Hllo Oldlady!
Dein Lektor meinte, und das merkt man leider.
Sebastian streifte das dunkelgraue Hemd mit dem Schriftzug „Polizei“ über den Kopf und warf es auf den Boden. Dann ließ er sich auf der Bettkante nieder.
Er wusste, was nun geschehen würde.
Der Satz schafft nur Distanz, sonst tut er nichts. Würde ich also ganz rauswerfen. Du kannst das sehr viel eleganter lösen mit:
Wie bei jeder Leichenbergung tat er während des Einsatzes das Notwendige, ...Was für ein Mensch war der Tote gewesen? Hatte ihn jemand wirklich geliebt, hatte er Freude am Leben gehabt?
Auch das fühlt sich ziemlich distanziert an und auch fremd. Ich kenne solche Gedanken von mir selbst nicht, auch nicht von den Kollegen, mit denen ich enger zusammen gearbeitet habe. Was nicht heißt, dass der eine oder andere solche Gedanken nicht doch hat. Was aber immer noch nichts daran ändert, dass es aus der Situation herausreißt.
Ein Arm, der aus einem Lawinenkegel ragte. Schwitzen, graben. Der steinhart gefrorene Körper eines jungen Mädchens, ein von blonden Locken gerahmtes Gesicht.
Sein erster Einsatz als Bergwachtler mit einer Leiche… Damals war er 18 Jahre alt gewesen und hatte gerade sein Abitur gemacht.
Das finde ich sehr schön, gibt in seiner Knappheit einen guten Einblick in Sebastians Psyche. Er will nicht daran denken, aber die Bilder kommen ungefragt trotzdem.
Dass es sein erster Einsatz mit Leiche war, kann man sich mehr oder weniger denken, wenn dann kommt, dass er gerade mal 18 war. Sehr viel früher darf man auch nicht bei einer solchen Aktion mitmachen bzw. Mitglied in einer Rettungsorganisation werden. Eben weil es zu Situationen kommen kann, die psychisch belastend sind. Aber sorry, ich hab mir schon wieder den hier aufgesetzt:
Es mochten etwa fünfzig Tote gewesen sein, die er als Retter und später als Polizeibergführer gesehen hatte. Und er steckte es noch immer nicht ohne weiteres weg.
Vielleicht war er zu sensibel. Als kleiner Junge hatte er einmal eine tote Blaumeise auf der Terrasse gefunden. Und er hatte geweint und Schattenrisse von Vögeln an die Fensterscheibe geklebt.
Infodump
Natürlich waren auch die meisten seiner Kollegen nicht völlig abgebrüht. Es half, sich hinterher im Biergarten zu treffen, vielleicht über das Geschehene zu reden, miteinander zu entspannen.
Der Teil ist nur insofern interessant, weil ich mich frage, was Sebastians Methoden sind, um solche Erlebnisse zu verarbeiten. Das kommt nämlich nicht vor. Er bekommt Bilder von vergangenen Einsätzen in den Kopf ... und geht dann einfach duschen. Oder halt
duschen. - Was ich, wenn das der Coping-Mechanismus sein soll, ziemlich sehr daneben finde. Von kalten Leichen zu heißem Sixpack in 5 Sekunden ... meh. Das stellt eine Verbindung her, die Sebastian in ein Licht rückt, dass ich von ihm keine Zeile mehr lesen möchte. Und so hattest du den guten sicher nicht im Sinn. (Nebenbei, auch noch so eine verkorkste Verbindung, wenn er das Wasser so heiß aufdreht, dass er es gerade noch so aushält ... genießt er das nur, wenn er masochistisch veranlagt ist.)
Das Wasser strömte an ihm herunter und verschwand gluckernd im Abfluß.
Es nahm alles mit.
Wenn du ihn wirklich nur unter die Dusche stellst (und meinetwegen darf ihm noch das Hopfen-Shampoo ein mildes Lächeln entlocken), ist das ein sehr schöner Abschluss, zumindest vorläufig. Das heiße Wasser wäscht nicht nur Körper rein, sondern auch die Seele. Das ist ja ein hinlänglich bekanntes Phänomen (oder Klischee?), um damit beim Leser die entsprechende Assoziatiosnkette auszulösen.
Wobei ich das "Alles, was heute geschehen war" da streichen würde, gerade, wenn davor sein erster Einsatz hochkommt.
Seine paar Semester Psychologie-Studium waren nicht nutzlos gewesen …
Ich weiß nicht, aber dieses Psychologiestudium kauf ich ihm nicht ab. Irgendwie denkt er nicht so, als hätte er Ahnung von der wissenschaftlichen Seite der Problematik. Und außerdem bringt einem so ein Studium zwar eine Menge Durchblick, aber keine Strategie, wie man nun individuell wirklich mit so etwas umgeht.
Ich habe zwar selber nicht Psycho studiert, aber ich hoffe, in keinem Psychologiestudium wird eine heiße Dusche als Bewältigungsstrategie vorgeschlagen. Sorry, dass ich so darauf herumreite, aber das stößt mir wirklich sauer auf, obwhl ich in solchen Dingen echt nicht pingelig bin.
Er atmete ein paar mal tief durch und stellte die Dusche ab.
Das Telefon schrillte. Festnetz. Hoffentlich nicht noch ein Einsatz.
Er eilte ins Wohnzimmer und nahm den Hörer ab. Wasser tropfte auf den Teppichboden. Egal.
„Oberleitner.“
Eine helle Kinderstimme. „Papa! Ich habe eine Drei in Mathe!“
Ein Lächeln spannte seine Lippen. „Das ist großartig! Gut gemacht!“
Das wäre für mich der beste Punkt, um das zu beenden. Das Leben geht weiter, der Einsatz ist vorbei, er kann sich auf seine Vaterrolle konzentrieren und darin aufgehen. Fertig. Die Exfrau und die Handyfotos sind dann nur noch Ballast. Dass er - wie die Kollegen - in den Biergarten geht, kommt hier in jedem Fall zu spät.
- gibt der Text einen guten Eindruck, was für ein Mensch Sebastian ist?
- riecht er nach Infodump?
- ist das zu breit oder zu kurz?
- Sonstige Anregungen?
- Eindruck ... jein. Die Dinge, die ihn charakterisieren, kommen irgendwie zu kurz: Wie fühlt er sich nach diesem Einsatz bzw. generell nach einem solchen Einsatz? Wie geht er damit um, was macht er, um sich von diesen Erlebnissen nicht unterkriegen zu lassen?
- Infodump - ja, wie ausgewiesen
- zu breit und zu kurz geraten.
Wie es halt so oft ist beim Schreiben ...
- Anregungen stehen alle oben.
lg, Viskey