? Und während ich mich das frage, geht es mit radeln weiter. Damit sicher nicht. Und genau das, was mich da noch umtreibt, weil ich mir davon einen Einblick ins Innenleben der Prota erhoffe, wird nicht mehr erwähnt. Stattdessen eine eher unspannend erzählte Begegnungsgeschichte, die vor allem eines ist: unglaubwürdig. Im Ablauf und im Dialog.
Dazu, wie schon gesagt, die Wortwahl. „ihren Verlauf am Himmel etwas abgesenkt“, „Heimatstatt“ (was immer das sein soll?), Wahrnehmung, Bremsmanöver … Das macht die Geschichte sehr sperrig und unglaubwürdig. Ist ein wenig so wie der alte Opel Admiral, den ich gestern gesehen habe: Hatte hinten drauf den Aufkleber „Ich bin Energiesparer“. Aber während es beim Opel noch als Satire oder Protest interpretiert werden kann, ist das in der Geschichte nicht zu finden (und wohl auch nicht so gedacht).
Wie gesagt, ich hopse auf der Geschichte ein wenig rum, aber Spaß macht es keine.
Paradieseule:
--- Zitat ---Als die Sonne ihren Verlauf am Himmel etwas abgesenkt hatte, beschlossen Mona und ich zurück zu unserer, für dieses Wochenende gewordene Heimatstatt zu kehren. Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen. Langsam radelten wir zurück.
--- Ende Zitat ---
Nach der ersten Handlungserzählung (zurück zur „Heimatstatt“) ... Ein Tippfehler: Heimatstadt :stirn:
--- Zitat ---kommt der Satz: „Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen.“ Aha! Bei was?
--- Ende Zitat ---
... das bezieht sich auf den vorherigen Text. Wie oben erwähnt, es ist ein Ausschnitt.
Paradieseule
merin:
Ich greife das mal auf, weil ich, denke ich, Viskeys Einwurf des noch nicht ganz gefunden Stils hier gut belegen kann. Ich hatte das vorher nicht gesehen, aber nun springt es mir ins Auge:
--- Zitat ---Als die Sonne ihren Verlauf am Himmel etwas abgesenkt hatte, beschlossen Mona und ich zurück zu unserer, für dieses Wochenende gewordene Heimatstadt zu kehren. Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen. Langsam radelten wir zurück.
--- Ende Zitat ---
Sie fahren also in eine Stadt zurück. Eine Stadt, die für ein Wochenende, ihre Heimat geworden ist. (muss es nicht "gewordenen Heimatstadt" heißen?) Und um das zu beschreiben, nutzt du einen schwülstigen, etwas antiquiert anmutenden Schreibstil. Das geht so weiter: Radler gebieten Einhalt, Menschen frönen sportlichem Eifer. Das ist ja keine Alltagssprache. Und es ist Ich-Perspektive. Und dann handelt die Prota, der wir da zusehen, aber gar nicht gesetzt, oder klassisch, sondern unüberlegt und wenig nachvollziebar. Das gipfelt in:
--- Zitat ---Ach, du liebe Scheiße
--- Ende Zitat ---
Mhm. Wie geht das zusammen?
Man kann diesen Widerspruch nutzen. Mir scheint es aber, das ist so passiert (wie es mir auch immer wieder passiert). Ich denke, es lohnt sich, einen Schritt zurückzutreten und einen analytischen Blick auf den Text und die Figur zu werfen. Warum hast du dich für diesen Sprachduktus entschieden? An welchen Stellen möchtest du ihn warum brechen?
kass:
Hi Paradieseule,
mir ist beim Lesen aufgefallen, dass du oft mittelbar und nicht unmittelbar erzählst, wie mit einer Kommentarfunktion versehen. Das macht das Lesen für mich eher mühsam, ich kann nicht in die Figur einsteigen.
Hier ein paar Beispiele, für das, was ich meine:
--- Zitat ---Ich hörte, wie von hinten schnell rollende Fahrräder herannahten. Ich bremste ab und stellte, wie ein Schutzengel für Enten, mein Fahrrad quer zur Fahrtrichtung. Bevor ich mir über die Konsequenzen meiner spontanen Reaktion überhaupt klar wurde, hörte ich Bremsen quietschen und Ausrufe, die nicht gerade schmeichelhaft waren. Meine Wahrnehmung konzentrierte sich auf ein durch die Luft fliegendes Fahrrad, dem der zuvor darauf sitzende Radfahrer unmittelbar folgte. Ein „Ach, du liebe Scheiße“, durchfuhr mich. Vielleicht beruhigte mich der Anblick des Fahrradhelmes oder des perfekten Outfits. Vielleicht war es auch das sanfte Schulterklopfen des fliegenden Radlers angehörigen Schutzengels, denn als der Mann schließlich in einem weichen, moorigen Tümpel landete, musste ich lauthals lachen. Entgeistert blickten mich alle Beteiligten an, nicht zuletzt auch der Mann im Tümpel, der sich schwarzen Schlamm aus dem Gesicht wischte.
--- Ende Zitat ---
Ich hörte, wie ... statt ... Hinter uns klingelte es schon wieder. Schnell fahrende Räder wollten uns überholen.
Bevor ich mir über die Konsequenzen meiner spontanen Reaktion überhaupt klar wurde, hörte ich Bremsen quietschen und Ausrufe, die nicht gerade schmeichelhaft waren. ... statt ...
Bremsen quietschten. Jemand schrie: "Vorsicht!" Ein anderer Mann rief: "Aus dem Weg!"
Meine Wahrnehmung konzentrierte sich auf ein durch die Luft fliegendes Fahrrad, dem der zuvor darauf sitzende Radfahrer unmittelbar folgte. ... statt ... Ein Fahrrad flog durch die Luft / überschlug sich. Der Radfahrer flog durch die Luft, und ich hielt die Luft an. Ach, du Scheiße! Wenn ihm was passiert? Er sich das Genick bricht? Erstarrt stand ich machtlos da und Bilder rasten durch meinen Kopf von gebrochenen Knochen, Blut und Tod. Es platschte. Er landete in einem weichen, moorigen Tümpel, und ich kann wieder atmen.
Warum sollte sie in einer solchen Situation sich nach den anderen Typen umdrehen? Ich würde das nicht tun. Im Moment ist doch nur eins wichtig: hat der Radfahrer den Unfall schadlos überstanden, den ich verursacht habe?
Mir erschien es beim Lesen so, dass du über die Figur schreibst und nicht aus ihr heraus. Wenn du erreichen möchtest, dass der Leser sich mit der Figur identifiziert, dann ist es einfacher, das zu erreichen, wenn du in die Figur einsteigst und unmittelbar den Leser miterleben lässt, was gerade geschieht.
Meine Anregungen sind immer auch von meinen eigenen Vorlieben geprägt. Ich mag es halt, wenn ich eine Geschichte durch die Figur erleben darf. Welche Erzählform bevorzugst du beim Lesen? Kannst du definieren, wohin du deinen Schreibstil entwickeln möchtest?
LG
Kass
Paradieseule:
Manches Mal mag ich es blumig, salopp, spassig oder nüchtern. Oft entscheidet die Tagesform.
Mir ist klar, dass ein Stilmix nicht unbedingt gut ist. Aber es kommt auch darauf an, um was es gerade geht.
Ich habe diesen Teil auf Wunsch anderer hier ins Forum gestellt, dann landete er auf dem Rost. Mir war auch klar, dass sich ein paar "Krüppel-Sätze" hier eingeschlichen haben, konnte mich aber noch nicht davon trennen ... weil ich noch unschlüssig deswegen bin.
Ich glaube nicht, dass ich von mir aus diesen Text gewählt hätte. Aber so ist es auch gut, denn ich bin nicht hier um Applaus zu haschen, sondern mich auch mit den Meinungen/Anmerkerungen anderer auseinanderzusetzen.
Danke für den Hinweis für mittelbar und unmittelbar. Ich werde mir die Stellen nochmals zu Gemüte führen.
Die Ich-Perspekte schränkt enorm ein, weil alles durch den "Filter" des erzählenden Protagonisten geht. Nebenschauplätze können kaum beschrieben werden.
Es kommt sehr auf den Inhalt an, was transportiert werden soll. Ich schreibe (anderes) auch in anderer Erzählform.
Meine Schreibstil Entwicklung?
Ich mag es nicht platt. Ich mag es doppelbödig, spitzzüngig, unterschwellig. Aktuell entdecke ich gerade, wie man mit wenigen Worten viel sagen und auch Übergänge bauen kann.
Ich möchte eine "saubere" Wortwahl. (wenig Anglizismen, ausdrucksreiche Sprache, Umgangssprachliches nur auf Bedarf, die Genialtät der deutschen Sprache)
Leider fehlen mir oft die entsprechenden Wörter und greife zu Redewendungen und Metaphern.
Selber lese ich gerne Martin Suter und mag Känguruh-Chroniken, auch Patrick Rothfuss hat mich mit seinem Stil sehr beeindruckt.
LG Paradieseule
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