Ich habe gerade "Der Tod von Sweet Mister" von Daniel Woodrell beendet.
Was soll ich sagen? Gut wie immer.
Er geht sehr konsequent mit seinem Stoff um. Eine schnörkellos erzählte Coming-of-age-Geschichte, angesiedelt im Süden der USA, in den Ozarks im Milieu des White Trash. Keine zynische Distanz, ein unsentimentaler Blick auf eine Welt der brutalen Verlierer, Opfer und Täter in einem.
Und: keine Hoffnung, keine Rettung, nichts heldenhaftes. Die Brutalität zeugt sich fort und fort. Der Prota geht nicht unter, er zerbricht und steht wieder auf als Inkarnation dessen, was ihn zerbrochen hat.
Woodrell hat das Thema des versuchten Ausbruchs aus diesen Verhältnissen mehrfach erzählerisch variiert (z.B. in "Tomato Red" und in "Winters Knochen"). Solange sich seine Protagonisten unverschuldet im Inneren dieser Blase befinden (die sie als solche meist nicht einmal erkennen können), scheitern sie auf fast schicksalhafte, tragische Weise.
Woodrell erzählt konsequent aus der Perspektive der Protagonisten und macht so deren Scheitern auf schmerzhafte Weise plausibel.
Veränderung oder Entwicklung im positiven Sinne ist ohne Berührung mit alternativen Anstößen von außen nur schwer vorstellbar.
Erst in seinem Roman "In Alma's Augen" weitet er die Perspektive deutlich. Er behandelt immer noch den gleichen Stoff, erzählt aber von verschiedenen Standpunkten aus, wechselt die Zeitebenen und gibt so auch dem Leser die Möglichkeit, eine komplexere Vorstellung zu entwickeln.
In erster Linie sind das spannend erzählte Geschichten von einer erfrischenden Kürze, daneben aber auch Beispiele dafür, wie durch den gekonnten (und konsequenten) Einsatz erzählerischer Mittel der Blick des Autors auf seinen Stoff beim Leser induziert wird.