Hallo Teufel,
hier ein noch nicht durchgefeilter Abschnitt aus meinem neuen Fantasy-Projekt. Das Feilen kommt erst dann, wenn die Geschichte als Ganzes steht.
Trotzdem hätte ich gerne Eure Meinung, ob die Schilderung aus der Perspektive einer Katze glaubhaft ist. Vor allem die unserer Katzenspezialisten würde mich interessieren.
In dem Text sind ein paar Andeutungen/Sätze, die wahrscheinlich ohne die Vorgeschichte nicht verständlich sind, aber das ist nicht so wichtig. Hier nur so viel: Jandra hat sich in eine Katze verwandelt, um mehr über die Pläne der Botschafter des Landes Kruchtaria zu erfahren.
Das offen stehende Fenster lag ungewohnt hoch über Jandra. Auch war es eine seltsame Vorstellung, aufs Fensterbrett hinaufzuspringen, aber sie wusste, dass sie es konnte. Mit einem geschmeidigen Satz war sie oben und spähte in die Gasse hinunter, die hinter dem Gladiatorenhaus vorbeiführte. Es war verblüffend hell, obwohl es Nacht war, und sie sah alles ganz genau: die Risse in der Ziegelmauer des Nachbarhauses, den Abfallhaufen mit den welken Salatblättern und Melonenschalen. Die Farben waren eigenartig, sie wirkten bläulich oder grünlich wie unter Wasser.
Sie sprang hinunter und landete weich auf dem Boden – als Mensch hätte sie sich dabei leicht den Knöchel verstaucht.
Jandra hatte sich den ganzen Tag über immer wieder darauf konzentriert, eine Katze zu werden, und am Abend hatte der Feueropal angefangen zu glühen und sich zu erwärmen. Ihre Haut hatte gekribbelt, und dann war es geschehen.
Das Gehör einer Katze war viel besser als das eines Menschen, vom weit entfernten Marktplatz tönte Gelächter, das Grölen von Betrunkenen und Gesang.
Durch ein Gewirr schmaler Straßen trabte sie in Richtung des königlichen Palasts. Eine Vielfalt von Gerüchen stürmte auf sie ein. Der fettige Dunst von Fleischsauce, der aus der geöffneten Tür eines Gasthofs strömte, verschiedene Noten von Urin an den Straßenecken, der süßlich-eklige Geruch von Hundekot, das Aroma von nassem Fell. Sie musste dem Drang widerstehen, in eine Seitengasse abzubiegen, in der es verlockend nach Fisch duftete. Doch offenbar hatte sie nicht alle Bedürfnisse einer Katze angenommen: als eine Maus vorbeihuschte, fand sie die Idee sie zu fangen und aufzufressen wenig attraktiv. Und sie konnte immer noch logisch denken wie ein Mensch.
Der Eingang zum Palast wurde von einem Dutzend Soldaten bewacht. Einige lehnten träge an der Mauer, zwei standen mit hängenden Schultern unter dem offenen Torbogen. Sie witschte zwischen ihren Füßen hindurch und hörte noch jemanden hinter sich sagen: „He, was war denn das für ein Vieh?“, worauf ein anderer erwiderte: „Bloß ne dreckige Katze.“
Jandra schlich durch den Palmengarten und an Rosenbeeten vorbei zu dem neuen Anbau, der so prunkvoll war, dass das Volk wegen der Geldverschwendung gemurrt hatte. Sie war ziemlich sicher, dass der König die Kruchtaren dort untergebracht hatte, um sie mit seinem Reichtum zu beeindrucken.
Das Gebäude war mit Türmchen und Erkern, Statuen und Ornamenten geschmückt, die Rundbogenfenster gingen auf Balkone mit verschnörkelten eisernen Geländern hinaus. Die Fassade war dunkel, aber der pompöse Treppenaufgang war von Fackeln beleuchtet. Drei Soldaten hockten auf den Stufen und spielten Karten.
Wann würden die Kruchtaren von dem zu ihren Ehren veranstalteten Fest zurückkehren? Und wo würden sie sich treffen?
Jandra schlüpfte hinter den Stamm eines Ahornbaums in der Nähe des Eingangs und wartete.
Ihre Nase kräuselte sich, als ihr ein ölig-rauchiger Lufthauch entgegenwehte, und sie hörte das Knirschen von Schritten auf Kies viel früher als die Wachen. Es dauerte noch eine Weile, bis sie aufhorchten und die Haltung stolzer Soldaten einnahmen.
Jandra hatte die Gesandten bei ihrem Rückweg von Averlans Wohnung gesehen, als sie zusammen mit der königlichen Familie auf dem Weg zum Tempel gewesen waren. In ihrer schlichten dunklen Kleidung hatten sie zwischen den prunkvollen Gestalten der Eskandier gewirkt wie Amseln in einer Schar Papageien, und einige Zuschauer hatten giftige Bemerkungen über die Armut Kruchtarias gemacht. Dann war Camor aufgetaucht, ernst, ebenfalls in Schwarz. Ach Camor ... Hoffentlich war die Prinzessin so fett und abstoßend wie eine Nacktschnecke.
Nun gingen die Botschafter und einige mit Fackeln ausgerüstete Diener an Jandras Versteck vorbei und verschwanden im Inneren des Gebäudes. Lichter glommen auf, zuletzt eines in einem Fenster im ersten Stock.
Glück gehabt. In der Nähe des Balkons, auf den dieses Fenster hinausging, wuchs ein Esskastanienbaum. Sie schlich hinüber, fuhr ihre Krallen aus, flitzte den Stamm empor, kroch über einen wippenden Ast und sprang auf den Balkon hinunter. Dass sich Katzen fast geräuschlos bewegen konnten, war wirklich praktisch, sonst hätten die Kruchtaren den Aufprall gehört – die Tür, die hinaus auf den Balkon führte, stand einen Spalt weit offen.
Jandra kauerte sich davor nieder.
„... gut, dass wir morgen abreisen“, sagte eine heisere Stimme. „Vor diesen eskischen Schweinen ständig Theater spielen zu müssen ist anstrengend.“
Ein Kichern. „Ach Iltesiu. Das ist doch das tägliche Brot eines Diplomaten. Mir macht das Spaß.“
Jandra roch etwas Scharfes, hörte Schlürfen und das Gluckern von Flüssigkeit.
Sie schob sich etwas nach vorn und spähte in den Raum: Ein dunkelblauer Teppich, Tisch- und Stuhlbeine und zwei Paar Füße in Lederstiefeln.