Ich hab mich vor Kurzem an diesen alten Text erinnert und ich hab ihn mir noch einmal ein bisschen zur Brust genommen.
Inhaltlich hat sich zwar nichts verändert, aber ich habe mich mit dem Erzählstil mehr an euren Kritiken orientiert und würde noch einmal gerne eure Meinung dazu hören. Ein paar sperrige Details wie z.B. Alter, Anzahl der Leichen etc. habe ich versucht aus dem Weg zu räumen und die Passage des Rauschs mehr ausgearbeitet.
Vor allem interessiert mich, ob er (bei denen, denen der Text gefallen hat) auch beim 2. Mal lesen noch seine Wirkung entfaltet oder nur mit der Überraschung des ersten Mals funktioniert.
Bei Zweitlesern interessiert mich natürlich, ob ich mich verbessert habe im Vergleich zum ersten Versuch und bei Neulesern interessiert mich weniger der Vergleich, als die Frage wie der Text auf euch wirkt.
Zum Vergleich:
http://www.federteufel.de/forum/index.php/topic,1881.msg37470.html#msg37470--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Rothaarig...
Ausgerechnet rothaarig...
Ungläubig schüttelte Ryan den Kopf. All die Jahre hatte es keinerlei Probleme gegeben. Er hatte sein Leben genießen können, doch nun drohte er erneut schwach zu werden. Gefühle, die er jahrelang unterdrückt hatte, wallten in ihm auf und allein die Erinnerung an dieses hübsche Mädchen mit ihrem kupferroten Haar reichte, um sein Herz zum Rasen zu bringen. Dabei wusste er genau wie gefährlich diese Gefühle für ihn und seine Umwelt werden konnten. Er wollte keine Gefahr mehr sein! Sechs Jahre... sechs verdammte Jahre hatte er sich unter Kontrolle gehabt und nicht im Entferntesten dieses gierige Verlangen in seiner Brust gespürt.
Warum...?
Warum nur musste zu diesem harmlosen Treffen unter Technik-Geeks ausgerechnet solch eine rothaarige Schönheit auftauchen?
Ihm blieb nur die Flucht. Er musste raus aus dieser verdammten Schule, raus aus dieser Stadt und zwar schnell. Doch tief in seinem Herzen wusste er, dass es dafür längst zu spät war. Er öffnete die Tür des WC´s und trat auf den Flur, fest entschlossen sofort loszusprinten. Doch dazu sollte es nie kommen.
Kaum war die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, überkam ihn ein überwältigendes Gefühl von Gelassenheit. Der eben noch gefasste Entschluss wurde hinweggefegt von einer tiefen, jeden Gedanken erstickenden Ruhe. Sein Körper war leicht, kaum noch spürbar. Bewegte er sich oder stand er? Der alte Flur schien an ihm vorbeizuziehen wie ein langsamer Zug. Die Wände kühl und langweilig, das gleißende Licht am Ende verlockend und erschreckend. Ein Rauschen in den Ohren. Das Pulsieren des Lebens als forscher Rhythmus. Er ließ sich mitreißen, tanzte zum Herzschlag, badete im Licht. Helle Stimmen ergänzten den dumpfen Bass. Ein schönes Rot zierte die einst kahlen Wände. Die Schuhe aufgeweicht, die Hände verschmiert. Sein weißes Shirt verfärbte sich.
Rote Haare im Wind...
Kein Laut. Um ihn herum herrschte eine gespenstische Stille. Die kupferroten Haare des Mädchens bildeten einen faszinierenden Kontrast zur blutigen Pfütze unter ihrem Kopf. Er hatte nicht widerstehen können, hatte sein Monster nicht im Zaum halten können. Doch trotz der Leichen die im Computerraum verteilt lagen, war sein Verlangen noch längst nicht befriedigt. Sein Blut kochte noch immer und er schrie auf, gepeinigt von der unendlichen Gier nach mehr.
Schweißgebadet schreckte Ryan aus dem Schlaf auf. Schwer atmend versuchte er sich zu orientieren, doch die Dunkelheit um ihn herum drohte ihn zu erdrücken. Hektisch, fast panisch schaltete er die Nachtischlampe neben seinem Bett ein, zog die Knie an die Brust und krallte seine Finger in die Oberarme, dass es schmerzte.
"Das war nur ein Traum..."
Er wiegte sich vor und zurück.
"Das bist nicht du..."
Das Wippen wurde schneller.
"Das hast du nicht getan..."
Seine zittrige Stimme drohte zu brechen.
"Das wirst du auch niemals tun..."
Er begann zu Hyperventilieren.
"Du wirst Jenna nichts tun..."
Er biss sich beim Sprechen auf die Lippen.
"Jenna wird nichts geschehen..."
Seine Stimme wurde lauter, die Panik darin unüberhörbar.
"Jenna wird nichts geschehen..."
"Jenna wird nichts geschehen..."
Seine Stimme wurde mit jedem Mal lauter und endlich rannen die Tränen über sein Gesicht.
"Armer Kerl. Er hatte noch sein ganzes Leben vor sich" Richardson seufzte, "was ist Geschehen?"
"Das weiß niemand so genau", antwortete Sean, leitender Arzt der psychiatrischen Einrichtung, während eine Krankenschwester das kleine Zimmer betrat und beruhigend auf den jungen Mann einredete. Richardson schätzte ihn auf Ende zwanzig. "Man hat ihn blutverschmiert im Computerraum der Realschule hier im Ort gefunden. Anscheinend gab es dort einen Workshop für Hobby-Programierer oder etwas in der Art. Er stand mitten zwischen den Leichen von fünf anderen Teilnehmern über den Körper eines toten Mädchens gebeugt. Sein Zustand war dem, was du gerade beobachten konntest recht ähnlich und viel mehr hat er bisher auch nicht gesagt."
"Diese Jenna. Ist das die Tote?"
"Nein. Der Name der Toten lautete Elena Miller. Auch unter den anderen Opfern befand sich kein Mädchen namens Jenna."
"Vielleicht in seiner Familie, eine seiner Freundinnen oder irgendjemand anderes aus seinem Bekanntenkreis?"
"Ehrlich gesagt, weiß niemand wer er ist. Weder Fingerabdrücke noch DNA Tests haben bisher seine Identität klären können."
Richardson schüttelte ungläubig den Kopf und kaute auf seiner Unterlippe.
"Was für eine Waffe hat er benutzt um das Blutbad anzurichten?"
Er musste fragen, doch er kannte die Antwort bereits.
"Keine Waffe Steve. Er hat ihnen die Kehlen mit seinen Fingern aufgeschlitzt oder durchgebissen. Er ist scheinbar vollkommen ausgerastet und über die anderen Teilnehmer hergefallen."
Steven Richardson atmete tief durch.
Das konnte einfach nicht wahr sein. Nicht nach all den Jahren.
"Behandel ihn gut Sean. Dieser arme Teufel ist unschuldig und war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort."
Richardsson wandte sich von der Scheibe, durch die man in das Behandlungszimmer sehen konnte, ab und griff zu seiner Bomberjacke.
"Unschuldig?" echote Sean und folgte ihm aus dem Überwachungsraum, "wie in aller Welt kann er unschuldig sein? Die Polizei konnte Spuren unter seinen Fingernägeln den Opfern zuordnen und in seinem Mageninhalt fand man Überreste von menschlicher Haut. Er hat ganz offensichtlich diese Schüler angefallen wie ein wildgewordenes Tier!"
"Das mag so scheinen", entgegnete Richardsson ruhig, "aber das erste Opfer war er selbst. Er war bereits psychisch tot, ehe er die anderen angefallen hat." Er zog sich seine Strickmütze und Handschuhe an und richtete seinen Schal.
"Psychisch Tot?", Sean sah ihn verständnislos an. Er schien rein gar nichts zu verstehen.
"Sie ihn dir doch an", Richardson seufzte, "sieht so für dich jemand aus, der jemals wieder lachen oder auch nur klar denken kann? Sein altes, wahres, ich war bereits Tot, noch bevor er die erste Person angriff. Geblieben ist kaum mehr als eine sabbernde Hülle." Betrübt schüttelte er den Kopf, "Was für eine Verschwendung. Ich bitte dich Sean, kümmer dich um ihn so gut du kannst und danke, dass du mich gerufen hast. Ich wünsche noch eine ereignislose Nacht." Mit diesen Worten wandte er sich ab und hob zum Abschied die Hand, als er durch den breiten Frontausgang der Anstalt hinaus in die Nacht verschwand.