Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah
Ifimelu in der Fremde.
Sie ist schon lange in Amerika, erfolgreiche Bloggerin, mit einem Stipendium in Princeton, hält Reden und verdient gutes Geld.
Aber dennoch: sie fühlt sich nicht wirklich als Amerikanerin, das Fremde ist ihr fremd geblieben.
Sie wundert sich immer noch,
„dass in den Bahnhöfen in Manhattan überwiegend schlanke weiße Menschen ausstiegen und überwiegend schwarze dicke Leute, je weiter sie nach Brooklyn hineinfuhren. Sie hatte in Gedanken jedoch nicht das Wort »dick« benutzt. Sie hatte sie als »kräftig« betrachtet, denn ihre Freundin Ginika hatte sie schon ganz früh darauf hingewiesen, dass in Amerika »dick« als Schimpfwort galt, befrachtet mit einem moralischen Urteil wie die Wörter »dumm« oder »Scheißkerl«, und nicht einfach eine Beschreibung war wie »groß« oder »klein«. Sie hatte »dick« aus ihrem Wortschatz gestrichen. Aber sie hatte »dick« letzten Winter nach fast dreizehn Jahren wieder in ihren Wortschatz aufgenommen, als sie im Supermarkt die riesige Tüte mit Tostitos bezahlte und ein Mann in der Schlange hinter ihr murmelte: »Dicke Leute sollten so einen Dreck nicht essen.«“ (S.12/13)
Wir begegnen ihr, als ihr dieses Fremdsein im gelobten Land bewußt wird, dieses etwas haltlose Schweben zwischen den Welten, die Entfremdung von sich selbst, die sie dazu bringt, in ihre Heimat nach Nigeria zurückkehren zu wollen.
Bisher (ich bin auf S. 171 von 599) ist es eine Lust, mir ihre Geschichte in einer so lebendigen, farbigen, detailreichen Sprache erzählen zu lassen, diesem liebevoll realistischen, selbstbewußten, genauen Blick auf die Verhältnisse zu folgen und mich auf das Nach-Denken dieses fremden Lebens einzulassen.
Dabei ist der Roman kein saft- und kraftlos erzähltes sozialkritisches Pamphlet, keine Dekonstruktion des American Way of Life. Auf den folgenden Seiten wird mich wahrscheinlich noch Ifemelus zweiter Kulturschock bei ihrer Rückkehr nach Nigeria und auf jeden Fall eine Liebesgeschichte erwarten, aber hey: es ist trotzdem zeitgenössische Literatur, diese elitäre Bäh-Literatur, die ich mag, die einfach vom Leben erzählt (man achte auf die Doppeldeutigkeit), ohne dass mir ein mühsam herbeikonstruierten Plot oder ein klischiertes Menschenbild das Gehirn verkleistert.