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Schreibtips für Anfänger - und alte Hasen (Prosa)

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merin:
Ich möchte hier einen Thread eröffnen, in dem Schreibtips für Anfänger gesammelt werden. Im besten Falle profitieren davon auch Fortgeschrittene. Jede/r darf Tips mit einbringen, ich werde diese dann in den ersten Post mit hineineditieren, damit es übersichtlich bleibt. Schön ist, wenn ihr die Tips gleich in der vorgegebenen Form einbringt, wenn nicht, forme ich sie um. In Klammern schreibe ich immer den Tipgeber dazu, damit ich mich hier nicht mit fremden Lorbeeren schmücke.
Falls es zu den Tips Diskussionsbedarf gibt, bitte ich darum, einen Diskussionsfred zu den Schreibtips zu eröffnen, den würde ich dann hier verlinken. Und auch Links zu ausführlichen Threads zum Thema gibt es hier.

Hier also die Tips:

1. (merin) Sag's anders. Wenn Du einen Text geschrieben hast, schaue, ob es Dir gelungen ist, eigene Worte und Bilder zu finden. Experimentiere damit, etwas anders zu sagen.

2. (merin) Sag's kürzer. Experimentiere mit Kürzungen. Wo sind Redundanzen? Streiche sie!

3. (merin) Dynamisiere! Nicht nur Kurzprosa gewinnt, wenn sie dynamisch ist. Ich meine damit gezielt eingesetzte Variationen des Lesetempos: Kurze Sätze für actionreiche Szenen, längere für Beschreibungen oder innere Monologe, die langsamer sein sollen. Auch gezielte Wiederholungen von Worten oder Halbsätzen können Dynamik bringen. Damit aber vorsichtig sein.

4. (uli) Keine Backrezepte! Selbst der beste aller Schreibratgeber (also auch dieser) gibt nur Rat, aber erlässt keine Gesetze - folge nicht blind den 'Anweisungen', sondern verstehe und variiere.

5. (uli) Keine aufgeschnappen Floskeln! Redewendungen haben eine Herkunft und eine Bedeutung - nicht nur einen 'guten Klang'. Lerne erst 1&2, bevor du eine möglicherweise falsch Aussage wegen 3 machst.

6. (uli) Nicht für 'Den Leser' schreiben! Es gibt allein im deutschen Sprachraum gut 140.000.000 Leute, und die sind alle verschieden. Zum Teil sehr verschieden. Ein Mittelwert bringt nur Mittelmaß. Suche die Zielgruppe, für die du schreiben möchtest. Mehr dazu: http://www.federteufel.de/forum/index.php/topic,1083.0.html

7. (Trippelschritt) Finde heraus, wie deine Geschichten entstehen oder wie sie bisher entstanden sind. Es gibt da keinen Königsweg. Dann suche die Schreibangebote, die für dich passen.

8. (Parzifal) Der Text entsteht bem Überarbeiten! Daher sei nicht enttäuscht, wenn der erste Entwurf nicht gelingt und lies den eigenen Text immer wieder kritisch und mit Abstand.

9. (Parzifal) Lerne das Handwerk! Auch wenn Schreiben Können noch nicht heißt, schreiben zu können, solltest du schreiben können.  :biggrin: Sprich: Beschäftige Dich mit Grammatik, Rechtschreibung und sprachlichen Hintergründen.

10. (Antigone) Kill your darlings. Auch wenn man noch so in diese! eine! gelungene! Formulierung verliebt ist - oft stellt sich nach einigen Überarbeitungen und einem gewissen zeitlichen (und emotionalen) Abstand heraus, dass der Text ohne sie besser funktioniert.

11. (Uli) Mache es nicht perfekt. Mache es so gut wie du kannst und überarbeite später.

12. (Uli) Ein Text, der zwingend mehr Formate benötigt als Kursivdruck ist wahrscheinlich schlecht.

13. (Uli) Dem Vorbild nachzueifern erzeugt einen Abklatsch - folge nie ausgetretenen Pfaden.
Und wenn, nimm eine Abzweigung, die erste links.

14. (Uli) Ein Text der nur funktioniert, wenn der Name des Protagonisten schwer auszusprechen ist oder mehrere Sonderzeichen enthält, lässt auf eine banale Handlung schließen - benutze deine Kreativität für den Plot, nicht um eine Figur namens Tschrn!krkk zu kreieren.

15. (merin) Kurz kommt vor lang. Bevor Du Dich an Deinem ersten Roman versuchst, übe an kürzeren Formaten.

16. (uli) Überschreite alle Grenzen und breche alle Regeln ... wenn du es kannst. Aber nur dann. Mehr dazu: http://www.federteufel.de/forum/index.php?topic=1085

17. (tine) Schreib einfach los! Inspiration kommt, wenn man sich mit einem Stift und einem Blatt hinsetzt und einfach drauflos schreibt. Fang an mit "Was will ich denn heute schreiben?" und dann beantworte das mit Stichworten, Listen von offenen Fragen zu einem Plot oder Fließtext oder... Das funktioniert tatsächlich.

18. (Oflinitrium) Verwende Platzhalter, wenn Dir keine Namen einfallen. Grübel nicht zu früh über Namen nach. Klar jeder will in seiner Geschichte perfekt passende Namen, aber letztlich ist es egal wie ein Charakter oder ein Ort heißt. Entweder es wachsen einem am Ende die Figuren ans Herz, oder man hat als Autor etwas falsch gemacht. Füge Platzhalter ein, bis dein Charakter oder der Ort dir seinen Namen entgegen wirft, denn das passiert über kurz oder lang. =)

19. (kass) Show, don´t tell! Statt Dinge zu behaupten, zeige sie, so dass die Lesenden selbst ihre Schlüsse ziehen.

20. (kass)  Lesen, lesen, lesen, lesen !!! Lerne von erfahrenen Autoren!

21. (kass) Sei sparsam bei der Verwendung von Adjektiven und Adverbien.

22. (kass) Lass deine Figuren aktiv handeln. Vermeide das Passiv wie die Pest.

23. (kass) Wahl der Perspektive. Mach dir Gedanken darüber, aus welcher Perspektive du erzählen willst, und warum. Versuche herauszufinden, wie die Verwendung verschiedenen Perspektiven (auktorial, personell, Ich-Erzäher auf dich als Leser wirkt).

24. (kass) Der Stil ist keine feststehende Größe, die aus dem Nichts auftaucht. Dein Stil entwickelt sich mit dir und mit deinem Schreiben und deinem Lernen weiter. Und da darf man auch Vorbilder haben, das heißt noch nicht, dass deine Art zu schreiben nicht deine ganz eigene ist.

25. (kass) Lerne, Kritik anzunehmen und auch, sie abzulehnen.

26. (kass) Lies mindestens einen Schreibratgeber, und lies ihn kritisch. Überprüfe die dort getroffenen Aussagen anhand deiner Lieblingsbücher und dann entscheide, welche Ratschläge du annehmen oder ablehnen möchtest.

27. (kass) Lies auch Bücher, die dir nicht gefallen, zumindest teilweise, und versuche herauszufinden, warum sie dir nicht gefallen.

28. (Trippel) Du bist Gott. Erschaffe dir Figuren, die leben.

29. (Trippel) Und dann lass sie leben. Das ist immer besser als über sie zu schwätzen.

30. (Trippel)  und mach es ihnen nicht zu einfach.

31. (Trippel) Schau ihnen über die Schulter. Das ist besser als aus der Ferne zuzuschauen.

32. (Trippel und Kass) Erschaffe Figuren, mit denen der Leser sich identifizieren kann.

33. (Lionel) Die Beweggründe der Figuren müssen nachvollziehbar sein, (wenn auch nicht von Anfang an, so doch im Laufe der Geschichte).

34. (Oflinitrium) Lass den Antagonisten nicht einfach nur seine Rolle erfüllen. Es ist eine gute Gelegenheit, auch einmal in die dunklen Ecken des eigenen Denkens abzutauchen. Nutze dies.

Uli:
Keine Backrezepte! Selbst der beste aller Schreibratgeber (also auch dieser) gibt nur Rat, aber erlässt keine Gesetze - folge nicht blind den 'Anweisungen', sondern verstehe und variiere.

Keine aufgeschnappen Floskeln! Redewendungen haben eine Herkunft und eine Bedeutung - nicht nur einen 'guten Klang'. Lerne erst 1&2, bevor du eine möglicherweise falsch Aussage wegen 3 machst.

Nicht für 'Den Leser' schreiben! Es gibt allein im deutschen Sprachraum gut 140.000.000 Leute, und die sind alle verschieden. Zum Teil sehr verschieden. Ein Mittelwert bringt nur Mittelmaß (lerne: Zielgruppe')

Trippelschritt:
Als ich anfing Belletristik schreiben zu lernen, habe ich viel Lehrgeld bezahlt. In Form von verlorener Zeit, durch Irrwege, aber auch in Euro. Die  schlimmsten Erfahrungen musste ich mit zwei Schreibkursen machen, die teuer, arbeitsintensiv und ...
Aber dazu komme ich gleich.

Zunächst muss ich sagen, dass ich mit meinem Beginn in der Belletristik kein reiner Anfänger war. Ich hatte bereits Bücher veröffentlicht und war einigermaßen stilsicher und auch sicher in Grammatik und Ausdruck. Ich meine, das sollte am Anfang stehen. Man erreicht es durch Schreiben und Lesen und ein bisschen Korrektur durch Lehrer oder gute Freunde.

Da ich Schreibkurse nicht schlechtmachen möchte, muss ich betonene, dass nicht jeder Schreiberling für einen Schreibkurs taugt. Ich jedenfalls nicht. Aber nach dem zweiten Schreibkurs ging bei mir ein Scheunentor auf. Ich verstand, warum mir der Kurs so wenig gebracht hatte. Außer guten Freunden, was ja auch nicht zu unterschätzen ist.
Ich hatte meinen eigenen Kreativprozess verstanden. Ich wusste plötzlich, wie bei mir in meinem Kopf Romane entstehen. Und als ich das wusste, hatten sich so klassiche Ratgeberkapitel wie "Wie erschaffe ich einen Charakter" erledigt. Ich war ein Bauchschreiber, Wattwanderer, Intuitionsschreiber, der erst einmal schreiben musste, um herauszufinden, was er eigentlich wollte.
Damit kein Missverständnis aufkommt. Ich bin ein Verfechter der Handwerkergruppe. Das reine Genie mag bei Alice Munro oder Kafka gewirkt haben. Bei mir nicht!!!!

Fazit: Schreibkurse können für alle Planschreiber gut sein, wenn sie denn etwas taugen. Planschreiberanfänger sollten zunächst wissen/lernen, was ein dreiakter ist, und warum in der Mitte des zweiten Aktes besser ein Wendepunkt stehen sollte.
Bauchschreiber sollten einfach drauflos schreiben und diese Frage nach der Struktur auf die erste Überarbeitung verschieben.

Wie geht es dann weiter und was machen die Bauchschreiber oder die Kurzgeschichtenschreiber?
Nutzt einen Schreibratgeber der Art, die alle wichtigen Punkte des Textes behandeln. Vergesst einfach so Sachen wie Prämisse und Ähnliches und beschäftigt Euch mit Einzelaspekten wie Anfänge, die packen, Beschreibungen, die nicht langweilen, die atmosphäre eines Ortes oder was weiß ich. Sol Stein wäre da gut geeignet, aber es gibt auch andere.
Jetzt kommt's
Hoffentlich gibt es jetzt in dem Ratgeber ein Kapitel, das stimuliert. Und mit den Ratschlägen in diesem einen Kapitel experimentiert ihr dann herum. In allen euren Projekten. Und anschließend ist euer Roman zwar immer noch Mist und die Kurzgeschichte unlesbar, aber immerhin ist der Einstieg Klasse oder die Leute überzeugend kauzig oder die Atmosphäre stimmt .

Und dann kommt das zweite Kapitel aus dem Ratgeber.

Liebe Grüße
Trippelschritt
(bei dem dieser Anfang als Einziger funktioniert hat)


merin:
Cool, da haben wir ja schon einige Hinweise.
Uli, kannst Du das mit der Zielgruppe noch etwas ausführen?

Trippel: Da weiß ich nicht, wie ich es zusammenfassen soll. Falls Du einen Tip dazu hast, nehm ich den gern, ansonsten muss ich es erstmal einfach so stehen lassen. Vielleicht "Schau, was deine Art zu schreiben ist!"?

Uli:
ay ... würde aber ein 'Artikel', kein Merksatz

Was mich zu der Idee bringt: Zu den Merksätzen ggf längere (nicht: lange) Ausführungen, auf die jeweils verwiesen wird. Dann hätten wir die Merksätze als eine Art Überblick/Inhaltsverzeichniss, die 'Artikel' zum genauer nachlesen.
Was auch ermöglichen würde, Beispielsätze anzuführen etc.

Ansonsten:

Zielgruppe: Eine imaginäre Liste von Leuten, 'für die man schreibt'. Kann unterschiedliche Effekte haben: Vom Abklatsch für spezielle Fans eines vorhandenen Werkes (Mehr Glitzermonster mit Lovestory) bis zum 'Antiwerk' für diejenigen, die das Original gehasst haben.
Irgendwo dazwischen findet oft auch Literatur statt ...

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