23 November 2024, 10:34:59

Autor Thema: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?  (Gelesen 39488 mal)

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Mondstern

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #30 am: 23 September 2016, 02:13:40 »
Nun ja, GoT ist zwar Fantays, aber sehr real umgesetzt. Eine Zeit, in der ich nicht leben wollte. Die TV-Serie ist schon super, die Bücher sind es noch mehr – aber natürlich Geschmackssache.
The Americans fand ich auch ganz toll gemacht. Leider kenn ich nur Staffel 1. Die anderen gibt’s ja nur auf Englisch und die sind mir ehrlich gesagt zu teuer.

Was "Sex sells" angeht, so erinnere ich mich, dass es da bei The Americans auch gut zur Sache geht.
Und wenn du was über politische Ränke und Komplotte lernen willst, bei GoT triffst du gleich auf mehrere Meister ihres Faches  8)

VG Mondstern

merin

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #31 am: 23 September 2016, 08:30:23 »
Das mit den inneren Motiven finde ich auch oft schwer. Dazu muss ich meine Figur in der Tiefe verstehen, dann läuft sie los und macht auf ihrem Weg das, was zum Plotziel führt. Bei mir kommt es aber auch vor, dass sie in eine andere Richtung läuft - und dann muss ich entweder die Prota umdenken oder umplotten.

Ich würde auch keine Intrigen recherchieren, sondern Persönlichkeiten. Aber klar, bei meinem Fach, mich interessiert auch mehr, was dahinter steckt. Ich würde also eher schauen, ob es Biografien gibt von Leuten, die solche Gesinnungswandel durchgemacht haben, und ob ich dort etwas über mögliche Persönlichkeitsstrukturen erfahre. Grob gesagt kann ich mir vorstellen, dass jemand seine Meinung ändert, weil er eh wie ein Blatt im Wind ist, weil etwas ihn zutiefst überzeugt, weil er nur sein eigenes Bestes sucht und das für den besten Weg hält oder weil es einen Zwang gibt. Und jede dieser Motivlagen braucht eine ganz andere Persönlichkeit.
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

Zauberfeder

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #32 am: 23 September 2016, 16:57:19 »
@Viskey, ich kenne mich mit Game of Thrones gar nicht aus. Ich gucke es nicht und gelesen habe ich es auch nicht. Ich habe nur gehört, dass dort scheinbar auch Intrigen vorkommen sollen.

Ah, okay, dann habe ich dich falsch verstanden. Ich dachte, du hast Schwierigkeiten damit, Intrigen umzusetzen, also Fäden zu spinnen, die erst später den Aha-Effekt erzielen, eben wie man politische Ränke und Komplotte schmiedet, wie Mondstern so schön gesagt hat.
Dir geht es aber eher um die Umstände, die einen Charakter dazu treiben, solche Dinge zu tun. Verstehe. Hmm, das ist noch mal schwierig, aber sicher nicht unmachbar. Dafür musst du deinen Charakter wohl nur gut kennen. Seine Ziele, Motive, Wünsche, Überzeugungen und so. Ich denke, das setzt einfach intensives Auseinandersetzen mit dem Charakter voraus, um zu schauen, warum er so handelt. Motive, die stark genug sind, gibt es immer wieder. Das zeigt ja schon unsere Geschichte. Irgendetwas treibt Menschen dazu, so zu handeln. Angst? Überzeugung? Zwickmühle? Erpressung? Glauben?

Viskey

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #33 am: 23 September 2016, 23:20:24 »
Naja, so ganz falsch hast du mich da gar nicht verstanden. Da ich mit der Motivation nicht auf gleich komme, kann ich auch die Fäden nicht spinnen, sondern nur höchst offensichtliche Seile verlegen. :devgrin:

Und "nur" die Figur kennenlernen... tja, das ist eben der Knackpunkt. Ich kann mir noch eher vorstellen, wie es ist, unter Wasser zu atmen, als Freunde, Familie, Heimatland etc. zu hintergehen.

Und da mir das fehlt, fehlen mir auch die dazugehörigen manipulativen "Spinnennetze", mit einem Faden hier und einem Faden dort. Sicher kannman sich da über die Zeit Strategien zurechtlegen und ein Muster entwickeln, das man halt abarbeitet. Aber natürlich kommt das bei mir nie. Damit muss ich wohl leben. Und wenn ich mal was anderes schreiben würde als Intrigen, wäre das auch gar kein Problem... Aber offenbar mag ich's schwierig.  :devgrin:
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Zauberfeder

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #34 am: 24 September 2016, 08:56:56 »
Ja, ergibt Sinn. Das eine kann nicht ohne das andere existieren, aber dann wäre dein Problem ja immer noch erst einmal der Charakter. Das andere wäre dann der zweite Schritt, obwohl ich das auch schwer finde. Ich würde wahrscheinlich auch eher offensichtliche Seile (ich mag die Darstellung^^) legen.

Ich glaube nicht, dass das bei dir nie kommen würde. Nur weil du dir die Beweggründe jetzt noch nicht vorstellen kannst, heißt es ja nicht, dass du das nicht irgendwann kannst. Ich finde solche Sachen auch schwer vorstellbar, weil es eben etwas ist, was gegen unsere Moral verstößt und man selbst so etwas nicht tun würde, aber ich glaube, in verzweifelten Situationen sind Menschen durchaus zu so etwas fähig. Man muss quasi 'nur' genug Abgründe schaffen, damit sie so handeln. Nimm deinen Charakter und schau, was ihn dazu treiben würde. Meistens sind es ja starke Gefühle. Welches starke Gefühl würde ihn dazu bringen, sich gegen seiner Natur zu verhalten? Angst? tiefe Enttäuschung? usw.

kass

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #35 am: 24 September 2016, 10:30:16 »
Hi Merin,

Oh ja, das ist ein spannendes Thema!

Ich hab ja immer den Eindruck, dass ich Pläne schmieden kann wie ich will, das wird sowieso nichts, die Geschichte entwickelt eh ihre Eigendynamik. Und ich vermute, dass es keine Rolle spielt, von welcher Seite man da ran geht, es gibt immer die Momente, wo die Geschichte hakt. Jedenfalls probiere ich gerade aus, wie es ist, (fast) ohne plot zu schreiben und es in Erzählabschnitte zu unterteilen.

Den ersten Erzählabschnitt überarbeite und überarbeite ich bis ich der Meinung bin, dass es im Prinzip so zum Lektor kann. Bin noch nicht ganz durch damit, weil es mir wie Viskey ging: Da fehlt eine Szene, die mir nicht gelingen will. Das hatte ich schon am Anfang. Da fehlte eine Szene zwischen Victoria und Zora. Mehrere Leute haben mir gesagt, dass da ein Gespräch zwischen den beiden hin gehört. Also Gespräch geschrieben. Langweilig. Neues Gespräch geschrieben. Wieder langweilig. Zwei Wochen im Hinterkopf gegrübelt. Gespräch gestrichen, weil immer noch langweilig. Andere Szene geschrieben. Gut. Hat aber den folgenden plot durcheinander gebracht. Also plot anpassen.

Ich weiß noch, wie furchtbar anstrengend ich es fand, ein ganzes Buch zu überarbeiten, Nebenfiguren und ganze Handlungsstränge rauszuschmeißen, plot verändern, um dann den Anschluss an die eigentliche Geschichte zu finden. Fehlen jetzt Informationen? Wird jetzt irgendwo zuviel vorweggenommen? Ist irgendwo noch eine Andeutung auf etwas drin, was ich jetzt rausgeschmissen habe? Hab ich den Spannungsbau vermurkst oder verbessert? Die reinste Hirnakrobatik!

Das will ich unbedingt für die Zukunft vermeiden. Spannung lebt ja davon, was man dem Leser wann verrät. Und wenn ich nun einfach durchschreiben würde, um dann am Ende festzustellen, dass da ja am Anfang was fehlt und dann Szenen einbaue, in denen dann aber wiederum Dinge aufgeworfen werden, die wesentlich zum Spannungsaufbau beigetragen haben, ja dann hab ich ein echtes Problem. Will sagen, im Moment mag ich es, so in Abschnitten vorzugehen, um ein festes Fundament zu haben, auf dem die folgenden Abschnitte aufbauen, auch wenn ich gerade mal wieder an einem Punkt angelangt bin, wo es hakt. Ich weiß aber, es hat keinen Sinn, etwas einzubauen, wovor ich mich sträube. Also muss ich warten, bis mir eine andere Szene einfällt, die ich einbauen kann, um den Übergang zum nächsten Kapitel zu glätten. Im Moment lenke ich mich mit Kurzgeschichten ab, finde es eine gute Übung im Szenen-Ausdenken. Hoffentlich inspiriert mich das und lässt mein Hirn aus den vorgetretenen Pfaden ausbrechen und eine gute Idee für eine andere Szene liefern, als das, was da gefühlt rein muss, ich aber nicht schreiben will.

Ach, es ist beruhigend, dass es nicht nur mir so geht.

Für mein erstes Buch, wo ich die Wände mit Karten und Truppenbewegungen und Pfeilen und Plänen nur so gepflastert hatte, brauchte ich gute drei Jahre, aber es war ja auch mein erstes. Beim zweiten habe ich mehr aus dem Bauch heraus geschrieben, habe dann auch erst mal geguckt, dass ich bestimmte Handlungsbögen abschließe, bevor ich mich an den nächsten gemacht habe, und das Buch hatte ich innerhalb von 2 Monaten fertig (nun ist es auch nur etwa ein Drittel des ersten Buches, aber trotzdem empfand ich das als schnell).

Mal schauen, wie es mir in der Zukunft damit so ergehen wird.

Zitat
Bei mir ist es definitiv eine Vermeidung der Frage, wie es (im Plot) weiter gehen soll. Mir fällt es viel leichter, etwas Geschriebenes zu verändern als vor dem leeren Blatt zu sitzen. Da habe ich Hemmungen, immer wieder.

Na klar ist das leichter! Aber es ist doch so viel schöner, wenn einem eine gute Szene einfällt! Da darf man ruhig Stunden, Tage und Wochen mit verbringen. Und weil das so wichtig ist, habe ich noch nie verstanden, was in so manchem Schreibratgeber drin steht: nämlich, dass man sich jeden Tag abends eine Stunde hinsetzen soll, um zu schreiben.

Ja was denn? Irgendeinen Murks? Na klar kommen viele Ideen beim Schreiben, aber ich brauche doch zumindest einen Ansatz, der Taug haben könnte, um loslegen zu können.

Soviel von meiner Seite. Lass uns wissen, wie es dir ergeht.

LG
Kass




Zauberfeder

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #36 am: 24 September 2016, 11:51:28 »
@kass, huhu :)

Wie muss ich mir denn Erzählabschnitte vorstellen? Ich kenne nur Szenen und Kapitel, deswegen sagt mir der Begriff so gar nichts. Wie lang ist denn so ein Erzählabschnitt ungefähr oder wo ist da die Grenze?

Vielleicht bist du ja einfach eher der Bauchschreiber. War ich früher auch. Bin ich aber nicht mehr, denn ich musste feststellen, dass ich durch das Bauchschreiben nur Logik- und Plotfehler einbaue, weil ich ja eben noch gar nicht weiß, wo ich genau hin will und dann lässt sich z.B. so ein Spannungsbogen, von dem du sprichst, gar nicht aufbauen, weil ich vorher ja gar nicht weiß, wo ich hin will. Auch weil du sagtest, du fandest es anstrengend, ein ganzes Buch zu überarbeiten. Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass es für mich viel anstrengender ist, ein bauchgeschriebenes Werk anzupassen, da eben alles so umzugestalten, dass es inhaltlich passt. Ums Überarbeiten wirst du ja letztlich nie herum kommen, egal ob du jetzt ein Werk schreibst, dass du vorher geplant hast oder nicht.
Du überarbeitest also quasi schon die Rohfassung, habe ich das richtig verstanden? Auch eine Methode. Nur wäre mir das zu riskant, wenn ich das bei einem bauchgeschriebenen Werk so machen würde, eben weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass sich da bei mir Logikfehler und so reinschleichen, zumal es für mich auch schwer wäre, das zu überarbeiten, wenn ich ja noch gar nicht genau weiß, wohin ich eigentlich mit der Geschichte will. Wie machst du das? Das würde mich wirklich interessieren, weil ich selbst so überhaupt nicht mehr arbeiten könnte.

Ja, das stimmt. In Schreibratgebern raten sie dir immer, jeden Tag zu schreiben, egal was. Damit kann ich allerdings auch nicht anfangen. Sie meinen halt, dass man da eine gewisse Routine hineinkriegt und das dann regelmäßig macht und so eben regelmäßig an seinen Texten schreibt. Ist für mich aber auch nichts, weil ich nicht einfach irgendetwas schreibe und es sinnlos finde, das zu tun. Wieso soll ich mir irgendwelche überflüssigen Sachen aus den Fingern saugen? Bringt mir nichts. Da schreibe ich lieber eine Zeit lang gar nicht, als irgendeinen Murks zu schreiben, mit dem ich weder zufrieden sein noch etwas damit anfangen kann.

merin

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #37 am: 24 September 2016, 14:32:58 »
Ich komme mit der Disziplin tatsächlich weiter. Weil ich vieles unbewusst schreibe. Da sagt der Chef was zum Angestellten, was erst im Nachhinein Sinn ergibt und den Angestellten dazu bringt, den Chef zu hintergehen. Das war mir nicht bewusst, als ich es geschrieben habe. Ich kann mir das nicht rein kognitiv ausdenken. So arbeite ich nicht. Ich muss assoziativ sein, mir Raum nehmen. Den denke ich manchmal eher aus, als dass ich schreibe, aber ich arbeite am Text. Und selbst, wenn eine Szene entsteht, die ich später verwerfe, bringt sie mich meinem Text näher. Mal sehen, wie ich in sechs Monaten drüber denke, aber gerade finde ich das hilfreich. Es gibt mir das Gefühl, dass es voran geht.

Täglich schreiben schaffe ich nicht, aber wenn ich drei oder vier Mal pro Woche eine Stunde schreibe (aus der dann mitunter zwei werden), bin ich schon gut dabei. JedeR muss halt suchen, was für ihn/sie passt.
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

Zauberfeder

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #38 am: 24 September 2016, 14:57:03 »
Sowas könnte ich mir auch nie im Leben vorher überlegen. Ich glaube, für sowas bin ich beim Schreiben nicht durchdacht genug bzw. würde mich wohl auch zu sehr einengen. Ein bisschen Freiraum beim Schreiben ist nicht schlecht und ganz Gespräche planen, damit so etwas entsteht, kann ich nicht. Sowas würde sich bei mir auch beim Schreiben ergeben.
Und klar, jeder Satz, den du schreibst, bringt dich deiner Geschichte näher, selbst wenn er letztlich für die Mülltonne ist. Genauso sieht es auch mit ganzen Szenen aus. Verkehrt sind sie nie.

Das auf jeden Fall. Manche kommen gut damit zurecht, täglich zu schreiben und für andere ist das eben gar nichts, wozu ich gehöre. Ich kann das nicht. Ich schreibe eher tagelang/wochenlang (gerade eher monatelang) nicht und dann geht's wieder so richtig los.

Obwohl mich ja inzwischen schon der Gedanke abschreckt, dass ich, wenn ich wieder anfange zu schreiben, eine Rohfassung schreibe, weil das bedeutet, irgendwann hänge ich wieder ewig am Text und überarbeite und dann habe ich das Gefühl, dass ich nie voran komme, weil ich seit Jahren schon nur am ersten Band herumwerkle und den 2. mal vor Ewigkeiten geschrieben habe, aber wirklich weiterkommen tue ich nicht. Nervig.

Wie motiviert ihr euch denn dazu, dieses Wort 'Rohfassung' nicht als so negativ aufzufassen?

Mondstern

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #39 am: 25 September 2016, 02:02:30 »
Wie motiviert ihr euch denn dazu, dieses Wort 'Rohfassung' nicht als so negativ aufzufassen?

In dem ich mich freue, eine „Rohfassung“ zu haben.  8)

Ich vergleiche Geschichten schreiben gern mit Häuser bauen. Ein Rohbau ist schon mal ein ganzes Stück Arbeit. Darauf kann man stolz sein. Vorher war auf dem Platz eine unberührte Wiese (also ein leeres Blatt)
Das Haus ist natürlich in diesem Zustand alles andere als bezugsfertig. Es ist aber die Grundform erkennbar und die nächsten Schritte können folgen.

In der Planungsphase sollte man sich aber schon Gedanken machen, was für ne Hütte man bauen will. Einfamilienhaus, Villa, Mietskaserne oder Hochhaus. Anderseits lässt sich das Haus, anders als das Reale; jederzeit aufstocken. Oder ein Anbau … Man kann es später Unterkellern (also Vorgeschichte – als Rückblende z.B. einbauen) Oder man hat drei „Häuser“ und zieht ne Mauer außenrum, dann ist es ein Dorf. Dörfer können Städte werden … (oder aus Modulen wird ein Roman)

Bei einem Rohbau geht es nicht um die Farbe der Wände, oder die Art der Tapeten. Auch Vorhänge sind noch kein Thema. Aber man sollte schon wissen, wo und wie viele Fenster man braucht/will. Oder anders gesagt … wohin die Reise gehen soll.

In meiner „Kreativphase“ zieh ich den Rohbau hoch, ändere auch schon mal den Grundriss und bereite auch benötige Anbauten (Nebenhandlungen) vor und tipp einfach meine Gedanken nieder. Vertipper ignoriere ich in dem Stadium, wenn mir ein Wort nicht einfällt setze ich drei xxx und schreib vielleicht ein ähnliches. Beim ersten Überarbeiten fällt mir dann meist auch das richtige ein.
Wieso mach ich das?
Weil die Farbe der Wände noch keine Rolle spielt. Mich würde das aus dem Schreibfluss reißen und ich sitz dann ne Stunde an einem Abschnitt. Finde ich sehr unbefriedigend.

Schreibratgeber sind – wie der Name ja sagt – Ratgeber. Hier muss sich jeder einfach das raussuchen, was für ihn passt. Schreiben ist für mich auch – hört sich jetzt komisch an – das nachsinnen. In Gedanken spiele ich Szenen durch oder teste verschiedene Wege, die zu meinem auserkorenen Ziel führen (sollen) Dazu mach ich mir dann aber Notizen. Hilf mir dann auch, wenn ich paar Tage wieder den Faden aufnehmen will.

Eins der beeindruckensten Bücher die ich je gelesen habe, ist Die Wohlgesinnten (ein Tatsachenroman des Schriftstellers Jonathan Littell, der eine fiktive Biographie mit realen Ereignissen und Personen des Holocausts verbindet. Quelle Wiki)

Ich hab mal gelesen, dass der Autor über vier Jahre für das Buch recherchiert hat. Es dann in drei Monaten niedergeschrieben hat. Also ist Recherche richtige Arbeit. Und wer keine Ideen hat, der wird wohl auch kaum was schreiben können.

Eine Rohfassung ist ein Bauabschnitt, auf dem man stolz sein sollte.  ;)

VG Mondstern

Zauberfeder

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #40 am: 25 September 2016, 11:09:12 »
Huhu Mondstern, dein Häuservergleich finde ich cool :D

Was mir nur immer schwer fällt, ist eben, mich darüber zu freuen, dass ich eine Rohfassung habe, weil das bedeutet, dass ich wieder und wieder über ein und denselben Text gehen muss. Das hatte ich eben jetzt so oft. Ich hatte mal die erste Rohfassung von Band 1 und Band 2 und einen begonnenen Band 3, dann habe ich angefangen, Band 1 zu überarbeiten, weil der Stil nicht gut war, dann habe ich angefangen, ihn neu zu schreiben, weil ich neue Ideen einbringen wollte, die die Welt noch detailreicher gemacht haben, dann habe ich planen müssen und neu schreiben müssen, weil Logikfehler aufgedeckt worden sind, die das Fundament zum Einsturz gemacht haben. Als die neu geschriebene Version (immer noch nur Band 1) fertig war, wurde mir wieder klar, dass da immer noch Fundamentbröckler drin sind, die bisher nur noch nicht an die Oberfläche kamen, aber das Haus eben zum Einsturz gebracht haben. Wieder neu geplant. Neu begonnen. Dann war mir klar, dass mir etwas Entscheidendes fehlt, wieder neu geplant und anfangen zu schreiben, diesmal in einer anderen Perspektive. Festgestellt, dass die Perspektive nicht funktioniert und jetzt muss ich wieder von Anfang an anfangen. Ich hänge seit ewigen Zeiten an Band 1, würde aber gerne mal weiter kommen, nur so lange kein solides Fundament steht, geht das natürlich nicht. Aber selbst wenn das steht, heißt es ja, dass ich immer noch ewig bei Band 1 hänge, weil dann der Feinschliff kommt. Und da fällt es mir eben schwer, mich darüber zu freuen, dann eine Rohfassung zu haben, weil es eben noch nichts Ganzes ist. Daher eben die Frage, wie motiviert ihr euch eben dazu, euch über etwas zu freuen, was noch so unfertig ist? Ich kriege das einfach nicht hin, aber das ist eben auch kontraproduktiv.

Ich finde es ja faszinierend, dass du auch mal xxx für ein Wort setzen kannst, dass dir nicht einfällt. Sowas kann ich ja überhaupt nicht. Das stört mich dann. Irgendwie widerstrebt das meinem Ordnungssinn in meinen Werken. Das könnte ich nie, aber ich finde es spannend, dass anderen das so leicht fällt.

Viskey

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #41 am: 25 September 2016, 17:20:36 »
Ich sehe es mehr wie LaHallia: Eine Rohfassung ist schon etwas, auf das man echt stolz sein kann. - Man darf halt nur nicht erwarten, dass eine Rohfassung schon besonders gut (im Sinne von fertig) ist. Eine Rohfassung braucht immer noch einen Haufen Arbeit, darüber darf man sich halt keine Illusionen machen.

Aber so wie ein Rohbau noch nicht besonders wohnlich ist, wenn's stürmt, hält mich der trotzdem schon trocken und windgeschützt. Als Dauerzustand kann man das nicht lassen, keine Frage. Aber es ist ein guter Ausgangsppunkt, und darauf darf man durchaus stolz sein.

Natürlich ist es frustrierend, wenn man draufkommt, dass der Rohbau nicht funktioniert, weil ich zB vergessen hab, eine Haustür einzuplanen. Oder wenn alles einzustürzen droht, weil ich keine tragende Wand eingeplant habe. Aber bis das nicht gegeben ist, hab ich halt auch keinen Rohbau, sondern eine Baustelle. Und Baustellen - ob nun bei einem Haus oder einem Buch - sind unerschöpfliche Quellen an Frust und Ärger. Ist leider so. ;)

Die Frage ist dann: Wie sehr liegt mir dieses Projekt am Herzen? Wie groß ist das Bedürfnis, diese Geschichte zu erzählen?
Ich hab ein paar unfertige Geschichten herumliegen, weil ich einfach nicht genug Motivation habe, sie zu vollenden. Es könnte was draus werden, keine Frage. Aber meine Prioritäten liegen bei anderen Geschichten.
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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #42 am: 25 September 2016, 19:26:41 »

Was mir nur immer schwer fällt, ist eben, mich darüber zu freuen, dass ich eine Rohfassung habe, weil das bedeutet, dass ich wieder und wieder über ein und denselben Text gehen muss.

Hi Zauberfeder
Ich verstehe dein Problem. Das ist aber kein „Problem“ einer Rohfassung, sonder einfach dein eigenes  ;)
Bitte nicht falsch verstehen. Logikfehler – tragende Wand fehlt, Eingangstüre vergessen – ist nicht Fehler der Bauarbeiter, sonder des Architekten. Allerdings sind solche Fehler viel leichter am Anfangsstadium einer Geschichte zu reparieren, als in der Endfassung.

Dazu kommt dann noch ein weiteres „Problem“ Dir gefällt dein Stil nicht mehr. Willkommen im Klub.  :) Nahezu jeder Autor den ich kenne, wird dir da das Gleiche berichten. Es dauert halt, bis sich ein persönlicher Stil gefunden hat. Wenn ich heute meine ersten Arbeiten so durchlese, stellts mir die Nackenhaare.

Ich sehe das allerdings als positives Zeichen. Du bist noch beim verändern, du erkennst deine Schwächen und arbeitest daran. Ob das tatsächlich Schwächen sind, spielt keine Rolle. Erstmal muss DIR dein Text gefallen. Wenn die Geschichte dann genau so ist, wie du sie haben willst, ist das Haus bezugsfertig. Dann fällt dir aber auf, dass „hinten links“ eine Steckdose fehlt, die Waschmaschine zwar Platz sparend über dem Kühlschrank steht, was sich in der Praxis aber eher kontraproduktiv auswirkt usw.

Und dann ist deine Geschichte fertig?
Dann wird erst interessant. Du stellst eine Passage hier ein und bekommst das erste Feedback. Obwohl dein „Haus“ schon bezogen ist, kommen viele Kleinigkeiten ans Licht – das ist dann der eigentliche Feinschliff.
Bei jeder Röstung kann man nur lernen – selbst wenn man Freds von anderen „nur“ mitliest. Irgendwann steigen dann auch die eigenen Ansrüche (bei dir ja auch der Fall) und es wird eben schwieriger. Für mich liegt aber gerade da der Reiz. Sonst wäre das Hobby bald langweilig.

Manchmal kommt man aber mit dem Überarbeiten einfach nicht weiter. Da hilft dann auch kein zeitlicher Abstand, sonder eine Radikalkur. Bei meinem Romanprojekt – kommt dann doch auf so 1500 Normseiten – habe ich mir z.B. Überschriften der Kapitel überlegt. Somit habe ich mein Grundgerüst. Da ich auch nie chronologisch schreibe, arbeite ich einfach nach Lust und Laune an einem der Kapitel. Manche sind fertig, andere noch in der Planungsphase.

Wichtig dabei ist es, das Ziel im Auge zu behalten bzw. zu kennen. Manche Kapitel sind düster, andere heiter oder skurril. Manchmal wir gesexelt … Wenn ich aber keine Lust habe, an einem erotischen Text zu schreiben (nur weil er jetzt eben an der Reihe wäre) dann such ihr mir ein anderes Kapitel aus.
Und das mit den zusätzlichen Idee. Bei keinem bleibt es bei der ursprünglichen Planung, weil beim Schreiben ständig neue Ideen kommen. Aber nur nicht verzettel.  ;)

Zitat
Ich finde es ja faszinierend, dass du auch mal xxx für ein Wort setzen kannst, dass dir nicht einfällt. Sowas kann ich ja überhaupt nicht. Das stört mich dann. Irgendwie widerstrebt das meinem Ordnungssinn in meinen Werken.

Dann lerns  8)  :)

Sagen wir mal so, das Widerstreb eigentlich jedem. Jeder will einen perfekten Text … aber …
Ein Beispiel. Stell dir vor, du hast einen Tag Urlaub genommen, hockst vor der Kiste, Beine hoch, Kaffee in der Hand und du hast nichts anderes gemacht, als DVD zu gucken. Plötzlich kommt ein Anruf. Dein Chef (oder Frau des Bürgermeisters) ist in der Nähe, muss dir unbedingt was unter vier Augen sagen und ist in ner Viertelstunde bei dir.
Du bekommst eine kleine Panikattacke und legst los. Was gescheites anziehen, die Haare richten und einigermaßen Ordnung schaffen. Du empfängst den Besuch in der Küche … als brauchst du nicht das Schlafzimmer aufräumen (Ausnahme wäre. Wenn dein Chef nicht unbedingt zum reden kommt, dann brächtest du aber auch nicht die Küche aufräumen …)

Du verstehst? Du hast vielleicht zehn Minuten Zeit, das Geschirr vom Vortag zu „verstecken“ die Schuhe im Flur in den Schrank zu stopfen und die seit einer Woche verwelkten Rosen wegzuwerfen. Du musst als Prioritäten setzen. Es geht um das Gesamtbild für genau diese Szene (nicht dran denken, wie es gerade im voll gestopften Schuhschrank aussieht, dafür ist später noch Zeit)
So ist das – bei mir – beim Schreiben. Es geht darum, die Rohfassung eines Kapitels auf die Beine zu stellen – nicht mehr. Es geht nicht um bestimmte Wörter oder Ausdrücke, sondern das die Logik passt das Fundament für die nächsten Kapitel gelegt wird.

LG Mondstern

kass

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #43 am: 25 September 2016, 20:15:33 »
@Zauberfeder

Zitat
Wie muss ich mir denn Erzählabschnitte vorstellen? Ich kenne nur Szenen und Kapitel, deswegen sagt mir der Begriff so gar nichts. Wie lang ist denn so ein Erzählabschnitt ungefähr oder wo ist da die Grenze?

In manchen Büchern findet sich das ja noch. Bezeichnet als Teil 1 / Teil 2 / Teil 3 (das wären z.B. Erzählabschnitte innerhalb eines Buches)

Bei mir sind die ganz unterschiedlich lang. Ich versuche mal, es dir an einem Handlungsbeispiel zu erklären:

Merlin ist gefangen und im Kerker des bösen Quarx und steht kurz davor, hingerichtet zu werden. Er flieht. Dann macht er sich auf die Suche nach dem bösen Quarx und besiegt ihn im Kampf.

1. Handlungsabschnitt: Merlin findet einen Weg, aus dem Kerker zu entkommen. (unterteilt in einzelne Kapitel, in denen er z.B. Wärter besticht, oder in denen es ihm gelingt, mit Hilfe von mühsam zusammengesuchten Ingredienzen doch einen Zauber vorzubereiten, der das Schloss auflöst oder oder oder)
2. Abschnitt: Die Flucht an sich. (durch die Verließe, verfolgt von den bösen Schergen, in die Irre geleitet von .. usw. einzelne Kapitel).

Je nachdem, wie das Buch angelegt ist, würde ich auch beide Abschnitte zusammen (von mir) als einen Abschnitt schreiben.

Wird er verfolgt? Gewinnt er unterwegs neue Verbündete? Je nachdem, wie das ausgestaltet ist, ergeben sich ja die Fäden, die in den folgenden Abschnitten aufzugreifen sind. Ich versuche sozusagen, mich selbst einzuschränken, indem ich solche Abschnitte bilde und die dann als (möglichst) festgezurrt betrachte. Wenn der Abschnitt gut ist, spannend genug usw., dann bemühe ich mich, mich an eben diese Beschränkungen zu halten. Hat er also keine neuen Freunde gewonnen, dann muss er sich später vielleicht Unterstützung suchen. Wenn es Verfolger gab, dann können die später noch mal für Ungemach sorgen. Wenn ich das Gefühl habe, dass alles noch offen ist, dann neige ich dazu, mich in zu vielen Strängen zu verzetteln. Die Unterteilung in diese Abschnitte hilft mir dabei, konsequenter zu sein, um dann (hoffentlich) nicht wieder alles aufzuwerfen.

Der Vergleich mit dem Haus ist ja so schön erwähnt worden. Wenn ich nun einen Abschnitt habe, der in sich spannend und schlüssig ist, dann ist das das Fundament für das Erdgeschoss. Wenn dann das Erdgeschoss fertig ist und zu meiner Zufriedenheit ausfällt, dann ist das das Fundament für den 1. Stock usw.

LG
Kass




merin

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Re: Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?
« Antwort #44 am: 25 September 2016, 21:51:20 »
Mir macht Überarbeiten Freude. Wenn die Rohfassung steht, dann kann ich ans Dekorieren gehen, an Formulierungen feilen usw. Das finde ich genial. Ja, manchmal hakt es auch hier, besonders wenn ich nicht weiß, wie ich den Text verbessern kann, er aber so noch nicht gut ist. Aber im Allgemeinen ist Schreiben für mich Überarbeiten. Insofern ist für mich die Rohfassung zu erstellen der große, schwere Akt. Un dich bin mega stolz, wenn sie steht!
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