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Was lest ihr gerade? (2015)

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Artjomka:
Futur.Re von Dmitry Glukhovsky. Eigentlich bin ich aber noch nicht zum lesen gekommen. Bin wegen Glzkhovskys Metro Büchern darauf gekommen. Muss dann mal anfangen zu lesen. Metro2033 war übrigens super. Aber Metro2034 hat mir so gar nicht gefallen. Ganz ohne Artjom... Das geht so nicht. Ich kann gar nicht erwarten, das der Metro2035 Band erscheint. Den gibts nämlich momentan nur in so einer russischen Zeitung und Google Übersetzer ist da keine Hilfe.

Fabian:
Eloge auf die "New World"-Trilogie von Patrick Ness.

Vor langer Zeit las ich den ersten Band der Reihe. Jetzt habe ich auch den zweiten und dritten Band vorliegen und kann nun – endlich – die ganze Trilogie in einem Rutsch lesen.

"New World" (im Original: Chaos Walking) ist eine Abenteuergeschichte für Jugendliche und Erwachsene. Mit einem sehr originellen Blick auf Geschlechterrollen ("Männer sind lärmende Wesen", und das ist weiß Gott nicht so witzig gemeint, wie das hier klingt), Religionen und Ideologien, eingebettet in eine aktionsreiche, dramatische Handlung, erzählt aus der Perspektive eines jugendlichen Protagonisten, der auf ein Geheimnis stößt, dass sich ihm erst nach und nach entdeckt, durch dessen Kenntnis sich für ihn Sicherheit in Unsicherheit verwandelt, wodurch er  in Konflikt mit seiner Gemeinschaft gerät, aus dem heimatlichen Nest herausgebissen wird, sich neue Gewissheit (sprich: sich selbst) suchen muss – kurz: nichts unbedingt Neues, aber sehr liebevoll und eben auch dramatisch und spannend ausgemalt und erzählt. Wenn Schubladen etwas aussagen würden, dann ist das eine Coming-of-Age-Geschichte à la "Hunger Games" und glücklicher Weise doch ganz anders. ("Chaos Walking" erschien parallel ebenfalls in den Jahren 2008 - 2010, ob die beiden Autoren von den jeweiligen Projekten des anderen wussten?).

Die Geschichte spielt auf einem erdähnlichen Planeten unter Siedlern, die den Problemen auf der "Old World" zu entkommen hofften und sie statt dessen mitbrachten in ihre "New World", um sie dort auf ihre ganz eigene Weise zu neuer Ausprägung zu bringen.
Die Beschäftigung mit 1620 und den Folgen ist unschwer zu erkennen, aber zum Glück versucht sich Ness nicht an einer Nacherzählung der Historie, sondern übersetzt Aspekte amerikanischer Geschichte und Gegenwart  in ein SciFi-Setting, wobei Technik (zumindest im ersten Band) keine wesentliche Rolle spielt.

Plot nach Lehrbuch (Heldenreise / Erkenne Dich selbst), ohne dass das aufdringlich ist oder von der Geschichte ablenkt; sauber durchgehaltenes SdT, auf den ersten hundert Seiten wird an keiner Stelle distanziert oder belehrend erzählt (so wird es nach meiner Erinnerung im ersten Band auch bleiben); mit ein paar kleinen logischen Wacklern, die den Lesegenuss nicht trüben, an denen aber diejenigen, die ihren analytischen Blick nicht ganz abschalten können, sich das Erfolgserlebnis verschaffen können, auch einen Erfolgsautoren mal bei kleinen Fehlern erwischt zu haben.

Wem das jetzt nicht enthusiastisch genug geklungen hat – ich wollte nicht spoilern. Außerdem gibts ja noch Wikipedia.

Auch wenn ich ein anderes Buch von Ness ("Sieben Minuten nach Mitternacht"  A Monster calls) nach den ersten Seiten erstmal betroffen weggelegt habe und mich noch nicht wieder rangetraut habe – ich mag Bücher dieses Autoren sehr, z.B. "Die Nacht des Kranichs" (The Crane Wife).

Wenn ich Elke Heidenreich wäre, würde ich kurz und bündig sagen: Lesen!
– aber da mir ihre natürliche Autorität und ihre Kompetenz fehlt, füge ich noch ein freundlich-empfehlendes: Bitte hinzu.

Oldlady:
Hallo Fabian,

vielen Dank für die ausführliche und klare Darstellung, was einen in dem Buch erwartet! Das hole ich mir auf den Kindle. Bin gespannt.

LG

Oldlady

Fabian:
Für Fehler muss man gerade stehen, deshalb muss ich jetzt leider ein wenig Wasser in den Wein kippen.

Ich habe mich leider von meiner ersten Euphorie dazu verleiten lassen, die New World Trilogie anhand des ersten Bandes ein wenig zu überschwänglich zu loben. Ich bin weiterhin der Meinung, dass es sich um einen komplexen Stoff und einen in seiner Aussage hoch ambitionierten Text handelt, allein: sprachlich und stilistisch bleibt dieser Stoff im zweiten Band auf der Strecke.

Die Sprache wird nach meinem Lesegefühl zunehmend flach und oberflächlich und weil Ness die Ich-Perspektive konsequent durchhält, ist das eben auch die Sprache der Protagonisten, und mit ihrer Sprache verflachen auch die beiden Hauptcharaktere zunehmend.
Es ist ein elliptischer, abgehackter Stakkato-Denk-Sprech-Stil, den Ness bis zum Exzess vorantreibt. Er korrespondiert zwar mit dem existenziellen Druck, unter dem die Jugendlichen agieren müssen, könnte also eventuell als formal eingesetztes Stilmittel angesehen werden, aber er trennt auch den Leser von den Protagonisten (als Leser muss ich mich von Prota distanzieren, um ihm nicht auf allen seinen Irrwegen folgen zu müssen).
Mit anderen Worten: ein hoch komplexes Setting – in dem es um Schuld und Verantwortung, um Moral, Macht und Unterdrückung, um Rassismus, Krieg und Völkermord geht und letztlich um die Entwicklungsmöglichkeiten von Individuen unter solchen Umständen –  soll sich dem Leser durch die Augen zweier pubertierender Jugendlicher erschließen. Das Ganze dann noch mit dem Anspruch versehen, als Autor diesen Verhältnissen eben nicht distanziert-betrachtend oder voyeuristisch actiongeil gegenüber zu stehen, sondern von einem wertenden (humanistischen) Standpunkt aus zu erzählen, ohne dabei Schwarz-Weiß-Malerei zu betreiben. Mit diesem Anspruch gerät der Text in Gefahr, die Figuren zu überfordern und seine Leser zu distanzieren.

Wenn ich nur Leser gewesen wäre, dann hätte mich Ness in der Tat mit diesem zweiten Band verloren. Als Leser mit einem parallelen Fokus aufs Schreiben kann er mich noch halten – mit der Neugier darauf, wie er sich wohl erzähltechnisch aus der selbst gestellten Falle befreien kann und welchen Ausweg er seinen Figuren zuschreiben wird.

Artjomka:
Ich lese Endgame. Wurde ja ganz groß angekündigt und ist in der Bibliothek ständig ausgeliehen. Aber ich find das Buch ist jetzt nicht der Brüller, alles nur Marketingstrategien.  :stirn: Es ist einfach langweilig geschrieben.

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