Teufelszeug > virtueller Schreibratgeber
Die Erschaffung von Figuren
Trippelschritt:
Dieses Kapitel ist in vielen Schreibratgebern abgehandelt und trotzdem plagt man sich, Figuren zu erschaffen, in die die Leser sich verlieben oder die funktionieren. Da kann jeder sein eigenes Extrem wählen.
Unter den vielen Ratschlägen verbirgt sich auch viel Unsinn.
Deshalb könnte es uns etwas bringen, wenn wir einmal unsere Erfahrungen austauschen. Und da habe ich vor allem zwei Fragen:
Wie erschafft ihr eure Hauptfiguren?
Und auf welche Dinge muss man unbedingt achten, weil sie unverzichtbar sind?
Liebe Grüße
Trippelschritt
Bateman:
Da ich gerade in der entsprechenden Phase bei einem Drehbuch stecke, mache ich es mal kurz aus dieser Perspektive.
Beim Drehbuch ist es definitiv so, dass die Dialoge das Entscheidende in der Darstellung sind (ich würde das aber auf Prosa übertragen). Alles andere (Gesten, Kostüm usw.) liegt letztlich nicht in der Hand des Autoren, sondern wird von Regisseur und Darsteller entwickelt. Ich lege das zwar an (bestimmte Eigenarten, Handbewegungen, eine bestimmte prägnante Damenhandtasche o.ä.), muss aber darauf achten, dass es sich AUCH über die Dialoge trägt.
Hier mache ich nun zunächst ein Charactersheet (in Fließtextform, ich hasse diese Fragestellungen). Dann lege ich los. Und wenn ich Anfangs noch dem Sheet folge, drifte ich zunehmend davon ab. Weil andere Charaktere dazu kommen und es plötzlich nicht nur um Aktion, sondern auch um Reaktion der Figur geht.
Das Ergebnis ist dann natürlich vollkommen unausgegoren :biggrin: Aber das ist glaube ich normal.
Also nochmal ans Sheet und nach entscheidenden Stellen angepasst.
Was ich dann mache geht in Drehbuchsoftware ganz einfach. Aber auch wenn es in Romansoftware etwas komplizierter ist, würde ich es jedem raten. Ich lasse mir einen Report mit dem gesamten Dialog der Figur anzeigen. Der Fülltext, die Beschreibungen werden weggeblendet und ich kann nun den Dialog am Stück sehen und daran arbeiten, dass EINE Stimme daraus wird. Denn nur mit einer kohärenten Stimme wird die Schablone zum sprechenden Charakter.
Der nächste Schritt ist dann natürlich, die Charakterkonstellationen aus Aktion und Reaktion aufeinander anzupassen. Die Dynamiken zwischen den Figuren. Aber damit beschäftige ich mich jetzt erstmal nicht. Soweit bin ich hier noch nicht :)
Ich wollte, unabhängig von dem ganzen "Was-will-derCharakter/Fallhöhe"-Gedöns nur ein kurzes Plädoyer für die Wichtigkeit von Dialogen halten.
Ryek Darkener:
@Bateman: :pro:
Liegt wahrscheinlich daran, dass meine Romane dialoglastig sind, fast Drehbücher. :biggrin:
Was Dialoge ausmachen, sieht man bei der derzeitigen Hollywood- Marvel-Massenware: Die Dialoge dienen mehr schlecht als recht dazu, von einer Action-Szene in die nächste überzuleiten. Dadurch hat der ganze Film die Anmutung eines schlechten Kasperletheaters. By the Way: In den Original Comics gibt es durchaus sehr intelligente Dialoge und eine Menge Sozialkritik.
Wer nur Dialoge sehen will und das Geld dafür ausgeben möchte, kann Papyrus Autor kaufen oder testen. Da gibt es diese Funktionalität schon seit einiger Zeit. Oder in der Textverarbeitung seiner Wahl ein Makro programmieren. :diablo:
Zurück zum Thema. Der Charakter definiert sich, meiner Vorstellung nach, zu einem großen Teil über das was er sagt. Weil es nämlich zu dem was er tut konsistent ist. Oder eben auch nicht. Und dadurch entsteht die Verbindung des Lesers mit dem Charakter: ob er gemocht oder gehasst wird, kurz, ob er Struktur und Tiefe erhält.
Ich selbst arbeite so, dass ich den Charakter erst einmal etwas in der Handlung tun lasse. Danach kommt eine kurze Skizze der unveränderlichen Merkmale und des ersten Eindrucks in Form einer Checkliste, weil ich mir klar darüber bin, dass sich mein Charakter im Laufe der Geschichte auch ändern kann. Wer es exakt machen will, wird nicht darum herumkommen, für seine wichtigen Charaktere eine parallele Biografie anzulegen.
Bateman:
Checkliste ist auf jeden Fall wichtig, glaube ich. Ich merke immer wieder, wie ich mich beim Schreiben treiben lasse. Hier eine witzige Erwiderung, da noch ein kleiner Einfall. Und schon sind wesentliche Punkte, die im Charakter angelegt waren vergessen. Manchmal dann ganz schön müham, das zu reparieren. Da hilft eine Checkliste ungemein, um sich immer mal wieder an wichtige Punkte zu erinnern.
Trippelschritt:
Ich unterstütze euer Plädoyer für Dialoge. Ich bin allerdings der Meinung, dass man, bevor man einer Figur, die rechten Worte in den Mund legt, wissen sollte, was für eine Figur das denn ist.
Oder wollt ihr eine Figur aus den Dialogen heraus entwickeln? So in der Art: Ich brauche einen witzigen Dialog, also muss einer der beiden ein Witzbold sein. Dann würde diese Figur im ganzen Roman nur herumwitzeln, weil er sonst keine Eigenschaften hat.
Das könnt ihr aber nicht gemeint haben.
Also erst sollte die Figur stehen, dann wird sie präsentiert. Und das auch unbedingt durch Dialoge!
Liebe Grüße
Trippelschritt
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