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Die Erschaffung von Figuren

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zac:
Vorbemerkung: Einen Roman habe ich noch nie (fertig) geschrieben. Einen vor Jahren begonnenen Krimi musste ich aus beruflichen Gründen nach etwa vierzig Seiten abbrechen, und von einem vor etwas mehr als einem Jahr begonnenen Gegenwartsroman "stehen" (mit Vorbehalt gesagt) zirka 80 bis 100 Seiten - von "geplanten" zirka 350 - also bereits viel zu viel: Denn, wenn ich im gleichen Erzähltempo bis zum Schluss meines (inzwischen doch geplanten) Plots weiter schreibe, kommen am Ende gefühlte 500 Seiten raus.
Das scheint mir, summa summarum, noch nicht viel Erfahrung in der Anlage von gründlich ausgeschriebenen Figuren zu sein.

In den Kurzgeschichten, von denen ich viel mehr (und diese auch fertig) geschrieben habe, werfe ich ja sozusagen nur ein kurzes Spotlight auf einen Prota + höchstens einen Antagonisten + eine Randfigur. Und die entwickeln sich bei mir tatsächlich aus ersten Worten - sowohl aus Dialogen als auch aus einer ersten Szene, in der (wörtlich zu verstehen) mir in der Phantasie spontan eine Figur auftaucht, die sich in einer jeweils bestimmten Situation befindet + handelt und redet.
Das heißt: In Kurzprosa kann ich mich als Autor einfach davonstehlen, sobald ich ernsthaft zu überlegen + zu planen hätte. Eine Shortstory ist bloß ein One-Night-Stand des Autors mit seiner Figur; dafür muss man sich gegenseitig nicht so gründlich kennenlernen. Wird aus der Blitzliebe mehr, wird's ein Roman.  :devcool:

Habe ich seine Ausgangssituation geschrieben, schaue ich mir den neuen Prota erstmal an, frage ihn oder sie - was seltsam klingen mag, aber ich bin eben tatsächlich ein Bauchschreiber - quasi (nicht wirklich  :cheer: ) "Was bist denn du für einer?" - Dann phantasiere ich nicht mehr nur spontan (aus dem Bauch heraus) sondern beginne zu überlegen, wie der sich in welcher jeweiligen Situation wohl verhalten wird + was für einer das denn sein wird + passend zum Thema der Geschichte sein muss, damit der Text am Ende möglichst in sich konsistent wird - mit einer möglichst glaubwürdigen Figur darinnen.

Hier könnte ich eins zu eins die Worte von Uli (Autor erforscht seinen Prota, sobald der sich ein kleines erstes Stückchen weit wie von selbst gezeigt hat) einfügen - und genau so die Worte von Parzifal (dem Autor fliegt eine Figur erstmal so zu, dann überlegt er sich, wie sich diese entsprechend zu seiner - des Autors - Textidee verhalten wird + verhalten muss).

Ja, es erscheint mir sogar so, dass meine Protas im Verlaufe der Geschichte mitbestimmen, wie es weiter geht  ;) - sofern ich nicht an ein von den Veranstaltern eines Schreibwettbewerbes vorgegebenes Thema gebunden bin. Mein derzeitiger Prota kann ganz schön nölig werden, wenn ihm meine Fortsetzungen nicht in den Kram passen - und genau so nehme ich ihn an: Er ist eben manchmal nölig  :devgrin:

Im Ernst: Ich überprüfe also in meinem Hinterstübchen während des Schreibens ständig, ob die Dialoge + Handlungen so wie ich sie schreibe denn auch zum Prota sowie allen beteiligten Figuren passen.

So betsteht meine Arbeit in manchen Phasen mehr aus Schreiben, in anderen Phasen mehr aus Korrigieren, Redigieren, kurz: aus Ändern, Verbessern (hoffentlich) sowie aus Rumbasteln am Plot + an Figuren, dann wieder mehr aus Planen, Überlegen, wo der Plot - aus dem Text heraus gelesen - logisch langgehen will + muss, et cetera.
Damit "steht" meine Geschichte entweder - oder der jeweils zuletzt geschriebene Teil ist eben Mist (und wird demgemäß in der Tonne, respektive mittels Delete-Taste entsorgt). Auch einen älteren Teil, von dem ich bis dato geglaubt hatte, er stünde felsenfest + unverzichtbar "so fertig, wie er ist", musste ich nach reiflichem Grübeln rausreißen (auch aus meinem Herzen) und ihm viel Glück für sein Weiterleben im Papiercontainer wünschen. Da sterben dann auch Dialoge + Erinnerungen meiner Figuren mit. - Verzeihung, ich übertreibe (mal wieder) ein wenig.

Aus diesen Gründen schreibe ich nicht nur Listen mit allen möglichen Merkmalen, Eigenschaften, äußeren und inneren Besonderheiten der Charas auf, sondern auch tatsächliche Neben- und Vorgeschichten - die mir auch wieder spontan einfallen - und die mit dem Plot + dem Setting des eigentlichen Manuskriptes gerade mal nur so viel zu tun haben, dass ich eben meinen Prota + seine Mitstreiter im wahrsten Sinn des Wortes kennenlerne .

Übrigens hilft mir inzwischen doch auch ein Exposé (schon mindestens 5 Versionen davon; Kürzungen nicht mitgezählt) um heraus zu finden, wo + wie es mit "meinen Püppchen in Buchstaben" letztendlich lang gehen soll. Genauer gesagt: wo + wie die selber da hin wollen.

Ionasa:
Bei mir ist es auch eher so, dass die Figur plötzlich auftaucht (in meinem Kopf/ auf dem Papier) und ich sie dann kennenlerne.
Manche entwickeln sogar richtig Eigenleben ... das sind eigentlich die schönsten Momente   :devcool: Zum Beispiel tauchte in meinem Pferderoman ein Shetlandpony auf, das eigentlich nur eine kleine Nebenrolle hatte ... dann hatte ich sinnbildlich gesprochen, beim Schreiben plötzlich das Gefühl, ich werd von einer vorwitzigen Ponynase unter den Ellenbigen gestubst mit einem vehementen "Mehr von mir!" der Background des Kleinen kam ganz von selbst und mittlerweile ist er eine äußerst wichtige Hauptfigur...  :hehe:
Keine Ahnung, wie das passieren konnte!
In einer anderen Geschichte musste ich mit dem Schreiben aufhören, weil meine beiden Mädels aufgehört haben sich anzuzicken und in Konkurrenz zueinander zu treten ...da müsste ich dringend an den Background gehen, um zu sehen, wieso dass denn nun passiert ist ... obwohl ich den Plot durchgeplant hatte!
Aber eigentlich mag ich es, wenn meine Figuren ein Eigenleben haben! Ich hoffe nämlich, dass das ein Zeichen dafür ist, dass sie "funktionieren"  :devgrin:

Mooncat:
Figuren ... Mit meinen Figuren habe ich eher selten Mühe.
Wie bei einigen von Euch kommen viele der Charas mit ihren grossen und kleinen Charakteren daherspaziert, fixfertig. Meine Aufgabe ist dabei dann eher, aus ihnen all die Informationen herauszukitzeln, die ich wissen will / muss. Das kommt aber wahrscheinlich auch daher, dass ca. 80 % meiner Ideen mit den Charas anfängt. Dann kommen sie eben daherspaziert, erzählen mir etwas von ihrer Vergangenheit und den Problemen, die sie aktuell quälen und daraus entwickelt sich dann Plot und Welt.

Dass ich erst Plot oder Setting habe und dann quasi ein Casting für die dafür notwendigen Charas machas muss, ist für mich selten. Aber kommt neuerdings auch vor, von daher ist es doch gerade eine gute Übung, darüber zu reflektieren.

Aber ich fange erst mit den Leichten an:
Die fertigen Charaktere zum Kennenlernen
Woher kommen sie?
Keine Ahnung. Einige meiner Charas haben sich aus fanfiction entwickelt, wo meine Ideen für eine existierende Figur diese so verändert haben, dass sie nicht mehr in-character waren. Teilweise noch nicht einmal mehr das selbe Geschlecht hatten ... Ich nehme an, dass mir das aber unterbewusst schon die Richtung gegeben hat, in welche Richtung ich diese Charaktere haben will.
Einige Male habe ich auch etwas geschaut oder gelesen - und dann eine Situation festgestellt oder mich über etwas Dummes (in meinen Augen) so aufgeregt, dass ich dann gleich meine eigene Geschichte dazu entwickelt habe - auch hier waren die Stereotypen der Charaktere dann schon fast gegeben, weil ich die ja brauchte, damit der neue Plot damit funktioniert. Was aber schlussendlich auch eine Gefahr ist, denn aus dem Stereotyp herauszukommen und den Charakter zu einer eigenständigen, lebendigen Figur zu machen ist meiner Erfahrung nach in dem Fall doppelt so schwierig.
Einen lebenden Menschen als Vorlage für einen Charakter verwendet habe ich erst einmal - und obwohl die Figur nur eine kleine Rolle hat und sich ziemlich vom Vorbild unterscheidet, ich bin da sehr unsicher, denn ich habe unheimlich Mühe, die Figur vom Menschen zu trennen.
Und schliesslich gibt es einige, die kommen wirklich mit einem Plop aus dem Nichts et voilà, ich habe dann gefälligst zu schauen, dass ich denen eine angemessene Geschichte verpasse.

Stereotypen
Ein Wort noch zu Stereotypen. Wie vermeide ich den Stereotyp?
Da frage ich mich zuerst einmal, was genau eigentlich noch Stereotyp ist und was nicht. Im Grunde genommen ist schlussendlich jeder Charakter ein Stereotyp: Held, Antiheld, 'Böse' ... In irgendeine Kategorie kann man sie schlussendlich immer schieben.
Ich denke, am wichtigsten ist einfach, dass die Figur echt wirkt. Und für mich wird eine Figur echt, je mehr ich darüber weiss. Hintergrund, Beweggründe, Lebenseinstellung/Glaube, Verhalten, Sprache, Gedanken, Wünsche - einfach alles, was mir mehr über den Charakter der Figur verrät.

Wie lerne ich sie kennen?
Durch Interaktion. In der Regel, wenn mir so ein Charakter zuläuft, fange ich an, ihn diverse Szenen/Situationen durchlaufen zu lassen. Hier sollte ich mal vorausschicken, dass ich auch kaum je nur einen Charakter neu hinzubekomme. Die kommen bei mir in der Regel im Paar an - und nein, nicht die Hauptfigur und der Antagonist, sondern das weibliche, bzw. männliche Pendent zum Hauptcharakter. Schlicht weil für mich eine Geschichte ohne Knisterpotential nicht interessant ist. Wo nur Männer zentrale Rollen tragen ist für mich genau so uninteressant wie wenn es nur Frauen sind. ISSO. Wenn der Antagonist schon mitkommt, dann meistens als Dritter im Bunde. Und so ist es leicht, die Charas untereinander agieren zu lassen.
Notabene läuft das alles noch immer im Kopf ab. Zu Papier bringe ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Dafür weiss ich noch zu wenig. Was für Situationen das sind hängt starkt von ihrer Geschichte ab. Wenn ich es sehr grob verallgemeinere ist da sicher immer eine Gefahr-Szene (klar, was sonst? Muss die Figuren doch gleich etwas quälen und foltern  :devevil:), eine reflektive Szene des Charakter und mehrere mit Dialog dabei. Denn wie einige schon gesagt haben, zu 'hören', wie sie sprechen und was sie so zu sagen haben, aber auch, wie sie andere ansprechen, ist für mich ein zentraler Indikator für den Charakter der Figur.
Im Übrigen brauche ich da auch Miniszenen aus verschiedenen Zeitebenen, v.a. aus Anfang und Ende (hmm - vielleicht habe ich daher immer so Probleme mit der Mitte, weil ich schon hier kaum Mitte-Szenen habe ... :watchout:). Nur so kriege ich ein vertiefteres Gefühl für den Charakter. Und kann Vergleiche ziehen zwischen Anfang der Geschichte und dem Ende (und darüber hinaus), damit ich sehen kann, wo sich die Figur entwickeln muss - und in welche Richtung.
Ich nenn das ja gerne fanfiction, zumindest später, wenn es dann ein definitives Projekt geworden ist. Meist Zeugs, das ich nie in der Geschichte verwende oder viel zu überspitzt ist, als dass ich sie später brauchen kann - eben klassische fanfiction. Halt nur zu meiner eigenen Geschichte, die nur ich kenne. Aber ich mag dieses Überspitzen - so kann ich mich im Kopf austoben und habe keine Grenzen whatsoever und kann mich dafür dann, kommt es bis zum Niederschreiben, dort auf dem Boden der 'Realität' bewegen.


--- Zitat ---Nenn' ich dich, so kenn' ich dich.
Andreas Hofer
--- Ende Zitat ---
Namen
Oder auch diese Redewendung passt: Names make news
Ohne Namen läuft bei mir nichts. Ein paar wenige Figuren stellen sich mir gleich mit Namen vor - die meisten zieren sich leider etwas. Spätestens ab da, wo ich die Figuren in meinem Kopf interagieren lasse, brauche ich aber langsam einen Namen - allerspätestens, wenn die ersten Dialoge kommen. Früher oder später müssen sich die ja irgendwie ansprechen. Und so geht die Suche los. Manchmal, wie gesagt, kein Problem. Der Name, der sich 'richtig' anfühlt, kommt zum Glück relativ schnell. Bei manchen suche ich noch immer ... Aber wenn es dann endlich Klicl macht - Wow, was für ein Klick ist das dann! So ähnlich wie in Spielen, wo du endlich all deine Teile/Artefakte zusammen hast und der ultimative Schlüssel fügt sich in einem Feuerwerk und unter Fanfaren zusammen ...  :wech: Tja, aber so ein Effekt hat da bei mir in etwa. Der Name ist für mich der Identifikator, aber viel wichtiger noch, der Schlüssel, um nun wirklich in die Tiefe des Innenlebens der Figur eintauchen zu können.
Vielleicht erklärt sich deshalb auch, weshalb bei mir spätere Namenswechsel nicht in Frage kommen. Der Name ist so mit der Figur verwachsen, da ändert sich der ganze Charakter, wenn der Name wechselt.
Es ist, wie ich gerade merke, auch bezeichnend dass meine Projekts-Arbeitstitel meist einfach den Namen der Hauptprotas entsprechen. Denn es ist eigentlich nie die Geschichte über das Problem oder den Konflikt - sondern die Geschichte von X und/oder Y.
Und mit dem Namen kommt dann bei mir auch die Zeit, wo ich zum ersten Mal etwas zu Papier bringe und erste Notizen zum neuen Projekt mache - selbstredend unter dem Namen des Protas.

Fragen, fragen, fragen ...
Jetzt geht die Knochenarbeit los. Die Charas kenne ich zwar mittlerweile ganz gut, gut genug, um zu wissen, wo ich nachbohren muss - aber das muss halt geschehen. Und durch die verschiedenen Situationen habe ich schon gute Ideen für die Konflikte und den zentralen Plot gekriegt. Aber das muss nun alles ausgearbeitet werden, die Welt in ihren Grobzügen und Details erschaffen werden und dann die Nierenprüfung, ob das alles im Gesamten 'verhet'. Über Plot und Weltenbau sprechen wir wohl noch separat, ich bleibe hier jetzt allein bei der Figur, bzw. den Figuren - aber es ist schon so, dass von hier an alles extrem eng miteinander verknüpft ist bei mir.
Spätestens jetzt kommt ein ganzes Rudel an neuen Charakteren zusammen, die auch kennen gelernt und befragt werden müssen. Was meine Hauptfiguren angeht, nun, da ist das Motto wie oben genannt klar: Fragen. Fragen zu Hintergrund, Fragen zu Motivation, Fragen zu Verhalten, Fragen zu Wünschen und Träumen und Ängsten. Was hassen sie, was lieben sie? Wen hassen und lieben sie? Wie nehmen sie sich selbst wahr, wie nehmen die anderen Charas sie wahr? Und, und, und ... Da gibt es sicher Standardfragen, wie wir sie selbst auch oft genug hören bei diversen Anlässen, aber doch auch sehr spezifische, die sich nur aus Plot und Setting ergeben.
Und das geht so weiter, bis ich das Gefühl habe, so, jetzt reichts. Mehr finde ich nicht heraus, solange ich nicht schreibe und sehe, wie sich der Plot - und der Charakter im Plot - so entwickelt.

Schreiben
Trotz aller Vorarbeit - mir ist noch nie passiert, dass ich die ersten paar Seiten geschrieben habe - und keine neuen Fragen aufgetaucht sind. Und wenn es nur so banale sind wie wie die Figur denn eigentlich aussieht. Was ich völlig wurscht finde, ausser das Aussehen hat einen direkten Einfluss auf die Charakterisierung und den Plot. Und spätestens ab da brauche ich dann ein Charaktersheet, denn ich kann mir doch nicht merken, wie gross sie nun sind und welche Haar- und Augenfarbe eine Figur hat ...
Erfahrungsgemäss, je mehr ich schreibe, desto mehr weitere Fragen tauchen auf. Aber immerhin, nachdem dann auch die ersten spontanen Fragen durch und beantwortet sind und ich ein Gefühl für die Sprache der Geschichte bekommen habe, kann es dann endlich in einen relativ ständigen Schreibfluss übergehen - bis die nächste Frage einen Damm aufwirft.

Überarbeiten
Und steht die Geschichte mal, geht es weiter mit der Feinarbeit. Ist die Figur kongruent? Reagiert sie überall so, wie sie reagieren muss, bzw. wie es für diese Figur logisch ist, zu reagieren. Stimmt die Stimme? Wenn eine Szene hapert, woran liegt es (meist an der Figur ...). Und noch mehr Fragen gehen zwischen mir und der Figur hin und her.
So, und jetzt noch zu der mir viel unbekannteren Variante:
Die Charaktere zum Besetzen
Wie gesagt, diese Methode kenne ich weniger, sammle da eigentlich erst noch die Erfahrungswerte. Vieles deckt sich sicher mit dem Obigen, eigentlich ist nur die Frage, woher sie kommen eine andere. Was danach kommt, ist eigentlich gleich, setzt aber halt nur viel später ein.

Wie entstehen sie?
Gut. Ich habe also ein cooles Setting. Oder einen interessanten Konflikt. Dummerweise ist das aber das einzige, noch keine Ahnung, wie das umgesetzt werden kann.
Zuerst entwickle ich die Idee weiter. Denke, das schauen wir dann auch an anderer Stelle an, aber im Groben: Aus meinem Setting wird eine ganze Welt. Und da keine Welt perfekt ist (sonst wäre sie ja langweilig), werden sich daraus schnell erste Konfliktherde ergeben. Oder aus meinem Konflikt wird ein Plot - der in Folge wahrscheinlich auch schon ein gutes Bild des dafür benötigten Settings ergibt. Sobald ich genug davon zusammen habe, sehe ich schnell, was ich für Grundtypen brauche - oder halt auch Stereotypen. Und so stelle ich quasi eine Besetzungsliste auf, für die ich dann vage Ideen von Figuren zur Bewerbung antreten lasse. Sobald es Klick macht und ich die Hauptrollen habe, ergibt sich dann schnell auch das Umfeld dieser Person. Und wie gesagt, der Rest des Prozesses ist dann in etwa gleich.

Meine Erfahrung bislang ist, dass es für mich auf diese Weise viel länger und schwerer geht, die Figur zu fassen und zu verstehen. Ich fühle mich bei den Figuren auch sehr viel weniger sattelfest, als wenn es von der Figur ausgeht. Schlussendlich ist gerade da meine Angst vor der Stereotypenfalle auch viel grösser, da ich sie so schwer zu fassen bekomme und sie quasi ihren Beginn so bekommen habe: Ach ja, hier brauche ich einen Politiker, da eine Rebellin und dort bitte noch einen Pazifisten und das abzuschütteln finde ich viel schwerer, als wenn die Figur da ist und ich schaue, welche Rolle sich für sie ergibt.
Aber was ich auch feststellen muss, ist, dass dafür die Welten und der daraus kommende Plot meist sehr viel komplexer ist, als ob die Komplexität der Figuren aus der ersten Variante sich da quasi wie verlagert und dadurch Setting oder Konflikt fast zentraler werden als die Figuren, die sie tragen. Allerdings, ich steck da ja eh noch in der Plot oder Anfang Rohversion-Phase, daher ergibt sich das vielleicht ja noch.

Wenn ich aber wählen kann, dann bitte der Charakter zuerst!

Danke für den Anstoss, Trippel. Hat gut getan, meine Figurenentwicklung mal ganzheitlich auseinanderzunehmen und zu reflektieren.

Trippelschritt:
Wow, das ist schon beinahe ein Schreibratgeber.
Und wenn es bei Dir schon so gut läuft, ist es im nächstenSchritt interessant,
noch mehr aus Deinen Figuren herauszuholen.

An zwei Stellen möchte ich nachhaken.
1. Stereotypen sind nicht festgelegte Rollen oder Schubladen. Stereotypen sind (in diesem Fall9 Figuren,
die den Erwartungen der Leser entsprechen und deshalb so schnell vergessenw erden, wie sie gelesenw erden.
Wenn der Held groß, stark, blond, unwiderstehlich und unbesiegbar ist, dann ist er langweilig.

2. Fragen, mit denen Du Deine Figuren durchlöcherst.
Welches sind Deine drei oder fünf wichtigsten Fragen, auf die du unbedingt eine Antwort brauchst?

Liebe Grüße
Trippelschritt

Mooncat:

--- Zitat ---Wow, das ist schon beinahe ein Schreibratgeber.
--- Ende Zitat ---
Och, ich weiss nicht. Das ist einfach, wie ich an eine Figur herangehe, einfach mal wirklich Schritt für Schritt auseinandergenommen.


--- Zitat ---Und wenn es bei Dir schon so gut läuft, ist es im nächstenSchritt interessant,
noch mehr aus Deinen Figuren herauszuholen.
--- Ende Zitat ---
Wäre das Ziel, nicht? Aber ja, wie gesagt, bei meinen Figuren habe ich tatsächlich nur selten Probleme. Gibt es natürlich auch, ein paar zeigen sich immer bockig, aber selbst bei denen kenn ich sie eigentlich dann genug, um zu wissen, wo es hakt. Und dann gibt es ja noch die Couch, auf die ich sie im schlimmsten Fall fesseln setzen kann.  :devgrin:


--- Zitat ---An zwei Stellen möchte ich nachhaken.
1. Stereotypen sind nicht festgelegte Rollen oder Schubladen. Stereotypen sind (in diesem Fall9 Figuren,
die den Erwartungen der Leser entsprechen und deshalb so schnell vergessenw erden, wie sie gelesenw erden.
Wenn der Held groß, stark, blond, unwiderstehlich und unbesiegbar ist, dann ist er langweilig.
--- Ende Zitat ---
Du vergisst den weissen Schimmel. Und bitte schön - er muss dunkle Haare haben ...  :biggrin:
Klar brauchen die Figuren als erstes gleich mal ein paar Fehler und Quirks - das Problem mit dem Anti-stereotyp ist, zumindest für mich, dass er dann auch schon wieder zum Stereotypen wird. Verpassen wir ihm eine Behinderung, eine geistige Störung, eine derart gewaltige Depression, dass es ein Wunder ist, dass er überhaupt noch irgendetwas macht ausser rumsitzen und zu jammern oder aber dann ist er ein skrupelloser, gewissenloser braun- oder rothaariger Typ - der dann plötzlich ein Gewissen bekommt. Oder nicht, aber dann wird es schwer mit dem Identifizieren. Genauso gähn. Dass eine Figur nicht in diese Fallen tappt, dafür braucht es beides.
Und, das darf man dann doch auch nicht vergessen - es ist auch Geschmackssache. Ich persönlich brauche z.B. keine kranke Type als Prota. Oder wenn, dann nur für ein kurzes Intermezzo. Oder von mir aus auch für einen Film oder eine Serie, wo man nicht ganz so sehr im kranken Kopf drinnen ist.


--- Zitat ---2. Fragen, mit denen Du Deine Figuren durchlöcherst.
Welches sind Deine drei oder fünf wichtigsten Fragen, auf die du unbedingt eine Antwort brauchst?
--- Ende Zitat ---
Hmm. Gute Frage. Sehr gute Frage. Ganz ehrlich bin ich mir nicht sicher, ob man es ganz von Plot oder Setting trennen kann, aber ich schau mal:

* Was willst du?
Ganz wichtige Frage, wenn auch sehr verallgemeinert. Aber es gibt mit die wichtigsten Eckdaten zu Streben, Ziel, manchmal auch schon Motivation, also wichtig für Plot, Konflikt und ev. auch Setting.
* Was stört dich?
Das kann von kleinen Ticks (z.B. wenn ein Tischtuch nicht gerade liegt -> führt zu ersten Fehlern oder 'Mäkeln', damit es eben eine reale Figur wird und kann in Extremfällen auch zu Plotwenden führen), über grössere Ägernisse (der Nachbar, der die Haupttüre ständig offen lässt -> ah, da haben wir schon viel Potential, kann von Einbruch, Mord am Nachbarn bis hin zu Überfall/Entführung der Figur alles - und nichts - sein) bis hin zum ultimativen Ärgernis, dass schon in Glaubensfragen ausarten kann (und die wahrscheinlich dann schon in der ersten Frage auftaucht, aber man weiss es ja nie. Einige sind ja so tight-lipped ... Beispiel gibt es viele, z.B. der Diktator, der meine ganze Familie und die meisten Freunde umgebracht hat und bitte endlich gestürzt werden soll - und schon habe ich meinen Rebellenplot
* Woher kommst du?
Auch hier weitreichende Möglichkeiten, die mir vor allem viel über den Hintergrund und dadurch über die Motivation verraten. Und das Setting. Und wenn ich Glück habe auch den Plot. Das fängt ganz einfach an mit wo er gerade lebt (Land, Stadt, keinen Wohnsitz, Planet, auf einer Wolke, im Wasser, im Nichts ...), wer seine Familie ist (Eltern, Reagenzglas, Ei, Geschwister oder nicht, etc.), aus welchen Verhältnissen er kommt (Monarch, reich, arm, Arbeiter, Drohne, Mittelstand, Strasse etc.) aber auch im psychischen Sinne (von Wolke 7, da ich gerade frisch verliebt bin oder der Hölle, weil ..., aus dem Nichts, weil ich die letzten 100 Jahre geschlafen habe, etc. Einige könnten hier sicher auch noch Philosophischen Sinn entdecken, von Gott, aus der Feder eines Überwesens, von Frankenstein zusammengemixt etc., aber das ist weniger meins. Na ja, ausser vielleicht Sophie und Frankenstein ... Aber im hiesigen philosophioschen Sinne - ne.
* Wen liebst du?
Wie gesagt, für mich immer eine der ganz zentralen und wichtigen Fragen. Es muss dabei auch nicht auf eine Liebesgeschichte hinauslaufen. Es kann auch ganz banal in dem Sinne sein, was, bzw. welcher Typ ihn anturnt, ihr das Höschen befeuchtet, bis hin zur grossen Frage, wer ist dein/e Seelengefährt/in. Aber ich muss wissen, worauf sie stehen, damit sie ihr Gegenpart bekommen können und es ordentlich knistern kann. Das im Übrigen gar nicht unbedingt dem entsprechen muss, was sie sich vorstellen. Aber kann. Und je nachdem kann es nätürlich auch zu Verwirrungen und Intrigen führen. Okay, ich hör jetzt besser auf, bevor ich da ausarte. Wird eh keine Frage sein, die viele als zentral ansehen, oder zumindest so zentral wie ich.
* Was liegt dir sonst noch auf dem Herzen?
Okay, ich weiss, was er will, woher sie kommt, was sie stört und wen sie im Bett haben wollen - das deckt eigentlich so ziemlich alles ab. Natürlich nicht mit nur einer Frage, erfahrungsgemäss muss man da immer wieder nachhaken gehen, aber ich denke, die meisten Fragen bewegen sich unter diesen Hauptkategorien. Und decken die Fragen ab, die mir überhaupt in den Sinn kommen können.
Mit dieser Frage kann ich schauen, ob ich nicht doch etwas vergessen habe - oder zu ungenau gefragt habe - aber noch viel wichtiger, es gibt mir die Gelegenheit, "outside the box" zu denken. Und nein, keine Beispiele - da müsste ich ja meine gewohnten Pfade verlassen! - aber auch, weil ich denke, dass dies auch stark von Plot und Setting abhängt. Eine Frau in Jeans völlig normal in Europa von heute - aber, äh, in der Höhle, vor der Nase eines Säbelzahntigers? Ein Vampir an sich ist nichts ungewöhnliches - aber huch, was hat er denn im Weltall verloren? Und so weiter und so fort.
Uff. Ging doch getrennt von Plot und Setting. Wobei man schnell sehen kann, wie alles zusammenhängen kann.
Nochmals danke für den Anstoss, Trippel! Spannend.

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